Schüler-Filmprojekt erkundet die Dauerbaustelle auf der Karl-Marx-Straße

Wundern Sie sich eigentlich noch über die Baustelle, die auf der Karl-Marx-Straße seit Dezember 2010 langsam von Süden nach Norden wandert?

Schülerinnen und Schüler einer 6. Klasse der Konrad-Agahd-Grundschule sowie einer 9. Klasse der Zuckmayer-Oberschule sahen sich von März bis November 2018 ausgerüstet mt Helmen, Warnwesten und Arbeitsschuhen die Dauerbau-stelle einmal genauer an, um die Entwicklung auf der Karl-Marx-Straße filmisch festzuhalten. Die Jugendlichen befragten mit Kamera und Mikrofon die Passanten und Anwohner ebenso wie Weiterlesen

Weit unten und weit oben: Neue Farbtupfer gegen die Tristesse der Kachelwand

„Zweiter Gang, den Wagen einfach rollen lassen, sechs Stundenkilometer!“ Dr. Christian Hoffmann, Sprecher des Quartiersrates Flughafenstraße und Bezirksverordneter der Grünen im Rathaus Neukölln wurde an diesem Vormit-tag nicht müde, Autofah-rerinnen und -fahrer in der Neckarstraße daran zu erinnern, welche Regeln seit acht Mona-ten in der Spielstraße gelten und wie sie fahrtechnisch einzuhalten sind. „Warum ich Ihnen das sage?“, antwortete er auf eine Frage verdutzt: „Damit die Kinder die Spielstraße endlich als Spielstraße erobern können!“ Kinder Weiterlesen

So vielfältig und bunt wie die Bevölkerung Neuköllns

schwingenschloegl_salonmusik-im-koernerpark_zitronencafe-neukoellnHerbsttage können bekanntlich trist sein. Jeden Sonntagabend gibt es zum Glück aber im Neuköllner Körnerpark bis einschließlich 18. Dezember einen musikalischen Lichtblick: Salonmusik im Zitro-nencafé heißt die Veranstaltungsreihe des Fachbe-reiches Kultur des Bezirksamtes, die bereits im dritten Jahr läuft.

Kulturamtsmitarbeiterin Bettina Busse sowie der Musiker  und Komponist Paul Schwingenschlögl (r.) haben für den Herbst ein Programm zusam-mengestellt, das so vielfältig und bunt wie die Bevölkerung Neuköllns ist. Die Musikerinnen und Musiker kommen aus Deutschland, Spanien, Südkorea, Neuseeland, Spanien, Griechenland, Bulgarien, Chile sowie den USA. Und: Sie Weiterlesen

Gesichter, die von langen Leben erzählen

kaffeetafel_ausstellungseroeffnung geb 1916_koernerpark neukoellnBernd Szczepanski hat durchaus öfter mit Hundert-jährigen zu tun. So sie oder ihre Angehörigen es wünschen, kommt der Sozialstadtrat von Neukölln mit Blumen und einem kleinen Präsent zum Gratulieren, wenn das Lebensalter vom zwei- in den dreistelligen Bereich rutscht. Doch so etwas wie letzten Freitag war auch für Szczepanski ein Novum: An einer Kaffeetafel konnte er zur Eröffnung einer Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen des Körnerparks gleich sechs Neu-köllnerinnen begrüßen, die seit Januar 100 geworden sind oder es in den nächsten Monaten werden.

Als sie 1916 zur Welt kamen, waren Filtertüten, Panzer, der Teddybär, Eis am Stiel, elektrische Verkehrsampeln und Waschmaschinen bereits erfunden. Andere zivilisatorische Errungenschaften, die heute Weiterlesen

100 Tage für 100 Jahre: Neukölln feiert den Körnerpark

koernerpark neukoellnHätten sich alle zu einem Gruppenfoto aufgestellt, die an der Vorbereitung oder Durchführung des Festprogramms zum 100-jährigen Bestehen des Körnerparks beteiligt sind,gruppenbild_pk 100 jahre koernerpark_neukoelln wäre es auf der Terrasse vor der Galerie eng geworden. Deshalb traten Montag beim Pressetermin nur die Hauptverantwortlichen vor die Kameras.

