Wie nach einem Wirbelsturm

hinweistafel kleingartenkolonien sonnenallee_neuköllnDie Hinweistafel steht noch an Neuköllns Sonnenallee, nur von dem, worauf sie hinweist ist nicht mehr viel übrig. Das Gebiet, auf dem früher Laubenpieper ihre Freizeit genossen, erweckt den Anschein, als wäre ein Hurrikan darüber hinweg gefegt. Die Trümmer von Holzhütten und Zäunen liegen verstreut oder zu meter- hohen Stapeln aufgetürmt in den ehe- maligen Kleingartenkolonien, die Blu- men-, Kräuter- und Gemüsebeete sind zerstört. Doch es war keine Naturgewalt, die hier eine Schneise der Verwüstung geschlagen hat, sondern die Politik. Parallel zur

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Sonnenallee, nördlich der Dieselstraße, sieht es nicht anders aus: Auch hier sind die einstigen  Parzellen von Brettern, Baumaterial  und  Schutt übersät. Nur die aus  Stein

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gemauerten Datschen stehen noch und warten auf die Bagger, die fortsetzen sollen, was heute vor einer Woche mit dem offiziellen Spatenstich begann: der Ausbau der Stadtautobahn A100. Auch das Werksgelände einer früheren Aluminiumfabrik an der

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Sonnenallee wird der umstrittenen 3,2 Kilometer langen, sechsspurigen Trasse wei- chen müssen, die Neukölln ab 2022 teils unter- und teils oberirdisch mit dem Nachbarbezirk Treptow verbinden soll.

=ensa=

Besetzt!

besetzte pappel_a100 weiterbau neuköllnSo viel Betrieb war an der Kreuzung Neuköllnische Allee/Grenzallee wohl lange nicht mehr: Donnerstagfrüh, noch vor Sonnenaufgang, besetzten dort einige Aktivisten der Umwelt-schutzorganisation Robin Wood eine Pappel, die auf dem Gelände eines Gewerbebetriebes steht, der bald Platz machen muss für die 3,4 Kilo- meter lange Verlängerung der Stadt- autobahn bis zur Straße Am Trep- tower Park. Der Eigentümer des Geländes gehörte zu den A100-Klägern beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Er hat sein Grundstück bis heute nicht verkauft harald moritz_a100-protest_neuköllnund ist auch noch nicht enteignet worden.

Sonnabend treffe ich Harald Moritz (l.), Verkehrspolitiker der Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin und langjäh- riger Sprecher der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS), an der besetzten Pappel. „Verkehrsminister Peter Ramsauer hat nach den Unterlagen, die ich gesehen habe, inzwischen 80 Millionen Euro für den Autobahnbau freigegeben. 30 Millionen sol- len in diesem Jahr und der Rest 2014 für bauvorbereitende Arbeiten ausgegeben werden“, erklärt Moritz. „Sie wollen jetzt  überall auf der Trasse bis zu den Häusern an der Beermannstraße in Treptow vollendete Tatsachen schaffen.“ An der Sonnen- huetters neuköllnallee würden deshalb bald die Gebäude von Hütter‘s magna neuköllnund Magna abgeris- sen. Im April oder Mai dieses Jahres sei der feierliche erste Spaten- stich mit Bundesver- kehrsminister Ram- sauer und Berlins Bür- germeister Klaus Wowereit vorgesehen.

Nach dem kürzlich ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist alles  rechtmäßig. Das Baurecht ist erteilt und mit juristischen Mitteln kann das umstrittene, gerschner_robin wood_a100 neuköllnbald 500 Millionen Euro teure Bauprojekt nicht mehr gestoppt werden.  Für Alexander Gerschner (r.), Aktivist bei Robin Wood, ist der Protest damit aber längst nicht erledigt: „Nur weil Baurecht besteht, muss noch lange nicht gebaut werden“, gibt er zu be- denken. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht über den verkehrspolitischen Sinn geurteilt, sondern nur über die recht- liche Zulässigkeit des Baus entschieden. Andere Großprojekte wie die Atomanlagen in Wackersdorf und Wyhl seien aber trotz vorhandenen Baurechts nie verwirklicht worden. „Wenn jetzt massiver Protest aus breiten Teilen der Bevölkerung kommt, ist die A100 noch zu stoppen“, sagt Gerschner überzeugt.

„Gutes Klima – Soziale Stadt . Stop A100“ steht auf dem Transparent, das mehrere Meter über dem Boden in der besetzten Pappel hängt. Der Robin Wood-Aktivist erläu- tert: „Wir wollen, dass das Geld für sinnvolle ökologische und soziale Projekte ausgegeben wird und nicht für den unsinnigen Autobahnbau“. Ein robin wood-protest_a100 neuköllnMitstreiter fügt hinzu: „Ramsauer ist doch auch für die Mittel im sozialen Wohnungsbau ver- antwortlich“.

Gestern Nachmittag haben Robin Wood und Unterstützer zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Wie lange die Pappel besetzt bleiben wird, möchte Alexander Gerschner nicht sagen. Nur eins ist für ihn gewiss: “Unser Protest geht weiter“.

Aktuelles vom Protest-Camp an der Pappel unter http://www.a100stoppen.de und http://www.robinwood.de

=Christian Kölling=