Kleine Tiere, große Wirkung

4_ruderregatta neuköllner unternehmen_neuköllner schiffahrtskanalKrebse gehören normalerweise nicht zur Fauna, die im Neuköllner Schiffahrtskanal beheimatet ist. Vorgestern trieben sich jedoch etliche der Tiere in der Wasserstraße herum – und keines blieb 1_ruderregatta neuköllner unternehmen_neuköllner schiffahrtskanalunbemerkt. „Wieder ein kleiner Krebs!“, tönte es aus den Lautsprechern vor dem Estrel Hotel, 2_ruderregatta neuköllner unternehmen_neuköllner schiffahrtskanalwenn Fontänen aus dem Wasser aufstie- gen. „Das war jetzt aber ein ganz dicker Krebs!“, kommentier- te Thorsten Kohlisch, wenn ein Boot beträchtlich von der Geraden parallel zum Ufer abkam und Kurs auf den Vierer des gegnerischen Teams nahm. Kohlisch, der früher im Achter der RG Wiking Berlin fuhr, kennt sich mit Krebsen aus; Samstag war er an Land statt auf dem Wasser, um das Publikum über die Rennen der  Ruderregatta Neuköllner Unternehmen auf dem Weiterlesen

Neukölln als Parcours für Perspektivwechsler

v. l.: Festivalleiter Dr. Martin Steffens, Auguste Kuschnerow (Kulturnetzwerk Neukölln), Kulturstadträtin Dr. Franziska Giffey, Francesco Mammone (Reihe "Kunst und Kult"), Festivalleiter Thorsten Schlenger, Andrea Klahold (Neukölln Arcaden)

v. l.: Festivalltg. Dr. Martin Steffens, Auguste Kuschnerow (Kulturnetzwerk Neukölln), Kul- turstadträtin Dr. Franziska Giffey, Francesco Mammone (Reihe „Kunst und Kult“), Festivalltg. Thorsten Schlenger, Andrea Klahold (Neukölln Arcaden)

Gutes Schuhwerk, das ist es, was Neuköllns Kulturstadträtin Dr. Fran- ziska Giffey allen empfiehlt, die sich am Wochenende auf die Spuren der Kunst im Bezirk begeben. Denn heute geht 48 Stunden Neukölln in die 15. Runde – und das bedeutet: bis Sonntagabend etwa 400 Ver- anstaltungen, die das Jahresthe- ma „Perspektivwechsel!“ umset- zen, an 250 Orten. Immerhin seien es gut 30 Prozent weniger als noch im Vorjahr, erinnert Auguste Kusch- nerow vom Kulturnetzwerk Neukölln e. V., das das Festival veranstaltet.

Verschlankt kommt es nun also daher, und das betrifft nicht ausschließlich die Zahl der Veranstaltungen und Orte. Mit „Kultur- und“ hat es den Ballast von drei Silben und einem Bindestrich abgeworfen. martin steffens_auguste kuschnerow_48 stunden neukölln-pkDas Kunstfestival 48 Stunden Neukölln heißt es jetzt nur noch“, betont Dr. Martin Steffens und geht auf weitere Neuerungen ein: Die Beiträge der Künstler sollen stärker als bisher auf das jeweilige Jahresthema konzentriert sein, und Galerien ohne speziell auf das Festival- thema zugeschnittene Ausstellungen oder Events sind künftig keine Teilnehfranziska giffey_francesco mammone_thorsten schlenger_48 stunden neukölln-pkmer mehr, die im Pro- gramm bewor- ben werden, sondern nur noch „assoziierte Orte“. So sei es im letzten Herbst bei einer Zukunftswerkstatt mit diversen Beteiligten be- schlossen worden, sagt der langjährige Festival- leiter, der – auch das ist neu – in diesem Jahr zusammen mit Thorsten Schlenger als Doppel- spitze agiert. Erklärtes Ziel sei, das relativ alte, inzwischen mehrfach kopierte Format des Festivals in eine zeitgemäße Form zu bringen, um gegenüber den Nachahmern die Nase vorne zu behalten. Dazu gehört auch ein neues Corporate Design rund um info-stand neukölln arcaden_48 stunden neuköllndas etablierte 48 Stunden Neukölln-Logo.

