Auf Tandems durch Berlin – gegen Hass und Gewalt

Unter dem Motto „Gemeinsam Antisemitismus und Islamfeindlichkeit entgegenlenken” radelten gestern Nachmittag Juden und Muslime auf Tandems vom Mahnmal für die ermor-deten Juden Europas am Tiergarten bis zum Bebelplatz an der Straße Unter den Linden.

Einer der Initiatoren und Teilnehmer der Fahrraddemo war Ender Cetin, der muslimische Theologe und frühere Vorsitzende der Neuköllner Sehitlik-Moschee. Mit seinem Tandempartner, dem Weiterlesen

Viele Punkte angesprochen, aber längst nicht alle Fragen beantwortet

genezareth-kirche neuköllnRegen Zulauf verzeichnete Freitagabend die Gene- zareth-Kirche auf dem Herrfurthplatz im Neuköllner Schillerkiez: Erol Özkaraca, SPD-Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, dessen Bürgerbüro nicht weit entfernt in der Hermannstraße ist, hatte in Zusam-menarbeit mit dem Treffpunkt Religion und Gesellschaft (TRG) e. V. zu einer Gesprächsrunde mit dem Thema „Islam – zwischen Jugendkultur, Religion und Politik“ finger_kontschieder_buschkowsky_islam-podiumsdiskussion_izg neuköllnein. Die Kirche war voll, und nur die Plätze auf der Empore blieben unbesetzt. Prominentester Zuhörer des Abends: der ehemalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Von der Neuköllner BVV wurden die SPD-Abgeordneten Jutta Finger, Eugen Kontschieder und Wolfgang Hecht sowie Elfriede Manteuffel (CDU) gesehen, Weiterlesen

Friedhof und Ausschnitt der wechselvollen deutsch-türkischen Geschichte bis zur Gegenwart zugleich

ender cetin_kulturhaus sehitlik-moschee neuköllnVon Juni 1797 bis zu seinem Tod im Herbst 1798, also nur etwas länger als ein Jahr, war Ali Aziz Efendi osmanischer Botschaf- ter in Preußens Hauptstadt Berlin. Warum die Erinnerung an den Staatsmann, Dichter und Mystiker dennoch bis heute in der tür- kischen Gemeinschaft Berlins gegenwärtig ist, berichtete Ender Cetin gestern im neu eröffneten Kulturhaus der Sehitlik Moschee bei seinem Vortrag über die Geschichte des Türkischen Friedhofs.

„Wer kann sich noch erinnern, wieviele Grenzkontrollen es früher gab, wenn man von West-Berlin mit dem Auto in die Türkei fuhr?“, fragte Ender Cetin, der als Kind tür- kischer Gastarbeiter im Neukölln der Vor-Wendezeit aufwuchs und Weiterlesen

Nach neun Jahren endlich fertig: Kulturhaus der Sehitlik Moschee mit erster Ausstellung eröffnet

eröffnung ditib-kulturhaus sehitlik-moschee neuköllnDie Sehitlik Moschee am Neuköllner Colum- biadamm, eine der schönsten Moscheen in Deutschland, ist um einen Anziehungspunkt reicher: Feierlich wurde Freitagnachmittag das Kulturhaus der Sehitlik-Gemeinde eröff- net. Es ist im Stil der Safranbolu-Häuser am Schwarzen Meer gebaut und erinnert an die Osmanische Zeit. Um die Brückenfunktion des neuen Kulturhauses in heutiger Zeit zu veranschaulichen, dachten seine Erbauer sich etwas Besonderes aus: Die Begegnungsstätte hat zwei Haupteingänge, so dass sie wahlweise vom Gelände des alten türkischen Friedhofs Weiterlesen

Schule fertig – und dann?

jobpoint-ausbildungsmesse_sehitlik-moschee neukoellnViele waren es nicht, die bei dieser Premiere dabei sein wollten. Vor der Şehitlik-Moschee, wo sich bei Tagen der offenen Tür oder bei Festen Gemeindemit-jobpoint-ausbildungsmesse_sehitlik-moschee neuköllnglieder und Besucher drängen, war Freitagnachmittag noch viel Platz. Zum Publikumsmagnet taugte die Ausbildungsmesse „Bildung bildet“ nicht, die vom Job Point Neukölln und dem Mo- schee-Verein initiiert wurde. Der Vorteil: Wer da war, konnte sich ausgiebig und in aller Ruhe an den gut 20 Ständen über die vielfältigen Mög- lichkeiten informieren, in welche Richtung der berufliche Weg nach Weiterlesen

