Drei Tage, neun Orte, elf Autoren: Auf nach Rudow!

alt-rudow_neukoellnGehören Sie zu den Neuköllnern, die bei Fahrten nach Rudow einen Stadtplan mit-nehmen müssen, um sich nicht zu verirren? Wenn ja, sollten Sie am ersten März-Wochenende eine Tour nach Rudow durchaus ins Auge fassen. Wenn nein, wissen Sie sicher längst, dass vom 4. bis 6. März wieder die Autorenlesungen der Reihe „Rudow liest“ stattfinden.

„Wir machen das im fünften Jahr“, eröffnet Heinz-Jürgen Ostermann in seiner Buchhandlung Leporello das Gespräch und beginnt, das Weiterlesen

Nach 30 Jahren: Das Aus der Buchhandlung SoSch

sosch buchhandlung_gropius-passagen_neuköllnAm Heiligabend endet eine Ära, die 1985 begann, als dort, wo seit 1996 die Gropius Passagen sind, noch ein Einkaufszentrum mit nur 40 Ladenpavillons stand. In einem davon hatte Sonja Schwestka-Krause, die 1980 der gropius passagen_neuköllnLiebe wegen von Österreich nach Berlin gekommen war, eine Buchhandlung eröffnet – auf gerade mal 36 Quadratme-tern.

Heute hat die Buchhandlung SoSch 629 Quadratmeter Ver-kaufsfläche. Und zu dieser, die strategisch günstig nahe dem Haupteingang liegt, gehören außerdem drei Räume im Kellergeschoss. „Der 24. Dezember ist unser letzter Verkaufstag“, sagt Sonja Schwestka-Krause. Danach wird das Objekt geräumt, um es pünktlich am 11. Januar an Weiterlesen

Als Bettlektüre ungeeignet: Buchpremiere des neuen Fitzek-Thrillers „Der Nachtwandler“ in Neukölln

Man musste schnell sein, um Karten zu ergattern. Denn es dauerte nicht lange, bis die etwa 150 Plätze vergeben waren, die die Buchhandlung SoSch in der Neuköllner sebastian fitzek_der nachtwandler_knaurGropiusstadt für die  Buchpremiere von Sebastian Fitzeks neuem Psychothril- ler „Der Nachtwandler“  anbieten konn- te.

„Wer bist du, wenn du schläfst?“, um diese Frage hat der Berliner Bestseller- Autor einen packenden Plot ausgetüftelt: Fitzeks Protagonist Leon Nader nämlich, der schon in seiner Kindheit wegen massiver Schlafstörungen psychothera- peutisch behandelt wurde, befürchtet, nachts wieder die Horizontale zu ver- lassen. Persönliche Dinge verschwin- den ganz oder tauchen plötzlich an Stellen in der Wohnung wieder auf, wo er sie nicht hingelegt hatte. Ein Paar Sportschuhe wird in der Mikrowelle zum qualmenden Klumpen. Wie anders als mit erneuten somnambulistischen Phasen ließe sich all das erklären? Leon Nader jedenfalls kann sich nicht daran erinnern, zu diesen Geschehnissen beigetragen zu haben.  Als schließlich eines Morgens seine von schwersten Misshandlungen gezeichnete Frau Natalie die gemeinsame Woh- nung verlässt, den Aufzug im Haus in der 3. Etage besteigt, aber nie im Erdgeschoss ankommt  und verschwunden bleibt, beginnt  für ihn die Hölle – und für die Leser ein rasantes, furioses Verwirrspiel.

Um dem eigenen nächtlichen Treiben auf die Spur zu kommen, nimmt Nader nicht nur Kontakt zu dem Psychiater auf, der ihn schon früher behandelt hatte, sondern er geht außerdem nicht mehr ohne eine funkgesteuerte Kamera zu Bett, die er mit einem Stirnband an seinem Kopf befestigt. „Wer bist du, wenn du schläfst?“ Dieser Frage schließt sich nun schnell eine zweite an: die  nach dem Wo. Denn Leon Na- ders schlafwandelndes Ich fitzek_der nachtwandlerstößt hin- ter einem Bauernschrank im Schlaf- zimmer auf eine Tür, die er nie zuvor gesehen hat.