„Hier ist Kunst“, allgegenwärtig ist der Schriftzug derzeit im Bezirk. „Da ist Kunst“ heißt es heißt es auf den außerhalb Neu- köllns ausliegenden Orientierungsplänen. Den Effekt, dass wegen des Festivals „Menschen kommen, die sonst nicht den Weg nach Neukölln finden“, schätzt auch Franziska Giffey. Damit sie sich nicht verirren und Einheimische im Event-Overkill ebenfalls den Überblick behalten, hat das junge Neuköllner Unternehmen Quar- terland eine Festival-App entwickelt. „Mit einer Echtzeitkarte“, erklärt Torsten Fischer, „werden den Usern von Smartphones 48 stunden neukölln-pkoder Tab- lets nur Veranstaltungen angezeigt, die gerade in unmittelbarer Nähe stattfinden.“

An die Nicht-ohne-mein-Smartphone-Generation ist also gedacht – und den so genannten Silver- Agern wird in diesem Jahr erstmals eine eigene Festivalreihe gewidmet: Im Labor Urbanes Altern, das in der 1. Etage der Neukölln Arcaden ein- barbara duisberg_labor urbanes altern_neukölln arcaden_48 stunden neukölln-pkgerichtet ist, sol- len die Senioren stärker in den Fo- kus genommen und einbezogen werden. Neben einer Ausstellung der Berliner Künstlerin Barbara Duisberg gibt es Audio-Installationen, ein Medien-Center, Performances und verschiedene Projekte, die auf die Förderung des intergenerativen Dialogs ausgerichtet sind und somit zum Perspektivwechsel einladen. „Dieses Anliegen“, informiert Thorsten Schlenger, der die Reihe betreut, „wird auch bei den nächsten Festivals fortgesetzt.“ Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land habe bereits das Sponsoring für 2014 labor urbanes altern_48 stunden neukölln-pkund 2015 zugesagt.

Einen weiteren 48 Stunden Neukölln-Schwer- punkt schafft die Veranstaltungsreihe Kunst und Kult – Stimmen der Religionen, die von Fran- cesco Mammone kuratiert wurde. „Hier liegt der Akzent auf dem Dialog zwischen Künstlern und Gemeinden“, erklärt er. Fünf Gotteshäuser in Neukölln beteiligen sich an der Reihe, ebenso fünf Künstler: „Bei der Zuordnung war es uns wichtig, dass sie nicht der entsprechenden Glaubensgemeinschaft angehören.“ Das Ergeb- nis seien intensive, künstlerisch-religiöse Aus- einandersetzungen einer Buddhistin mit der katholischen Sankt-Clara-Gemeinde, einer Ka- tholikin mit der Sehitlik-Moschee, einer Muslima mit der Herrnhuter Brüdergemeine, eines muslimisch-katholisch sozialisierten Künstlers mit der evangelischen Gene- zareth-Gemeinde und einer Künstlerin, die im griechisch-orthodoxen Umfeld auf- geheimnisvolle tür_48 stunden neukölln-pkwuchs, mit dem Sri-Ganesha-Hindutempel.

Heute um 19 Uhr wird das Kunstfestival, im Kesselhaus der ehemaligen Kindl-Braue- rei an der Werbellinstraße eröffnet. Bis Sonntagabend kann dann, so Auguste Kuschnerow, die Sichtweise auf Fremdes geschärft und das Wechseln von Stand- orten und Perspektiven erlernt werden. Wer das mit dem 28-seitigen Programm als Wegbegleiter tun will, sollte nicht nur an gutes Schuhwerk, sondern – bei nicht mehr ganz so guten Augen – auch an die Lese- brille denken. Sonst bleibt die Sichtweise auf weite Passagen des Heftes ver- schwommen und wird das Wechseln von Standorten und Perspektiven zur echten Herausforderung.

=ensa=

Der Luxus des Neuköllner Kultur-Dschungels

581 Veranstaltungen in 48 Stunden an über 330 Orten – im Norden Neuköllns bricht heute wieder die kulturelle Gigantomanie aus. Dass mit 1.700 Akteuren weniger Mitwirkende als im letzten Jahr dabei sind, ist bei solchen Größenordnungen unerheblich. Die Besucher der 48 Stunden Neukölln erleben ohnehin nur einen Bruchteil davon. Vielleicht haben die ganz Eifrigen unter ihnen Sonntagabend, wenn das Kunst- und Kulturfestival endet, mehr als 10 Events hinter sich, bei den meisten dürften es aber weniger sein.