„Wenn der Architekt nichts weiß, macht er einen Kreis“: Installation auf dem Tempelhofer Feld offiziell eingeweiht

Entwurf Gerhard Schlotter_TRG-Installation Tempelhofer Feld_BerlinNur ein Jahr hatte es gedauert, bis aus einer Idee Realität wurde. Auf Initiative des interreligiösen Vereins Treffpunkt Religion und Gesellschaft (TRG) war auf dem Tempelhofer Feld die Instal- lation „Zusammenkommen, ausein- andersetzen, gemeinsam weiterge- TRG-Installation Tempelhofer Feld_Berlinhen“ verwirklicht und Ende November letzten Jahres der Öffentlichkeit anver- traut worden. Vorgestern hatte der Ver- ein erneut eingeladen, um ganz offiziell diese Installation in Gebrauch zu neh- men. Es wurde eine gelungene Veran- staltung.

Selbst das Wetter spielte mit, denn entgegen der Regenprognose herrschte schöns- tes Tempelhofer Feld-Wetter mit Sonne und viel Wind, und Cornelia Weiterlesen

Alles für die Toleranz: Diskussionen, Speed Dating und rote Nasen in einer Neuköllner Kirche

salsabil_derwisch-tanz_lange nacht der toleranz_izg neukölln„Wie macht der das?“ Viele Fragen wurden an diesem Abend im Zeichen der Toleranz gestellt und beantwortet. Die, wie Cihangir Böge, der Derwisch-Tänzer des Ensembles Salsabil, es schafft, sich minutenlang mit wehendem Rock und wechselnden Posen um die derwisch_salsabil_lange nacht der toleranz_izg neuköllneigene Achse zu drehen, ohne dabei oder hinterher ins Taumeln zu kommen, blieb offen. Er könne sich das auch nicht erklären, obwohl das Der- wischdrehen ja eine Tra- dition in dem Kulturkreis sei, aus dem er stamme, musste Moderator Kemal Hür der ebenfalls staunenden und ratlosen Pfarrerin Elisabeth Kruse gestehen. Bevor es für das Publikum in vier Gruppen mit gemächlicherem Kreisen beim Entdecken neuer Wege der Kommu-nikation weiterging.

Kugellager wird das spielerische Experiment vom Treffpunkt Religion und Gesell- schaft genannt, weil es nach eben diesem Prinzip funktioniert. In einem Innen- und einem Außenkreis saßen sich Gläubige jeglicher Couleur und Atheisten, Junge und Ältere, Frauen und Männer gegenüber, um sich nach dem Erklingen eines Gongs durch Fragen und Antworten ersten Eindrücke vom bis dato unbekannten Vis-à-Vis get together_lange nacht der toleranz_izg neuköllnverschaffen zu können. „Es war so span- nend wie ein  Speed Dating“, sagte eine junge Frau hinterher begeistert. Es sei ein großartiges System, um in kürzester Zeit Kontakt zu vielen Menschen zu be- kommen und sehr aufschlussreich, wenn man nicht nur die richtigen Fragen stellt, sondern auch aufmerksam zuhören kann, fand ein Mann.  Dass Moderator Kemal Hür anschließend mehrmals darum bitten musste, die Gruppenräume zu verlassen und zur Podiumsdiskussion zu kommen, spricht für den Erfolg der Methode und das Kommunikationsbedürfnis.

v. l.: Nilgün Hascelik (TDZ Türkisch-Deutsches Zentrum), Pfarrer Dr. Eckhard Zemmrich, Kemal Hür, Falko Liecke (CDU Neukölln), Pinar Cetin (DITIB)

v. l.: Nilgün Hascelik (TDZ Türkisch-Deutsches Zentrum), Pfarrer Dr. Eckhard Zemmrich, Kemal Hür, Falko Liecke (CDU Neukölln), Pinar Cetin (DITIB)