Auch in seinem achten Thriller „Der Nachtwandler“ zieht Sebastian Fitzek wieder alle Register seines Könnens. Im Nu steckt der Leser mitten im Strudel eines beklemmenden Kammerspiels, das immer mehr an Fahrt aufnimmt und dabei immer abstruser wird. Was erlebt Leon Nader wirklich und was nur im Schlaf? Das würde wohl nach der 159. von 318 Seiten niemand beantworten wollen. Aber Fitzek wäre nicht Fitzek, wenn er die Erzählstränge nicht fest in der Hand hielte und am Ende alle Ereignisse schlüssig enträtseln würde.

Zu erleichtertem Aufatmen führt das allerdings in diesem Fall nicht. Wer weiß schon genau, was er wirklich tut, wenn er nur zu schlafen glaubt? Und: Wer guckt in Zeiten, in denen Wohnungen knapp sind, so genau hin, dass ihm bei Besichtigungen eine hinter einem Schrank verborgene Tür auffiele? Diese Skepsis könnte bleiben, selbst wenn  „Der Nachtwandler“  längst einen Platz im Bücherregal gefunden hat.

=ensa=

„Neukölln ist überall“ und der Vorher-Nachher-Effekt

„Neukölln ist überall“: Wo fängt man an bei einem Buch, über das sich seit seinem Erscheinen schon viel aufgeregt wurde? Ich würde so gern einen einfachen Verriss mit dem Tenor „Buschkowsky ist ein Prollpolitiker, der alle Ausländer für doof und faul hält und den von ihm regierten Bezirk am liebsten auf den Mond schießen will“ schrei- ben. Aber wäre das dem Autor wirklich ge- recht? Nein!, steht für mich nach der Lektüre der 400 Seiten fest, die mich hin und her gerissen und auch überrascht haben, weil sie doch sehr zum Denken anregen, wenn man es denn zulässt.

Vielleicht fange ich der Einfachheit halber mit der Einleitung an, in der der oft als Verbal-Haudrauf bekannte Neuköllner Bezirksbürger-meister Heinz Buschkowsky erstmal alles relativiert, was noch im Buch folgt. Leute, die ihn zitieren oder meinen, Diskussionen in seinem Namen zu führen, relativieren eher selten und stecken gern Menschen in Schubladen. Buschkowsky meint sich aber im Vorwort von diesem Verhalten distanzieren zu können. Verwirrend ist es definitiv, erinnert es doch an den Klassiker der Stammtischdiskussionen „Ich bin ja kein Rassist, aber …“ gefolgt von rassis- tischen Aussagen. Dieser leicht bittere Vorgeschmack mag kurz nachklingen, wird aber im Verlauf der Lektüre zum Glück abgelegt. Man schleppt sich also durch eine Aufzählung diverser Missstände und Milieubeschreibungen, die ich dem Autor als erfahrenem Bürgermeister durchaus abnehme: Es ist nötig, derartige gesamt-gesellschaftliche Probleme angesprochen zu sehen; es ist schade, was in den weiterführenden Diskussionen meist daraus wird. Buschkowskys Gegner unter-stellen ihm regelmäßig Populismus – und ja, die Themen sind definitiv populistisch, jedoch scheint der plakativ in einschlägigen Medien dargestellte Buschkowsky nicht der zu sein, der in diesem Buch durchscheint.

Natürlich wird der aktuelle und vergangene Zustand als gescheitert beschrie- ben, und dies stößt den engagierten Mitbürgern in unserem schönen Neukölln zu Recht auf. Aber es wird auch gesagt, wo und woran es hapert: Nicht an denen, die sich engagieren; ich habe zumindest nicht das Gefühl, dass Buschkowsky deren Arbeit für unsere Gesellschaft geringschätzt. Was für mich regelmäßig im Text zu erkennen war, ist, dass Heinz Buschkowsky vor allem ein besseres Staatsbür- gertum  fordert, und zwar nicht nur von Menschen mit Migrationshintergrund. Er fordert immerfort ein offenes Bekenntnis aller Menschen zu unseren demokratischen Grundregeln und prangert an, was sich an Parallelgesellschaften und gesamtgesell- schaftlicher Ignoranz und Entsolidarisierung entwickelt hat.

