Künstlich-künstlerische Illusionen von Natur

andere gärten_galerie im körnerpark neuköllnAusgerechnet in der Galerie im Körnerpark, die von mehr Grün als alle anderen Neuköllner Galerien umge-ben ist, eine Ausstellung zu zeigen, die das Thema Gärten fokussiert, hat schon etwas von Eulen nach lätitia norkeit_andere gärten_galerie im körnerpark neuköllnAthen zu tragen. Andererseits aber passt die Ausstellung „Andere Gärten“, die Arbei-ten von sieben Künstlerinnen und einem Künstler präsen-tiert, insbesondere wegen des satten Grüns vor den raumhohen Fenstern ausge-sprochen gut in diesen Ort, dem so eine moderierende Rolle zukommt: beim Dialog zwischen dem Draußen und Drinnen, zwischen Gartenbau-Architektur Weiterlesen

Mutter-Sohn-Dialog mit künstlerischen Argumenten

7_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnIhre Namen lassen es nicht vermuten: Farkhondeh Shah- roudi und Azin Feizabadi sind Mutter und Sohn. Schon deshalb sei ihre Ausstellung „(Un)written – (Re)written“ eine sehr besondere, sagte Neuköllns Kulturstadträtin Franziska Giffey bei der Vernissage in der Galerie im Körnerpark: „Werke von Mutter und Sohn in einer gemein- samen Ausstellung, das haben wir hier zum ersten Mal.“

v. l.: Dorothee Bienert (Kuratorin der Ausstellung), Bettina Busse (kommissarische Leiterin der Neuköllner Kulturamts), Dr. Franziska Giffey (Kulturstadträtin von Neukölln)

v. l.: Dorothee Bienert (Kuratorin), Bettina Busse (kommissarische Leiterin der Neuköllner Kulturamts), Dr. Franziska Giffey (Kultur-stadträtin von Neukölln)

Doch es seien nicht die engen Familien- bande allein, die die Ausstellung zu etwas Besonderem machen, betonte Giffey. Farkhondeh Sharoudi und Azin Feizabadi würden ihre „Rucksäcke des Welt- bürgertums“, wie sie viele Neuköllner tragen, in der Galerie im Körnerpark präsentieren und so überraschen, Stoff für Inspiration liefern, man- che Frage beantworten, anderes aber auch im 9_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnUnklaren lassen.

Entstanden ist ein spannender Dia- log der Generatio- nen, des Verarbei- tens von Erfah- rungen und der künstlerischen Genres. Shahroudi, die 1962 in Teheran geboren wurde und seit 2008 in Neukölln lebt, führt den vor allem mit Stoff-Objekten Skulpturen und Installationen. Feizabadi, 20 Jahre nach seiner Mutter in Teheran geboren und  1990 mit ihr nach Deutschland gekommen, antwortet mit seinem mehrteiligen Filmprojekt „A Collectiv Memory“  und seiner  performativen  Fahnen-Serie, bei der er  mittels  Scha-

6_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neukölln2_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neukölln1_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neukölln

blonendrucken ideologische Sätze zu den Themen Körper, Verletzung und Heilung verarbeitete.

„Den engen künstlerischen Austausch vor und in der Ausstellung sahen beide als Experiment“, erklärte Kuratorin Dorothee Bienert. Eine Schnittstelle des kreativen 8_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnWirkens von Künstlerin und Künstler hatte es aber schon früher gegeben: Aus einem Foto, das das Gesicht der Mutter zeigt, hatte Azin Feizabadi eine Schablone angefertigt.  2004 sprühte er das Konterfei als Graffiti auf Kreuzberger Wände, um Farkhondeh Shahroudis politisches Engage- ment während der iranischen Revolution 1979 zu ehren. Seit 2006 sind Fotos des Graffitis in diversen Magazinen und Zeitungen erschienen, um die Multikulti-Debatte zu bebildern. Feizabadi sammelte alle gedruckten Zweckentfremdungen, signierte die Veröffentlichungen 5_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnund erklärte sie so wieder zu Bestandteilen seines Portfo- lios. In einer Vitrine vis-à-vis des Eingangs zur Gale- rie sind die Werke nun zu sehen.

Farkhondeh Shahroudis Arbeiten haben meist Dimensionen, die nicht schaukastentauglich sind. Ihr aus schwarzem Stoff handgearbeiteter Rhizom-Drache (2. Foto rechts) hängt über den Köpfen der Ausstellungsbesucher. Einige seiner vielen, mit orientalischen Schriftzeichen versehenen Hände reichen fast bis zum Boden, andere baumeln in Schulterhöhe und verleiten zum Zugreifen und genaueren Betrachten. Ihr Doppel-Poet thront auf einem Podest mitten in der langgestreckten Galerie und erinnert daran, die Beschäftigung mit der poetischen Aussage aller Werke 4_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnnicht zu vergessen. Die spiele bei beiden Künstlern trotz unter- schiedlichster Ansätze eine große Rolle, sagte Dorothee Bienert.