Die Gesprächsrunde auf dem Podium sollte nun wieder den Fokus auf das Kernthema Toleranz lenken und es aus verschiedenen religiösen und gesellschaftlichen Per- spektiven beleuchten. Schon bei Falko Lieckes Statement wurde dabei deutlich, welcher Graben zwischen Theorie und Praxis liegt bzw. wie unter-schiedlich dieser wahrgenommen und überwunden wird. Er halte es mit dem Alten Fritz und dessen Grundsatz, dass jeder nach seiner Fasson selig werden solle, meinte der Neuköllner Jugend- und Gesundheitsstadtrat. Wichtig sei eben zu beachten, dass die eigene Freiheit dort aufhört, wo die des anderen beginnt. Diese Grenze müsse in einer funktionierenden Gesellschaft anerkannt und ihr Übertreten sanktioniert werden. Er leite Toleranz von seinem Gottesverständnis ab, erklärte Pfarrer Dr. Eckhard Zemmrich: „Ich muss mich damit abfinden, dass Muslime Jesus anders sehen. Entscheidend ist dabei, dass wir einander zeigen, dass wir miteinander zu tun haben wollen.“ Als einen wahren GAU bezeichnete der theo- logische Grundsatzreferent es, „die eigene Religion mit den schlechten Beispielen der anderen Religion zu vergleichen.“ genezareth-kirche_neuköllnToleranz sei für ihn ein aktives Dulden, das bestenfalls auf Gegenseitigkeit beruht, oft aber nur einseitig ist.

„Bei der politschen Definition von Toleranz gibt es also Sanktionen, bei der theolo-gischen aber nicht“, stellte Kemal Hür fest.

Pinar Cetin verwies in ihrem Statement zunächst auf die Übersetzungen des Wor- tes Toleranz in die arabische und türkische Sprache. Im Arabischen sei vom Tragen einer Last, vom Aushalten und Annehmen die Rede, im Türkischen davon, mit positiven Gedanken auf etwas zu blicken. „Vielleicht“, vermutete sie, „ist die sprachliche Herkunft für das entscheidend, was wir unter Toleranz verstehen.“ Praktisch machte die stellvertretende Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) e. V.  ihre begriffliche Definition an einem aktuellen Bei- spiel fest: Vor einigen Wochen hatten Aktivistinnen der Femen-Bewegung mit freien Oberkörpern vor einer Moschee gegen das Kopftuch von Musliminnen protestiert. Da sei für sie die Grenze des Tolerierbaren erreicht, sagte Pinar Cetin und empfahl, „dass die Femen-Frauen lernen sollten, dass Freiheit nicht immer das ist, was sie sich vorstellen.“ Für Nilgün Hascelik, die als Letzte an der Reihe war, blieb nicht mehr viel mehr übrig als eine Kritik an der Lesart des Wortes Toleranz. Es sei sehr negativ behaftet, weil es Passivität projiziert. „Besser gefällt es mir, wenn jemand liecke+cetin+eva-maria rastlos_lange nacht der toleranz_izg neuköllnoder etwas akzeptiert oder respektiert wird“, hielt sie fest.

Um all das, in gescheiterter Form oder Vollendung praktiziert, ging es auch beim humoristisch auf- bereiteten Punkt, den Eva-Maria Rastlos zwischen Diskussion und Büffet setzte. Die Komödiantin, die bürgerlich Dorothee Schaper heißt und Pfarrerin an der Melanchthon Akademie ist, sezierte in kölscher Mundart rastlos+zehden+kruse+cetin_lange nacht der toleranz_izg neuköllndie Vielzahl an kommunikativen und kulturellen Fallstricken, die zwischen Neukölln und Köln, zwischen Gläubigen der Weltreligionen und auf dem Weg zu Toleranz, Akzeptanz und Respekt lauern. Mit ihrem Rezept, miteinander zu streiten und zu lachen, kommt man schon einen Schritt weiter. Wie es um das fürs alltägliche Mitein- ander ebenfalls vorteilhafte Talent bestellt ist, über sich selber lachen zu können, testete sie sogleich mit karnevalesken Accessoires an den völlig überrumpelten Vertretern dreier Religionen: Ender Cetin von der Sehitlik-Moschee, Elisabeth Kruse von der Genezareth-Gemeinde und Maya Zehden vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus schlugen sich achtbar.

Wer sein Talent beim Derwisch-Drehen testen will, kann das jeden Sonntag ab 15 Uhr und mittwochs ab 18.30 Uhr im Sufi-Zentrum Berlin tun.

