Wer sich durch Neukölln bewegt, trifft im Straßenbild auf sehr unterschiedliche Schriftzeichen, mit denen zumeist an Ladenlokalen auf das entsprechende Gewerbe
samt einschlägiger Informationen aufmerk- sam gemacht werden soll. Das erfolgt überwiegend durch lateinische Schriftzei- chen mit serifenloser aufrechter Schrift, oft
klar und deutlich, manchmal allerdings auch verspielt oder gewollt undeutlich, wie im Beispiel rechts.
Ab und an gibt es – wie in nachstehendem Fall – den missglückten Versuch, eine Frakturschrift zu
verwenden. Denn man muss nicht Schriftsetzer sein, um zu wissen, dass hier in allen drei Fällen das Lang-s anstelle des Rund-s hingehört. Schließlich wird letzteres nicht von ungefähr im Volksmund als Schluss-s bezeichnet. Außerdem müsste so-
wohl das „st“ als auch das „ch“ als Ligatur dargestellt werden. Wie es richtig geht, ist in der Richard-straße an der Fassade der Puppenklinik Neu- kölln zu bewundern.
Aber es gibt ja noch viel Interessanteres zu entdecken. Um auf kleinem Raum viele Infor-mationen unterzubringen, bedient sich z. B. die
Szene- und Kiez- Kneipe Filou an der Schillerpromenade des Quick Response Codes: Allerdings benötigt man zum Lesen des QR-Codes ein Smartphone oder entsprechenden Scanner mit geeigneter Software.
Auch bei folgendem Schild erschließt sich nicht jedem sofort der dargestellte Begriff. Doch dann erinnert man sich an insbe-sondere zu Schulzeiten verwendete Fremd-sprachen-Wörterbücher, ihrer phonetischen Umschrift und dem IPA. Und schließlich wird klar: Hier macht in Lautschrift eine Zahnarztpraxis auf sich aufmerksam.
Natürlich spiegelt sich die ethnische Vielfalt unseres Bezirks auch in den ver- wendeten Schriften
wieder. Allgegenwärtig ist Türkisch. Obwohl die klassische Latein-schrift verwendet wird, gibt es hier einige besondere diakritische Zeichen, das heißt an einzelnen Buchstaben angebrachte Punkte, Striche oder Häkchen, aber auch den Wegfall eines Punktes, wie beim „ı“, wenn der „ungerundete geschlossene Hinterzungenvokal“ gemeint ist. Für Unkundige immer wieder erstaunlich, dass mit den kalligraphischen Kunstwerken des Arabischen, Chinesischen oder Japanischen 

– um nur drei zu nennen – auch ganz profane Botschaften vermittelt werden können.
Neben anderen Schriften, die schon nicht mehr ganz so häufig in unseren Straßen anzutreffen sind, muss am heutigen Tage die kyrillische erwähnt werden. Ist sie doch
wohl die einzige, der ein Gedenktag gewidmet ist: Der 24. Mai ist der Tag der kyrillischen Schrift – und der steht in Bulgarien und Mazedonien sogar als Nationalfeiertag im Kalen- der. Benannt ist sie nach Kyrill von Saloniki, der aber gar nicht Kyrillisch, sondern die ihr vorausgehende gla- golitische Schrift entworfen hat.
Na, das wär’s doch, wenn die 1941 von den Nazis verbotene deutsche Kurrentschrift (rauf, runter rauf, Pünktchen drauf) bei uns wieder eingeführt würde – selbst- verständlich mit der Maßgabe, dass der Einführungstag gesetzlicher Feiertag wird. Oder vielleicht besser doch nicht?
=kiezkieker=
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