„Neukölln ist überall“ ist ein Buch, das vom Leser eigentlich einen gekonnten Umgang mit Medien verlangt. Selbstkritisches Begutachten der vorliegenden Thesen und auch ein Nachjustieren des eigenen Standpunktes sind gefragt. Ist alles, was hier geschrieben ist, wahr? Ist die Interpretation der Zahlen, die hier vorliegt, die einzig mögliche? Dies sind alles Themen, die man sehen kann, wenn man sie sehen will und in der Lage ist, sich in der Metaebene mit dem Buch auseinander zu setzen. Wenn man einen in der Springer-Presse zitierten Buschkowsky mit dem hier im Buch selber zu Worte kommenden vergleicht, kommen einem kurz Überlegungen dazu, ob es wirklich ein und derselbe ist. Ich glaube nach der Lektüre des Bestsellers, dass Heinz Buschkowsky in der Debatte um die Themen, die er anstößt. teilweise unrecht getan wird. Er selbst  sieht vieles differenzierter als es ihm in den Debatten zugetraut wird. Schnell sieht man nur den Haudrauf, eben weil der Hau- drauf heraufgeschworen und zurechtzitiert wird. Er hat eigentlich eine differenzierte Diskussion verdient. Und ja, da gehört es eben auch dazu mal zu überlegen, was man von dieser Gesellschaft will und was man selber in sie hereinbrin- gen will.

Ich erkenne viel in diesem Buch, mit dem ich sympathisieren kann: ein wertkonservatives Heranwachsen, Gesetzestreue und auch den Glauben an Bildung und die demokratische Gesellschaft und die Hoffnung, in dieser Welt könne man mit eigener Hände Arbeit irgendwie ein selbstbestimmtes Leben sichern. Man merkt, wie sehr Buschkowsky von uns allen als Gesellschaft enttäuscht ist, weil wir nicht anders mit den Problemen umgehen können als sie entweder zu ignorieren, auf- zublasen oder kleinzureden. So wirklich machen will kaum jemand etwas, zumindest nicht auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene. Ich erkenne auch, dass hier versucht wird, Lösungansätze abseits des Kleinkleins anzubieten, jedoch bleibt es bei einem relativ kurzen versöhnlichen Teil am Ende. Dies mag einer gewissen Realpolitikverdossenheit bürgermeisterseits geschuldet sein. Jahrelang große Versprechungen und Forderungen von Landes- und Bundes- politik zu hören und nichts geliefert zu bekommen, kann betroffen machen.

Was also rate ich nun? Lesen! Wem die ersten 100 Seiten sauer aufstoßen, dem rate ich zu etwas mehr Durchhaltevermögen. Das Kapitel „Islamophobie und Überfrem- dungsangst“ folgt, mit einem wunderbaren Diskurs über den Umgang der Medien mit dem Islam und den daraus resultie- renden haarsträubenden Vorurteilen in unserer Gesellschaft. Irgendwie hatte ich so etwas in diesem Buch nicht erwartet … Interessanterweise folgt danach eine Auseinanderset- zung u.a. mit Thilo Sarrazin, welche, wenn auch erkennbar eingefärbt, relativ gut die Schwachstellen der Diskussionen und insbesondere der Teilnehmer dieser Diskussionen hervorhebt. Es wird in beiden Lagern viel geredet, wenig gewusst und auch wenig Bereitschaft mitgebracht, einander gedanklich zu befruchten und vielleicht eine Lösung zu finden. Danach folgen politische Reise- berichte, die sich zwar gut lesen, aber insgesamt wenig neue Erkentnisse bringen. Doch wenn Neukölln überall sein soll, dann muss man eben auch in dieses Überall hinein. Ich persönlich will mehr von dem Buschkowsky aus diesem Buch hören, weniger vom zitierten oder in Bild und B.Z. dargestellten. „Neukölln ist überall“ zielt vermutlich im Endeffekt darauf ab, dass die gesellschaftlichen Probleme, die so gern als Einzelfall für „Problembezirke“ wie Neukölln abgeschrieben werden, überall da sind, wo die Menschen mehr oder weniger geballt auftreten. Und diese sollten wir, im Interesse eines besseren Zusammenlebens und einer Zukunft, in die man zuversichtlich sehen kann, anpacken.

Herrje, da setzt man sich an ein Buch und meint vorher eine Meinung zu haben, und dann werden die Vorurteile zu einem gewissen Grad relativiert, irgendwie schön. Ich frage mich dennoch nach der Lektüre von  „Neukölln ist überall“, warum Heinz Buschkowsky es zulässt, dass man ihn boulevardjournalistisch derart darstellt, vieles als O-Ton deklariert und so das Bild des Undifferenzierten weiter verstärkt.

Am 8. November liest Neuköllns Bezirksbürgermeister um 20.30 Uhr in der Buchhandlung SoSch in den Gropius Passagen: Karten für die Veranstal- tung sind nicht mehr erhältlich, sie ist  ausverkauft!

=Ze evil Kohl=