=ensa= 

„Sprich mit mir!“: Keine lange Nacht, aber ein unterhaltsamer Abend im Zeichen der Toleranz in Neukölln

Weshalb sind nur manche Dinge so schwierig? Die Sache mit der Toleranz zum Beispiel. Schon an diesem Auftakt des zwischenmenschlichen Triathlons, BMFSFJ_FuerDemokratie_Visual_Bild_ohneBreg_RGB_RZder sich über Akzeptanz zur Königsdisziplin Respekt steigert, scheitern viele. Am vergangenen Dienstag konnte bei der Aktion Tag und Nacht für Toleranz und ihren über 800 bun- desweiten Events Toleranz geübt werden. 15 Trainingscamps gab es in Berlin, eines davon, von Kemal Hür moderiert, in Neukölln – und das wurde bestens besucht.

Unter dem Motto „Sprich mit mir! zusammenkommen, auseinandersetzen, gemeinsam weitergehen“ hatte der DITIB Landesverband Berlin zusammen mit dem orhan senel_lange nacht der toleranz_izg neuköllnTreffpunkt Religion und Gesellschaft e. V. (TRG) ins Interkulturelle Zentrum Genezareth (IZG) zu einem doppeldeutig unterhaltsamen Abend eingeladen. Denn nach der Ouvertüre durch den Kanun-Spieler Orhan Şenel standen nicht nur Unterhaltung, sondern auch Unter-haltungen auf dem Programm. „Wie gestaltet sich in Berlin das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen?“, das war die Frage, die im Zentrum der Veranstaltung stand.

elisabeth kruse_lange nacht der toleranz_izg neuköllnDer von Institutio- nen verschiedener Glaubensrichtungen gegründete TRG fasst sie noch ein Stück weiter. Er habe das Ziel, Begegnungen und Gespräche zwischen Menschen aller Religionen wie auch Nicht-Religiösen zu initiieren, erklärte Vorstandsmitglied Elisabeth Kruse. Toleranz wer- de hier im Sinne von Anerkennung der Gleichberech- tigung verstanden, so die Pfarrerin der Genezaender cetin_lange nacht der toleranz_izg neuköllnreth-Gemeinde: „Ein solcher de- mokratischer Prozess funk- tioniert nur übers Reden.“

Dieses Reden sei eine tägliche Herausforderung in der Sehitlik-Moschee, sagte deren Vorstandsvorsitzender Ender Cetin. Häufig würden die Moscheeführer „mit sehr harten Fragen“ zu allerlei Vorurteilen konfrontiert und müssten – um Geduld bemüht – Aufklärungsarbeit dahin- gehend betreiben, dass der Islam z. B. nicht gewalttätig ist, sondern der Koran zu Toleranz und Miteinander aufrufe. maya zehden_lange nacht der toleranz_izg neukölln„Brückenbauer wie der TRG“, meinte Cetin, „kön- nen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verstän- digung leisten.“

Das erhofft sich auch Maya Zehden vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA), das ebenfalls Gründungsmitglied des Treffpunkt Religion und Gesellschaft e. V. ist. Religion, sagte sie, müsse als positive Kraft wahrgenommen werden und Fremdes den Status des Gleichberechtigten bekommen. ehrhart körting_lange nacht der toleranz_izg neuköllnDas vom TRG geplante lokal verwurzelte, aber berlinweit aktive interreligiöse Zent- rum mit überregionaler Strahlkraft auf der Tempelhofer Freiheit könne ein Ort werden, wo die Toleranz zwischen Mehrheiten und Minderheiten gelebt wird.

Nicht in der Rolle des Senators a. D., sondern als institutionell unabhängiges TRG-Gründungsmitglied trat schließlich Ehrhart Körting hinter das Pult. „Religiöse Strömungen“, bemerkte er, „stellen doch in Berlin Min- derheiten dar.“ Wichtig sei, dass (Glaubens-)Wahr- heiten, die andere für sich finden, gleichberechtigt sind und die Diskussionen darüber auf Augenhöhe geführt werden.  Dass überhaupt salsabil_lange nacht der toleranz_izg neuköllnmiteinander geredet wird, dafür wolle er werben.

