Wer gestern in Neukölln unterwegs war, sah in vielen Kiezen das gleiche Bild: Menschen in grellorangen Westen mit dem Schriftzug „Keh- renbürger“ auf dem Rücken fegten Laub und Müll über Bürgersteige, klaubten Flaschen und leere Zigarettenschachteln aus Blumenbeeten und schaufelten den Dreck in große Plastiksäcke.
Grund für die nicht nur in Neukölln, sondern berlinweit omnipräsente Putzwut war der Tages-spiegel-Aktionstag „Saubere Sache“. Diejeni- gen, die aktiv zur Vermüllung der Stadt und ihrer Bezirke beitragen, beteiligten sich aller Wahr- scheinlichkeit nach nicht an dem. Andere beschränkten sich – vom Fenster aus oder im Vorübergehen – auf die Zuschauerrolle und reagierten auf die Einladung zum Mitmachen mit dem Hinweis, dass das doch Sache der Berliner Stadtreinigung (BSR) sei, die schließlich über Steuern und Mietnebenkosten dafür bezahlt werde.
„Immerhin“, freuen sich die Mitglieder des Pro Schiller- kiez, „mussten wir uns heute keine Pöbeleien von Pas- santen anhö- ren.“ Das sei bei der Putzaktion im letzten Jahr, bei der die Schillerpromenade gefegt wurde, entschieden anders gewesen. Dies- mal ist die Okerstraße dran, die lange in der Spitzenreiter-Riege der vermülltesten Straßen im Kiez mitmischte. Inzwischen habe jedoch eine Entwicklung zum Posi- tiven eingesetzt, finden auch zwei Anwoh- ner, die sich dem Pro Schillerkiez-Putztrupp angeschlossen haben: „Damit, dass weni- ger Müll auf den Bürgersteigen landet, hat die allerdings nichts zu tun. Tatsache ist einfach, dass die BSR-Leute öfter als früher in der Straße fegen und wilde Sperr- müllhalden schneller abgeräumt werden.“ Der Grund dafür liegt auf der Hand bzw. am Anfang und Ende der Okerstraße: An ihrem westlichsten Punkt ist ein Eingang
zum Tempelhofer Feld, am östlichsten der nördliche Ausgang der U-Bahnstation Lei- nestraße. Ergo – für viele Besucher des Feldes ist die Straße der direkte Weg zum Ziel, und der soll nicht von Müll und Hun- dekacke gesäumt sein. So ist es vor allem Laub, das im Rahmen der Pro Schillerkiez-Aktion eingesackt wird.
Im benachbarten Körnerkiez sieht die Sache in mancher Hinsicht anders aus. Über 40 Leute kommen, um beim von Umweltcon- sulting Dr. Hoffmann organisierten Herbstputz anzupacken, im Schillerkiez waren es gerade mal acht. Zwei Quartiersmanager reichen das Material für die Helfer aus ihrem Bürofenster: Kehrenbürger-Westen, Handschuhe und Besen, alles ist in Erwachsenen- und Kindergrößen vorrätig. „Können wir uns hier für die Putzaktion anmelden?“, fragen zwei junge Frauen, die in der Nachbarschaft wohnen. „Anmelden muss man sich nicht“, erwidert Quartiers-
manager Reimar Seid und gibt ihnen ihr Equipment. Alles weitere würden sie gleich von Christian Hoffmann erfahren.
Schwerpunkte, erklärt der, seien neben den Straßen des Kiezes der Emser Platz und die Gegend um den Spielplatz an der Schierker Straße. „Sperrmüll muss nicht eingesammelt werden, aber notiert bitte die Adressen, wenn ihr welchen seht“, sagt Hoffmann. Darum würden sich dann die beiden Mitarbeiter des Ordnungsamts kümmern. Nicht nur die und das Quar- tiersmanagement unterstützen ihn bei der Verschönerung des Wohnumfelds, auch Gruppen von Kiezinstitutionen wie dem Pflegeheim Haus Königsberg, der Lebens- hilfe sowie von Trias sind mit dabei. Für die meisten – wie auch für Daimi Güven (r.) von der Stadt-Glaserei – ist es keine Premiere. Für ihn sei die Beteiligung selbstverständ- lich und glücklicherweise könne er es auch zeitlich einrichten, meint der Glasermeis- ter. „Anderen Gewerbetreibenden“, weiß Christian Hoffmann, „passt der Herbstputz- Termin am Samstagvormittag leider nicht.“
Etwa zwei Stunden dauere die Aktion an sich, erfahren die Helfer, als eingeteilt ist, wer sich um welchen Bereich kümmert. Danach seien alle zum Abschlussfest mit Musik und afrikanischem Essen ins Nachbarschaftsheim Neukölln eingeladen. „Da gibt’s dann auch für alle Beteiligten als zusätzliches Dankeschön ein Wir machen
Neukölln!-Shirt“, verspricht Hoffmann. Den Schriftzug und die stilisierte Skyline auf der Brust habe der Illustrator Mathias Hühn entworfen, die Shirts die BSR gesponsort. Sie sind eine Zugabe für die Aktiven, eine Geste der Anerkennung ihres Einsatzes, aber wohl für niemanden der Grund, zwei Stunden lang den Dreck anderer Leute beseitigen zu wollen. Auch im Körnerkiez tragen die Bäume üppig dazu bei, dass sich die Säcke füllen, doch das Müll- aufkommen liegt hier höher als im Nach- barkiez.
Vor einer Geräuschkulisse aus Jubel, An- feuerungsrufe und Applaus durchforstet die Gruppe, die auf dem Spielplatz an der Schierker Straße für Ordnung sorgt, ihr Revier. Vielleicht gilt die Begeisterung auch der sauberen Sache, vorrangig aber den Mädchen und Jungen, die auf den beiden nahen Sportplätzen das Abschlussturnier der Kinder-Freizeit-Fußball-Liga austragen.
=ensa=
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