„Das Interesse am Mitwirken seitens der Neuköllnerinnen und Neuköllner war überhaupt nicht einzuschätzen, als wir vor genau zwei Jahren angefangen haben, das Jubiläum zu planen“, sagt Kulturamtsleiterin Dr. Katharina Bieler (4. v. r.). Ihre Mitarbeiterin Bettina Busse (l.) hat seitdem regelmäßig zu einem Stamm-tisch eingeladen, der mit dem Input „Wir spinnen erstmal nur rum!“ Weiterlesen

Wer, wie, was, warum oder weshalb nicht? Antworten auf Fragen zur Nutzung der kulturellen Angebote im Körnerpark

koernerpark neukoellnkörnerpark neuköllnDer Körnerpark ist beliebt. Nur: Warum und bei wem überhaupt? Weshalb und wie oft halten sich Anwohner in der grünen Oase zwi- schen Karl-Marx- und Hermann- straße auf? Was lockt Leute, die weiter entfernt wohnen, in den Park, der in einer ehemaligen Kiesgrube entstand? Ist der Kör- nerpark, dessen 100-jähriges Be- stehen im übernächsten Jahr mit einem Jubiläumsprogramm gefeiert werden soll, für die Besucher primär ein Nah- erholungsgebiet? Oder stellen Einrichtungen wie die in der Orangerie unterge- brachte Galerie und Konzertreihen wie „Sommer im Park“ einen Weiterlesen

Maria – zwischen Verehrung, Massenware und Event

6_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllnVermutlich geht es vielen wie Bettina Busse, der kommissarischen Leiterin des Neuköllner Kultur- amts. Schließlich ist Berlin weit davon entfernt, eine Hochburg für Anhänger des christlichen Glau- bens – oder gar des Katholizismus – zu sein. „Ich finde das Thema zwar spannend, hab aber per- sönlich bettina busse_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllndamit gar nichts zu tun“, be- kennt die Inte- rims-Nachfolgerin von Dorothea Kol- land (l.) vorgestern bei der Eröffnung einer neuen Ausstellung in der Ga- lerie im Körnerpark. „Maria breit den Mantel aus …“ heißt sie und zeigt Eindrücke und Reliquien, die das Künstlerehepaar Kandl von Reisen zu Marienwall- 3_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllnfahrtsorten mitgebracht hat. In verschiedenen Regionen der Welt wa- ren Johanna und Helmut Kandl unterwegs: Das bay- rische Altötting wurde ebenso bereist wie Lourdes, das slowakische Levoča, Medjugorje in Bosnien-Herzegowi- na und Guadalupe, ein Vorort von Mexiko-City, um dem Wunderglauben und rätselhaften Erscheinungen 7_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllnzu begegnen.

Es ist ein wahrer Madonnen-Flash, der die Besucher der Ausstellung umgibt. Maria auf Bildern in unter-schiedlichsten Darstellungen, als Statue in einer Bandbreite 4_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllnvon skurril bis ehrerbietig, auf Collagen und Reliefs. In einer völ- kerübergreifend plau- siblen Bildersprache, so Bettina Busse, werde der Huldigung Marias Aus- druck verliehen. Alles in allem, erzählt sie dann noch, würde die Ausstellung sie sehr an eine Patentante erinnern: „Mit ihrer Marienverehrung konnte ich schon damals nichts anfangen, aber ich fand dorothee bienert_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllnimmer, wenn das für sie gut und wichtig ist, dann ist es auch gut, es zu respektieren.“

Distanz und Respekt, die Herangehensweisen, mit denen religiöse Themen gemeinhin künstlerisch be- arbeitet werden, ersetzen Johanna und Helmut Kandl in ihrer Ausstellung weitgehend durch Humor und Ironie. „Ihnen ging es vor allem um das kulturhis-torische Phänomen der Marienverehrung, um Ein- blicke in verschiedene Kulturkreise und die mediale Inszenierung von Wallfahrten„, erklärt Kura2_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllntorin Doro- thee Bienert (l.). Die hohe Zahl der Kir- chenaustritte sei ein Aspekt, dem gegen- über stehe jedoch ein wachsendes Inte- resse an Religion und Spiritualität: Der Jakobsweg ist europaweit ausgebaut worden, Pilger-Events zu heiligen Stätten haben Hochkonjunktur. Und jeder vierte Deutsche gibt an, auf- geschlossen für Wunder, Geistheilungen und die Wirkung spiritueller Objekte zu sein, die als 1_kandl-vernissage_galerie im körnerpark_neuköllnMassenware hergestellt werden.

