Der Countdown läuft. Noch 10 Tage, dann ist es für Yüksel Sara vorbei mit Rollen- spielen, Erste Hilfe-Lektionen, Schwimm- training und Kommunikationsübungen: Ab 21. Juni wird der 52-Jährige als Konflikt-
lotse des Projekts „Bleib cool am Pool“ im Neuköll- ner Columbiabad oder im Prinzen- bad in Kreuzberg eingesetzt, um das während der Ausbildung Erlernte anzuwenden. Aber aufgeregt, nein, das war er nur in der letzten Woche, als Berlins Innensenator Frank Henkel mit einem Pressetross im Schlepptau vor Ort war, um sich über die Aufgaben und Arbeitsweise des Prä-
ventionsteams zu informieren. „Ich bin doch nur ein kleiner Ein-Euro-fünfzig-Jobber, der das hier ehrenamtlich macht, und nicht so ein hohes Tier wie Herr Henkel“, entschuldigt sich Yüksel Sara (2. v. l.) für den Fall, dass
man ihm die Auf- regung zu sehr an- gemerkt haben sollte.
Dabei wirkt der Familienvater und dreifache Opa aus dem Rollbergkiez, als könne ihn so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Das prädestiniert ihn für die Tätigkeit als Kon- fliktlotse. „Die Teilnehmer des Projekts sind kein Security- Ersatz, sondern eine Ergänzung zwischen Schwimmmeistern und Sicherheits- personal“, betont Michael Lisowski (M.). Er ist leitender Präventionsbeamter der Poli- zeidirektion 5,
die „Bleib cool am Pool“ im dritten Jahr gemeinsam mit den Berliner Bäderbetrieben (BBB) und der Gesellschaft für Sport- und Jugendsozial- arbeit (gsj) durchführt: „Es geht darum, ganz banale Probleme auf kommunikativer Ebene zu lösen und den Anspruch der zahlenden Badegästen, dass sie sich hier wohlfühlen können, zu gewährleisten.“
Das schlechte Image haftet am Columbiabad wie Hundekacke am Schuh. Mit der Wirklichkeit, die seit dem Einsatz der Sicherheitsleute und Konfliktlotsen Alltag ist, habe es jedoch nur wenig zu tun, sagt Lisowski. Hartmuth Kurzhals (l.), Leiter des Projekts bei der gsj, bestätigt das: „In den letzten zwei Jahren hat es hier keinen einzigen Polizei-
einsatz gegeben.“ Einsätze der Konfliktlot- sen gab es jedoch reichlich: Sei es, dass Kinder getröstet werden mussten, die ihre Eltern im Getümmel verloren hatten, oder kleinere Verletzungen zu verarzten waren. Hinweise darauf, dass Müll in die Müll- eimer gehört, seien ebenfalls an der Tagesordnung. Und wer dabei erwischt wird, dass er die Reste von Wassermelo- nen einfach auf dem Rasen liegen lässt, wird an das Risiko erinnert, dass sie Wespen anziehen, die wiederum eine Gefahr für nackte Füße bedeuten.
Manche Leute müssten eben immer wieder zum Nachdenken und empathischen Handeln aufgefordert werden, weiß Michael Lisowski. Wie das in der Praxis aussieht, demonstrieren die Konfliktlotsen dem Innensenator mit zwei Rollenspielen, die unter dem Oberbegriff Deeskalationsübungen stehen: Freundlich und ruhig sprechen Yüksel Sara und seine Kollegin die beiden Mädchen an, die es sich mit einer Wasserpfeife auf der Wiese gemütlich gemacht haben. Selbstverständlich erfahren
sie unmissverständlich, dass das verboten und sofort zu unterlassen sei. Zur Strategie gehört jedoch auch immer der Hinweis auf die Gefahren, die vom Fehl- verhalten ausgehen könnten. Die Mädchen signalisieren zwar, dass sie keine Lust haben, ihre Shisha-Session abzubrechen, tun es aber doch – und Yüksel Sara hofft,
dass er bei echten Einsätzen ebenso erfolgreich ist. Frank Henkel (M.) attestiert den Konfliktlotsen, dass ihre besonnene Art der Kommunikation gut in seinen Wertedialog zur Gewaltprävention passen.
Am Sprungturm, wo ein dezentes Gerangel ge- mimt wird, kommt der Aspekt der Möglichkeit zur interkulturellen Ansprache hinzu. „Das ist wichtig“, findet Yüksel Sara, „weil Migranten mehr zuhören, wenn sie in ihrer Muttersprache von Landsleuten ange-
sprochen werden.“ Es sei aber keinesfalls so, räumt der Präventionsbeamte Lisowski ein, dass per se von Störenfrieden mit Migrationshintergrund ausge-gangen werde und das Konfliktlotsen-Team entspre- chend besetzt wurde: „Bei den 35 Leuten, die die zweimonatige Ausbildung durchlaufen haben, ist alles vertreten, jung und alt, männlich und weiblich, Migranten und Bio-Deutsche.“ So können man mit einem repräsentativen Querschnitt der Badegäste aufwarten.
Die Gründe, weshalb sich die Ehrenamtlichen für ein besseres Miteinander in Berliner Freibädern einset-
zen, Konflikte bereinigen und Erste Hilfe leisten, sind vielfältig. Bei manchem ist es vielleicht die Motivation, wie Frank Henkel vermutet, das Ange- nehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Bei anderen lockt möglicherweise die Aufwandsent- schädigung, die im Rahmen der Übungsleiterpau-schale gezahlt wird. Eine Anerkennung von anderer Seite präsentiert Burkhard von Walsleben (M.) im Columbiabad: Die Volker-Reitz-Stiftung, deren Vorstandsvorsitzender er ist, spendet 500 Euro für das Projekt. Das Geld werde in die Ausstattung der Konfliktlotsen
fließen, die in diesem Jahr außer der blauen Shirts zusätzlich Jacken und Hosen gestellt bekommen, sagt Hartmuth Kurz- hals. Auch das Bezirksamt Neukölln, vertreten durch Jugend- und Gesundheits- stadtrat Falko Liecke (2. v. l.) gehört zu den „Bleib cool am Pool“-Unterstützern und spendet im Beisein von Henkel und BBB- Vorständin Annette Siering Erste Hilfe-Kits für die Teilnehmer.
Yüksel Sara würde sich auch ohne diese Sach- und monetären Werte als Konfliktlotse engagieren. Seine Familie sei häufig im Columbiabad, erzählt er, das sei Grund genug, und es ärgere ihn, dass das Bad einen so schlechten Ruf hat. Das zu ändern, dabei will er mitwirken. Und An- sprechpartner für die Badegäste sein, die ein Problem haben, das nicht vom Schwimmmeister oder den Security-Leuten gelöst werden muss.
=ensa=
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