Nach dem Auftritt der Gruppe Salsabil könne das Miteinanderreden ausgie- big praktiziert werden, kündigte Kemal Hür den reichlich in die Genezareth-Kirche geströmten Besuchern an. „Danach“, versprach er, „erwartet Sie eine nicht sehr klassische Podiums-diskussion, bei der über die Bedeutung von Toleranz aus verschiedenen religiösen und gesellschaftlichen Perspektiven gesprochen wird.“ Und abschließend gebe es dann noch eine interreligiöse Comedy-Show mit der Pfarrerin Dorothee Schaper in ihrer Rolle als Eva-Maria Rastlos. (Fortsetzung: übermorgen)

=ensa=

Senat erteilt Absage zur Erweiterung des islamischen Friedhofs Neukölln

sehitlik-moschee neuköllnSeit neun Jahren gibt es auf dem städtischen Friedhof Columbiadamm an der Sehitlik-Moschee ein Areal, auf dem Bestattungen nach den Be- stimmungen des Koran durchgeführt werden. Um die 200 Muslime fanden dort bislang Jahr für Jahr ihre letzte Ruhestätte. Nun stehen nur noch rund 50 Grabstellen zur Verfügung – und zugleich zerschlu- gen sich die Hoffnungen des Neuköllner Bezirks- amts, den islamischen Friedhof durch eine 5 Hektar große Fläche des Tempelhofer Felds erweitern zu können. Heute musste Neuköllns Baustadtrat Thomas Blesing bekanntgeben, dass der Senat den Forderungen eine Absage erteilt habe: „Unsere jahrelangen  Bemühungen für eine Zukunft der muslimischen Bestattungskultur an zentraler Stelle sind damit buchstäblich zu Grabe getragen worden!“ Andere Flächen könnten in Neukölln nicht angeboten werden.  „Insbesondere die Neuköllner und Kreuzberger Muslime sind“, so Blesing, die Leidtragenden dieser Entscheidung – und das im doppelten Sinne.“ Die Absage des Senats, erklärt der Baustadtrat, wird mit der seit Öffnung der Tempelhofer Freiheit gewachsenen Nutzung des bean- städtischer friedhof columbiadamm, muslimische bestattungen, neuköllnspruchten Geländes als baumbe- standene Picknick-Area begründet. Eine Umwidmung der Fläche würde demzufolge zu Nutzungskonflikten führen.

Damit ist nun fakt, was Ender Cetin von der Sehitlik-Moschee bereits im Frühjahr befürchtete: Dass Muslime in Berlin bald nicht mehr entspre- chend ihrem Glauben bestattet wer- den können. Zwar gibt es auf dem Landschaftsfriedhof Gatow im Bezirk Spandau ebenfalls einen islamischen Teil, doch auch auf dem sind nur noch Restplätze vorhanden, und eine Erweiterung ist – wie es heißt – nicht möglich, weil dem Bezirk die finanziellen Mittel zur Erschließung des vorhandenen Platzes fehlen.

=ensa=

Irgendwas ist immer

sommerfest sehitlik-moschee berlin-neukölln„Erst die schwierige Parkplatzsuche und dann die Enge hier.“ Die Rentnerin, die extra aus Potsdam mit ihrem Mann, ihrem Sohn und dessen Tochter nach Neukölln gekommen ist, um zum ersten Mal die Sehitlik-Moschee am Columbia- damm zu besuchen, ist sommerfest sehitlik-moschee berlin-neuköllnetwas genervt. Aber eigentlich finde sie alles ganz wunder- bar und faszi- nierend, sagt sie. Eine Moscheeführung habe die Familie schon mitgemacht, bei der Ebru– und Henna-Malerei zuge- sehen und bestens gegessen, während der Comedian Murat Topal nur wenige Meter entfernt auf der kleinen Bühne für kurzweilige Unterhaltung sorgte, anmoderierte, Kindern  Quizfragen  stellte und als  Auktionator  Kunst ans

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Publikum brachte. „Bisher kannten wir den jungen Mann, genauso wie die Moschee, nur aus dem Fernsehen“, sagt die Potsdamerin. Auch mit Muslimen habe sie im Alltag nur selten zu tun. Hier ist sie ihnen ganz nah – und verwundert, dass anscheinend recht wenige Nicht-Muslime sommerfest sehitlik-moschee berlin-neuköllndas Sommerfest zur Kontaktaufnahme nutzen. Das habe sie sich doch anders vorgestellt.