Auch in anderer Hinsicht sei „(Un)written – (Re)written“ eine sehr besondere Ausstel- lung, fiel der Kuratorin noch ein, bevor sie zum Rundgang durch die Galerie bat: „Ein großer Dank geht an das Technik-Team, das nur drei Tage Zeit zum Aufbau der Werke hatte, weil erst ein Wandstück der Galerie saniert werden musste.“

Die Ausstellung „(Un)written – (Re)written“ wird noch bis zum 17. März in der  Galerie im Körnerpark  gezeigt; Öffnungszeiten: Di. – So. 10 – 20 Uhr.

Bei einer Rahmenveranstaltung können 9- bis 13-Jährige am 9. März in einem Workshop (14 – 17 Uhr) aus Bilder und Texten Schablonen erstellen und mit diesen Stoffe bedrucken (Anmeldung: Tel. 030 – 56 82 15 45). Am 16. März um 17 Uhr findet eine Finissage mit Künstlergespräch und Per- formance statt.

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Machen Kleider Leute?

galerie im saalbau neukölln_ping qiu„Welcome to Berlin Fashion Week“: Überall in der Stadt weisen Plakate auf das morgen beginnende Mega-Event der Mode- und Lifestyle-Szene hin.

Passend zum Thema, zumindest vordergründig, wurde in der Galerie im Saalbau nun die Aus- stellung „Kleider machen Leute?“ eröffnet. Sieben Künstler haben den Umgang mit Kleidung und ping qiu_galerie im saalbau neuköllnVerkleidung als Aufhänger ge- nommen und geben mit Fotos, Skulpturen, Videos, Installatio- nen und Mixed-Media-Arbeiten Einblicke in ihre Experimente zu Rollenbildern in der Gesell-schaft.

Mit „Kleider machen Leute?“ christian mayrock_galerie im saalbau neuköllnbeginne eine Ausstellungsrei- he, die einen Fokus auf die Schaufenster der Galerie lenkt, kündigt Kuratorin Dorothee Bienert an. Und in der Tat: Ping Qius Rote-Hände-Kleid sowie Christian Mayrocks genähter Papieranzug ziehen die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich. Gleichwohl hat das auch Tücken, weil die Eye- catcher nicht ohne Auswirkungen auf die kleider machen leute_galerie im saalbau neuköllnErwar-tungshaltung sind, die jedoch beim Be- such der Ausstellung rasch erlahmt. Die Hoffnung, in der Ga- lerie weitere Kreatio- nen der Kategorie „untragbar, aber künstlerisch originell“ präsentiert zu bekommen, sollte man besser draußen lassen.

Sie zu erfüllen, ist nicht Ambition der Künstler: Christian Mayrock setzt sich mit seinem Fotoprojekt „City Gents“ (l.) mit dem Anzug auseinander und hat sich dafür in London umgesehen. „Sisters of the Garden“ (M.) heißen die Stoffreliefs der ira- nischen, seit 2001 in Berlin lebenden Künstlerin Farkhondeh Shahroudi. Die Expo- nate vereinen Elemente  unterschiedlicher  Kleidertraditionen, haben jeweils nur eine

galerie im saalbau neukölln_christian mayrockfarkhondeh shahroudi_galerie im saalbau neuköllnbettina allamoda_galerie im saalbau neukölln

Öffnung und überlassen dem Betrachter die Frage, wo und wie man wohl hineinschlüpfen kann. Indes geht es der in Chicago geborenen Künstlerin Bettina Allamoda mit ihren Collagen, Videosequenzen und auch der Skulptur „Streetwear“ (r.) um das Verhältnis von Mode, esra ersen_galerie im saalbau neuköllnPolitik und Urbanität.

Das behandelt auch Esra Ersens Projekt „Rehabilitation“, dessen Ergebnis vier Le- derjacken mit Statements zur Gesellschaft in portugiesischer Sprache sind. Die tür- kische Künstlerin stellte sie 2006 mit delinquenten Jugendlichen in Sao Paulo her. Bereits ein Jahr zuvor war das Projekt in Utrecht mit straffälligen Jugendlichen durchgeführt worden. Davon ist nur noch eine Foto-Dokumentation übrig: Die Leder- jacken wurden nach der Vernissage geklaut.

„Davon hatte ich mir mehr versprochen“, bemerkt ein Mann, der sich durch die Schaufenster-Dekoration spontan zum Besuch der Ausstellung verleiten ließ. Nicht mal eine Viertelstunde dauerte der. Seine Antwort auf die Frage, ob Kleider Leute machen, habe schon vorher festgestanden: Ja!

Die Ausstellung „Kleider machen Leute?“ ist  noch bis zum 24. Februar in der Galerie im Saalbau zu sehen. Öffnungszeiten: Di. – So. 10 – 20 Uhr

=ensa=