Statt diese Phänomene zu kritisch zu hin- terfragen oder ihre Reiseerlebnisse zu be- werten, haben die Kandls sie dokumenta- risch für die Betrachter aufbereitet. Das Augenzwinkernde ergibt sich dabei im Grunde erst durch die Zusammenstellung der Exponate und ihre Menge. Die Quantität ist es auch, die in der Videobox im hinteren Bereich der Galerie herausfordert: Der musikalisch untermalte Kurzfilm „Pygmalion“ zeigt in einer Doppelprojektion ge- mächliche und rasantere Sequenzen. Um Maria geht es bei allen.

Die Ausstellung „Maria breit den Mantel aus …“ ist noch bis zum 28. Juli in der Galerie im Körnerpark zu sehen (Öffnungszeiten: Di. – So. 10 – 20 Uhr).

Am 15. Juni um 17 Uhr findet im Rahmen der 48 Stunden Neukölln ein Künstlergespräch zum Thema „Staunen: Geschichten über Wallfahrer, sechsfingrige Madonnen und fliegende Häuser“ statt.

=ensa=

„Werkstatt Stadtkultur“: Dorothea Kolland öffnet ihre Schatztruhe

Wer Dorothea Kollands Nachfolge an der Spitze des Neuköllner Kulturamts antritt, steht noch nicht fest. Bis der oder die Neue gefunden ist und tätig wird, könne es durchaus noch bis zum Sommer dauern, meint Bettina Busse, Kollands ehemals engste Mitarbeiterin, die den Posten vorerst kommissarisch übernommen hat. „Nach 31 Jahren eine Arbeit aufzugeben, für die man brennt“, so die Neu-Rentnerin, „ist nicht einfach. Vor allem aber bin ich dankbar dafür, dass mir ein Aufgabenbereich anvertraut war, in dem ich sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten hatte und in dem kolland_werkstatt stadtkulturEntwicklung möglich war.“

Ihre Erfahrungen hat Dorothea Kolland nun in dem Buch „Werkstatt Stadtkultur“ zusam-mengetragen. Nein, stellt die 65-Jährige gleich im Vorwort fest, das Werk sei „kein Buch über Neukölln oder dessen Kultur-arbeit“, „keine Gebrauchsanweisung für kulturpolitisches Agieren“, „keine theore- tisch-wissenschaftliche Analyse“ und es er- zähle auch „keine Geschichten“.

Was aber ist es dann? Zuallererst eine Schatztruhe voller Texte aus über 15 Jahren, die für Dorothea Kolland Grundlage von Vorträgen waren und in diversen Publika-tionen veröffentlicht wurden. Reflektierend und selbstevaluierend arbeitet sich die re- nommierte Kulturpraktikerin durch die Palette der Themen, die unter den Oberbegriffen Kunst, Kultur, Bezirksgeschichte und Stadtentwicklung ihre Amtszeit prägten und meist eng mit Aspekten des Inter- kulturellen verknüpft waren. Zugleich ist die kommentierte Aufsatzsammlung die (selbst)kritische Inspektion eines Arbeitslebens, dessen mannigfaltige Erfahrungs- schritte im Buch ebenso transparent werden wie Lern- und Umdenkprozesse, die vor dem Hintergrund eines sich ständig verändernden Bezirks notwendig wurden.