Auch Ender Cetin, Vorstandsvorsitzender der Sehitlik-Moschee, kann mit dem Fest nicht rundum zufrieden sein, das außer einer Feier- lichkeit zugleich eine Reaktion auf Drohbriefe und Anschläge auf die Gemeinde war. Mit  „über 5.000 Gästen“  und vielen Besuchern, die nicht der Gemeinde angehören und Interesse und Solidarität beweisen, hatte er im Vorfeld gerechnet. Klar war ihm auch, dass der Samstag der stärkere Tag werden würde: „Durch das Radrennen am Sonntag über den Columbiadamm wurden nicht nur wir zu Kompromissen gezwungen, sondern auch unsere Besucher müsssen Unannehmlichkeiten hinnehmen.“ Dass das Neuköllner Ordnungsamt keine Sondergenehmigung erteilte, auf dem Bürgersteig vor der Moschee Stände auf- zubauen, um das Platzproblem auf dem Grundstück ein wenig zu entspannen, sei skoda-velothon berlin, sperrung columbiadamm, sommerfest sehitlik-moschee berlin-neuköllneine Sache. Dass der Straßenab- schnitt am Sonntag komplett für den Autoverkehr und somit auch das Parken gesperrt sei, werde nicht ohne Auswirkungen auf die Gästezahl blei- ben, ahnte Ender Cetin. Insgesamt waren es letztendlich nur rund 3.000 Besucher, teilte das Büro der Sehitlik-Moschee heute mit.

Wegen des Radrennens hätten auch sie sich für den Sonnabend entschieden, sagt die Potsdamerin und fragt: „Warum hat die Moschee ihr Sommerfest denn dann nicht aufs nächste Wochenende gelegt?“ An dem ist das Kulturfestival 48 Stunden Neukölln, das zwar keine Straßensperrungen, dafür aber 600 Konkurrenz-Veran- staltungen bedeutet.

=ensa=

Premiere: Theater in der Sehitlik-Moschee

sehitlik-moschee neukölln„Passt ein Theaterstück über interreli- giöse Konflikte überhaupt in unsere Mo- schee? Das haben wir uns oft gefragt“, bekennt Ender Cetin. Der Vorstands- vorsitzende der Sehitlik-Moschee steht vor der kleinen Bühne im Keller der Moschee. Vom Prunk und der Farbenpracht des theaterstück "was du nicht siehst", sehitlik-moschee neuköllnGebetssaals ist hier nichts ange- kommen. Über eine schmale, steile Treppe geht es hinab in den schmucklosen Veranstaltungsraum, der fast bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Den Großteil des Publikums machen Menschen aus, denen der Islam näher ist als das Christentum. Aber auch viele, bei denen es eher umgekehrt ist, sind der Einladung gefolgt. „Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir hier ein Theaterstück zeigen“, sagt Ender Cetin und bietet an, alle Interessierten nach der Aufführung und der anschließenden Podiumsdiskussion noch durch die Moschee zu führen.

theaterstück "was du nicht siehst", claudia mooz, korkmaz arslan, gamze alakus, sehitlik-moschee neuköllnIn sieben Berliner Schulen und einem Theater haben die vier Schauspieler mit Rolf Kemnitzers Stück  „Was du nicht siehst“  bereits gastiert. Der Auftritt unter den Minaretten einer Moschee ist auch für sie eine Premiere: Claudia Mooz spielt die Rolle der Odette, Michael Gerlinger  den Lehrer Lauer, der zugleich Odettes Vater ist, Korkmaz Arslan die des arabischen Jugendli- theaterstück "was du nicht siehst", korkmaz arslan, michael gerlinger, sehitlik-moschee neuköllnchen Jamal und  Gamze Alakus  gibt Gülay, eine Schülerin mit türkischen Wurzeln.

Es ist die Liebesgeschichte zwischen zwei Teenagern, die in „Was du nicht siehst“ erzählt wird, quasi eine adaptierte, mit aktuellen Kon- flikten angereicherte Version von Shakespeares theaterstück "was du nicht siehst", claudia mooz, korkmaz arslan, gamze alakus, michael gerlinger, sehitlik-moschee neukölln„Romeo und Julia“: Denn Odette ist christlich und Jamal muslimisch sozialisiert. Die religiösen und kulturellen Unterschiede sind folglich groß, und entsprechend klischeebelastet versuchen sie sich am Miteinander. Aber die Auseinanderset- zung mit Tradiertem und dem Charakter von Religionen beschränkt sich nicht auf sie, sondern fördert außerdem Probleme unter den Freundinnen sowie zwischen Lehrer und Schüler zutage. Auch die Vater-Tochter-Konflikte spitzen sich zu, nicht zuletzt dadurch, dass Odette beschließt, Muslima zu werden. Das gehe schneller als Tütensuppe, kündigt sie an.