Für die generalstabsmäßige Orientierung, wann wo was stattfindet, gibt es ein 24-seitiges, eng bedrucktes pressekonferenz 48 stunden neukölln, v. l.: katharina rohde, franziska giffey, auguste kuschnerow, christoph böhmer (biotronik), martin steffensProgrammheft im halbrheini- schen Format, außerdem infor- mieren alle  sieben teilneh- menden Kieze mit eigenen Fly- ern über die Veranstaltungen in ihren Gebieten. Und dann ist da noch der von den Organisato- ren, dem Kulturnetzwerk  Neu- kölln, auch bei der Presse- konferenz massiert beworbene und bei vielen Künstlern glei- chermaßen umstrittene High- lights-Flyer: Er stelle, so Auguste Kuschnerow (M.) vom Kulturnetzwerk-Vorstand, 48 „besonders interessante Projekte vor, die von einer Jury ausgewählt wurden“.

Er unterteile die Akteure in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, halten die Kritiker dem entgegen. Besondere Brisanz gewinnt der Vorwurf dadurch, dass bei dieser 13. Auflage des Festivals erstmals ein dotierter Publikumspreis unter 42 Events mit dem Prädikat Highlight ausgelobt wird. Somit stellt die, laut Pressesprecher Clemens Kuhnert „demokratisch nach einem Kriterienkatalog“ agierende Jury, die aus Kulturamtsleiterin Dorothea Kolland, Andreas Altenhof und Denise S. Puri (beide Vorstandsmitglieder des Kulturnetzwerks), Ilka Normann (Geschäftsführerin des Kulturnetzwerks) und Klaus Bortuluzzi (Akteur bei 48 Stunden Neukölln) besteht, nicht nur die Weichen für eine exponierte Vermarktung, sondern auch die für die Ambitionen auf eine zumindest partielle Refinanzierung des monetären Aufwands.

Denn von den von Kulturstadträtin Franziska Giffey (2. v. l.) mit rund 55.000 Euro bezifferten Förderungen, die das Festival erhält (15.000 Euro davon steuert das Bezirksamt als Basisunterstützung bei), sieht das Gros der Akteure nicht viel bis nichts. Schon die Teilnahme an der alljährlichen Leistungsschau der Neuköllner Kreativszene ist für sie der pure Luxus, in den Geld und noch mehr Zeit gebuttert wird. Dessen ist sich auch Christoph Böhmer (2. v. r.) bewusst. Er ist Geschäftsführer des in Neukölln ansässigen Unternehmens Biotronik, das nunmehr zum fünften Mal die Position des privatwirtschaftlichen Hauptsponsors des Kunst- und Kulturfestivals übernimmt. „Neukölln“, so die Überzeugung des Herrn über derzeit 2.500 Arbeitsplätze, „bietet den Luxus vieler kreativer intelligenter Menschen.“ Die Unterstützung des Kulturwochenendes sieht er als „Teil der Verantwortung, dem wir gerecht werden sollten.“

Einen Schritt weiter bei der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Festival-Motto Luxus geht der diesjährige 48 Stunden Neukölln-Schirmherr Wolfgang Joop: Luxus, schreibt er in sei- nem Grußwort, ist für ihn eine Bewusstseinsebene, ein Begriff, der nicht dinglich sondern me- taphysisch zu verstehen sei. Gut möglich, dass sich diverse Neu- köllner Künstler besser mit dem identifizieren könnten, was Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Luxus“ besingt: „… die Träume werden leider immer kleiner …“

Der Traum, Wolfgang Joop in den Straßen Neuköllns zu begegnen, wird allen Besuchern unerfüllt bleiben. Der Schirmherr gönnt sich den Luxus der Abwesenheit. Aber vielleicht bringen ja die kostenlosen Skoda-Limousinen-Shuttles, die  morgen von 14 bis 21 Uhr erstmals auf der Route von der Neuen Nationalgalerie in Mitte nach Neukölln unterwegs, den einen oder anderen Promi in den Bezirk. Über das, was sie am Ziel erwartet, können sich Passagiere dieser Neuköllner Variante des Bussings mit Luxus-Touch  hier informieren. Und alle anderen natürlich auch.

=ensa=