Es ist fast geschafft. Knapp drei Jahre lang wurde in Neuköllns Hufeisensied- lung gebaut, um die öffentlichen Bereiche des Ensembles, das seit 2008 zum UNESCO Welterbe zählt, für 3,2 Mio. Euro aus dem Investitionsprogramm „Nationale UNESCO-Welterbestätten“ wieder in ei- nen vorzeigbaren Zustand zu bringen. „Nun sind wir dem Ziel einer tollen Gesamtanlage sehr nah, die den histori- schen Vorlagen gerecht wird und nach heutigen Standards saniert ist“, stellte der
Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing (l.) am vergan- genen Freitag fest, als er zusammen mit Klaus Lin- genauber, stellvertretender Leiter des Landesdenkmal- amts, und Julian Pinnig (r.) von der Deutsche Wohnen AG die Anwohner der Siedlung beim Eröffnungsfest samt offizieller Treppeneinweihung begrüßte.
Es sei auch als kleine Entschädigung für die Unan- nehmlichkeiten während der Bauphase gedacht, betonte Blesing. Den Ärger, den es mit einer Anwohner-Initiative vor allem gegeben hatte, als auf dem Vorplatz des Hufeisenteichs
jahrzehntelang gewachsene Bäu- me gefällt und durch geometrisch angeordnete neue ersetzt wurden, klammerte er aus. „Durch die garten-denkmalpflegerische Umgestaltung ist nun eine nutz- bare öffentliche Grünanlage mit hoher Aufent- haltsqualität entstanden.“ Zudem sei es gelungen, so der Baustadtrat, aus der maroden Treppenanlage, an deren
Sanierung sich schon viele versucht hätten, ein echtes Schmuckstück geworden. „Dabei sind wir sogar fast im Zeit- plan geblieben, was ja bei Bauprojekten in Berlin nicht selbstverständlich ist“, frotzelte Klaus Lin- genauber. Das Hufeisen sei jetzt wieder erleb- bar, die Proportionen von Gebäuden und Frei- räumen seien wieder stimmig und auch hin-
sichtlich der Far- bigkeit entspre- che das Ensemble wieder dem, was die Architekten einst angelegt haben: „Nun können wir uns nur noch eine pflegliche Behandlung der Hufeisensiedlung seitens des Bezirks, der Anwohner und nicht zuletzt der Deutsche Wohnen AG wünschen.“ Zumindest bei letzterer ist davon auszugehen. Die Siedlung habe schon deshalb eine besondere Stellung im Portfolio der Wohnungsgesellschaft, weil ihre Erbauung sehr eng mit der Gründung der Gehag
verbunden sei, versprach Julian Pinnig. „Wir fühlen uns dem historischen Erbe verpflichtet und freuen uns, dass es jetzt in neuem Glanz erstrahlt.“
Seit November 2010 wurden der Hufeisenteich, die Grünanlagen nebst Wegen, die Treppen-
anlage und der Vorplatz saniert; auch die Mittelinsel des Hüsung wurde in die Umge- staltung einbezogen. Verantwortlich für die Ausführung der Maßnahme ist das Büro des Landschaftsarchi- tekten Jens Henningsen (r.). „Ausgangspunkt für uns waren die historische Planung von Taut, Wagner und dem Gartenarchitekt Leberecht Migge sowie die Gut- achten von Katrin Lesser„, erklärt er. Bei der Umsetzung habe man vor allem das Motto „Leben in und mit dem
Denkmal“ verfolgt: „Schließlich wollten wir kein Museum aus der Siedlung machen.“
Die größte Herausforderung sei gewesen, dass man bei der Planung größtenteils auf Bildmaterial aus Schwarz-Weiß-Fotos zurückgreifen und Farbgebungen durch Hörensagen ermitteln musste. „Die Klinker der Treppe“, sagt Jens Henningsen, „sind extra nach historischem Vorbild gemustert worden.“ Dass einem beim
ausgiebigen Betrachten des Designs ein wenig schwindlig werden kann … Doch, ja, gibt er zu, das habe er auch von den Bauarbeitern gehört.
Ein anderer Kritikpunkt ist ihm ebenfalls bekannt: „Die Kantensteine entlang der Hecke, die um den Teich verläuft, sind größtenteils aus der Ursprungszeit und nur dort durch neue ersetzt worden, wo das alte Material zerstört war.“ Das wirke für viele auf den ersten Blick ein bisschen unschön, sei aber unter dem Denkmalschutz-
Aspekt nicht anders möglich gewesen. Bei den Leuchten indes habe man sich auf einen Kompromiss aus Historie, Bestand und dem Kostenfaktor einigen müssen. Die Leuchtköpfe sind nachempfunden, bei der Lackierung diente ein Stück Original-Treppengeländer als Farbvorlage und die Lichtquellen entsprechen aktuellen ener-
getischen Stan- dards. Eine deut- liche Aufwertung erfuhr auch das Herzstück der Siedlung, der Hufeisenteich. „Er wurde mit Plastikfolie gedichtet, ist an einen eigenen Brunnen angeschlossen, mit einer Umwälzanlage versehen und reguliert den
Wasserstand nun durch ein Schwimmersystem selber.“ So würde das Ärgernis eines stinkenden, zwischen Hoch- und Niedrigwasser schwankenden Tümpels fortan der Vergangenheit ange- hören, weiß Henningsen. Nicht realisieren ließ sich dagegen der Aspekt der Barrierefreiheit rund um das Teich-Areal. Auch bei der Rampe, die gegenüber der Freitreppe zum Hüsung hinaus führt, sei es nicht ohne Kompromiss gegangen: Handläufe, die Rollstuhlfahrern und Gehbehinderten die Nutzung erleichtern, und in Abständen in den Asphalt gesetzte Klinkerstreifen, die Sehbehinderten zu mehr Orientierung verhelfen – mehr sei leider nicht möglich gewesen.
Keine Zugeständnisse waren bei der Umgestaltung des nach einem Fritz Reu- ter-Werk benannten Hüsung erforderlich. Die zwischen ochsenblutrotfarbenen Rei-

henhäusern gelegene Mittelinsel der Straße werde nun wieder ihrer eigentlichen Funktion als Dorfanger gerecht, findet Jens Henningsen. Außerdem beweise sich hier, wie reizvoll das vor fast 100 Jahren in Britz entstandene Ensemble aus Gartenstadt und Großsiedlung noch heute zusammenwirkt.
=ensa=
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: deutsche wohnen ag, freunde und förderer der hufeisensiedlung berlin-britz (ffhbb) e.v., gartendenkmalpflegerische umgestaltung hufeisensiedlung, henningsen landschaftsarchitekten bdla, hufeisensiedlung, jens henningsen, julian pinnig (deutsche wohnen ag), klaus lingenauber (landesdenkmalamt berlin), landesdenkmalamt berlin, neukölln, thomas blesing (spd neukölln) | Kommentare deaktiviert für Leben in und mit dem Denkmal: Neuer Glanz nach alten Plänen für die Hufeisensiedlung