theaterstück "was du nicht siehst", claudia mooz, korkmaz arslan, gamze alakus, michael gerlinger, elisabeth kruse, ender cetin, rolf kemnitzer, sehitlik-moschee neukölln

v. l.: Claudia Mooz, Gamze Alakus, Elisabeth Kruse, Rolf Kemnitzer, Ender Cetin, Korkmaz Arslan, Michael Gerlinger

Länger als bei den vorherigen Auf- führungen in Schulen dauert es, bis  das Publikum die Eindrücke des knapp einstündigen Stücks verarbeitet und Fragen oder State- ments formulieren will. „Jugend- liche reagieren wesentlich spon- taner“, stellt Regisseur Rolf Kem- nitzer fest und wendet sich zu- nächst an Ender Cetin. Der gibt zu, dass er vorher durchaus Bedenken wegen dramaturgischer Zuspitzungen und Übertreibungen gehabt habe. Aber das  sei alles in Ordnung gewesen – und „sogar die Knutsch-Szene war islamisch akzeptabel“, findet Cetin. Über die, erwidert Kemnitzer spürbar erleichtert, habe er vorher auch mit den Schauspielern diskutiert. Man sei schließlich überein gekommen, sie im Stück zu lassen. Anders als sonst sei Odette allerdings nicht im bauchfreien Bühnen-Outfit aufgetreten. „Ich hab zwar mehr Interesse an Differenz als an Toleranz und suche Reibung und Kommunikation“, stellt der Regisseur und Autor klar, „aber ich akzeptiere auch die Umgebung einer Moschee und damit verbundene Kompro- misse. Wir wollten hier ja unbedingt spielen.“

Im Grunde, sagt Ender Cetin, werde der Inhalt des Stücks in der Sehitlik-Gemeinde gelebt: „Es gibt bei uns diverse interreligiöse Beziehungen.“ Das widerspreche dem Koran nicht, der schließlich kein Ge- und Verbotskatalog sei. „Genauso wenig wie die Bibel“, ergänzt er. Sie wisse leider nur wenig über bireligiöse Beziehung, muss Elisabeth Kruse zugeben. Die Pfarrerin der benachbarten Geneza- reth-Gemeinde, die ihren Platz im Zuschauerraum gegen einen auf der Bühne getauscht hat, ist tief beein- druckt von der vorherigen Stunde: „Das Stück hat mich sehr ergriffen, aber wegen der Darstellung der Klischees auch traurig  gemacht.“ Religionen würden leider oft als Vorwand genutzt, um Mauern zwischen Menschen zu bauen, bestätigt Ender Cetin. Mit der  enge Kooperation zwischen seiner und der protestantischen Gemeinde im Schillerkiez versuche man, dagegen an zu gehen. „Das Problem ist leider“, findet Elisabeth Kruse, „dass der interreligiöse Dialog, der durchaus stattfindet, nicht so viele Schlagzeilen macht wie die interreligiösen Konflikte.“

Jetzt haben auch viele Zuschauer aus dem Publikum ihre Zurückhaltung aufgegeben, erzählen von eigenen Erfahrung mit ihrem Glauben und von bestens funktionierenden bireligiösen Beziehungen. Ein Mann möchte von den Schauspielern wissen, wie die sich auf ihre Rollen vorbereitet und was diese in ihnen bewegt haben. „Die Beschäftigung mit der Rolle der Gülay hat auch im Privaten etwas geändert“, berichtet Gamze Alakus. Sie habe sogar mal ausprobiert, wie es ist, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen. Korkmaz Arslan, selber Alevit, orientierte sich bei der Vorbereitung stark an einem realen Vorbild: „Mein bester Freund ist Jamal sehr ähnlich.“ Die Beschäftigung mit der Rolle vom Lehrer Lauer habe ihn sehr stark mit seinem eigenen Verhalten konfrontiert, erinnert sich Michael Gerlinger. Er habe dadurch definitv erfahren, dass Toleranz Grenzen hat.

„Respekt“, ist eine Frau aus dem Publikum überzeugt, „ist das Wichtigste. Und das versuche ich auch meinem Sohn mitzugeben.“ Rolf Kemnitzer findet, dass es kein besseres Schlusswort für diesen ungewöhnlichen Theaterabend geben könne.

=ensa=