Vergangenheitssuche in der Gegenwart

„Das hätte ich nicht gedacht“, sagt sie staunend. Was die Frau sieht, mag so gar nicht zu dem passen, was sie erwartet hatte. „Wenn im Fernsehen über Neukölln berichtet wird, dann ja auch manchmal über die Geschwindigkeit, mit der sich der Bezirk ver- herbst_neuköllnändert“, erklärt sie und streicht über den Handlauf des Trep- pengeländers. „Daher hatte ich geglaubt, dass nichts mehr ist, wie es früher war und mir mein alter Kiez wie ein fremder vorkommt.“

Aber so sei es ja gar nicht, stellt sie erleichtert fest. Das ver- gitterte Fenster zum Hof, das Treppengeländer, die verzierten Holztafeln, auf denen die Klingeln neben den Wohnungstüren angebracht sind. „Das gab es auch alles schon, als wir von 1944 bis 1954 hier wohnten.“ Ihr Großvater habe damals einen Laden im Haus gehabt: „Sogar das Schild über dem Schaufenster ist noch da.“ Da der Rost ihm stark zugesetzt hat, muss man inzwischen aber sehr genau hingucken, um den Schriftzug zu erkennen. „Nebenan war eine Kohlenhand-lung“, erinnert sich die Frau. Plötzlich ist die Vergangenheit wieder ganz nah. „Würde mir jemand sagen, dass ich vor fast 50 Jahren zuletzt hier im Hausflur gestanden hab, wür- de ich den für verrückt erklären.“ Schauermann habe der da- malige Hausmeister geheißen. Auch er habe kräftig mit angepackt, Weiterlesen

Kommt er oder kommt er nicht?

Haufenweise

statt

Das hatte sich die Rentnerin, die vor sechs Jahren mit ihrem Mann von Neukölln auf die Kanareninsel Lanzarote zog, anders erhofft. „Vor zwei Jahren“, erinnert sie sich strahlend, „ist genau am Tag, als wir hier zum Heimatbesuch gelandet sind, der erste Schnee gefallen.“ Früher, sagt sie, mochte sie den Winter gar nicht. Jetzt kommt das Rentnerehepaar einmal im Jahr für drei Wochen mit der Hoffnung nach Berlin, ihn zu treffen: „Unserer Familie und Freunden erzählen wir natürlich, dass wir ihretwegen und wegen des Weihnachtsmarkts auf dem Richardplatz hier sind.“ Für die Sehn- sucht nach Schnee und Frost hätten die kein Verständnis.