„Heute“, findet Dorothea Kolland, „ist er bunt, laut, widersprüchlich, arm – und zu- gleich unendlich reich an Menschen, die den neuen Spirit of Neukölln prägen.“ Weltbürger nennt sie sie, und die Kulturlandschaft Neuköllns eine „Melange der alten Unangepasstheit und der neuen Internationalität“.

Auch wenn „Werkstadt Stadtkultur“ kein Buch über Neukölln und dessen Kulturarbeit sein soll, ist es das doch – und sehr aufschlussreich. Zudem tun diejenigen, die in Kollands berufliche Fußstapfen treten wollen, gut daran, sich mit dem gedruckten belastbaren Erfahrungswissen der Vorgängerin zu beschäftigen. Patentrezepte für eine erfolgreiche Zukunft gibt sie ihnen nicht mit auf den Weg, wohl aber die Erkenntnis, dass die „große Herausforderung von Stadtkulturarbeit ist, dass sie immer vor neuen Aufgaben  steht und es  nie fertige Rezepte  gibt.“

=ensa=

Mutter-Sohn-Dialog mit künstlerischen Argumenten

7_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnIhre Namen lassen es nicht vermuten: Farkhondeh Shah- roudi und Azin Feizabadi sind Mutter und Sohn. Schon deshalb sei ihre Ausstellung „(Un)written – (Re)written“ eine sehr besondere, sagte Neuköllns Kulturstadträtin Franziska Giffey bei der Vernissage in der Galerie im Körnerpark: „Werke von Mutter und Sohn in einer gemein- samen Ausstellung, das haben wir hier zum ersten Mal.“

v. l.: Dorothee Bienert (Kuratorin der Ausstellung), Bettina Busse (kommissarische Leiterin der Neuköllner Kulturamts), Dr. Franziska Giffey (Kulturstadträtin von Neukölln)

v. l.: Dorothee Bienert (Kuratorin), Bettina Busse (kommissarische Leiterin der Neuköllner Kulturamts), Dr. Franziska Giffey (Kultur-stadträtin von Neukölln)

Doch es seien nicht die engen Familien- bande allein, die die Ausstellung zu etwas Besonderem machen, betonte Giffey. Farkhondeh Sharoudi und Azin Feizabadi würden ihre „Rucksäcke des Welt- bürgertums“, wie sie viele Neuköllner tragen, in der Galerie im Körnerpark präsentieren und so überraschen, Stoff für Inspiration liefern, man- che Frage beantworten, anderes aber auch im 9_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnUnklaren lassen.

Entstanden ist ein spannender Dia- log der Generatio- nen, des Verarbei- tens von Erfah- rungen und der künstlerischen Genres. Shahroudi, die 1962 in Teheran geboren wurde und seit 2008 in Neukölln lebt, führt den vor allem mit Stoff-Objekten Skulpturen und Installationen. Feizabadi, 20 Jahre nach seiner Mutter in Teheran geboren und  1990 mit ihr nach Deutschland gekommen, antwortet mit seinem mehrteiligen Filmprojekt „A Collectiv Memory“  und seiner  performativen  Fahnen-Serie, bei der er  mittels  Scha-

6_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neukölln2_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neukölln1_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neukölln

blonendrucken ideologische Sätze zu den Themen Körper, Verletzung und Heilung verarbeitete.

„Den engen künstlerischen Austausch vor und in der Ausstellung sahen beide als Experiment“, erklärte Kuratorin Dorothee Bienert. Eine Schnittstelle des kreativen 8_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnWirkens von Künstlerin und Künstler hatte es aber schon früher gegeben: Aus einem Foto, das das Gesicht der Mutter zeigt, hatte Azin Feizabadi eine Schablone angefertigt.  2004 sprühte er das Konterfei als Graffiti auf Kreuzberger Wände, um Farkhondeh Shahroudis politisches Engage- ment während der iranischen Revolution 1979 zu ehren. Seit 2006 sind Fotos des Graffitis in diversen Magazinen und Zeitungen erschienen, um die Multikulti-Debatte zu bebildern. Feizabadi sammelte alle gedruckten Zweckentfremdungen, signierte die Veröffentlichungen 5_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnund erklärte sie so wieder zu Bestandteilen seines Portfo- lios. In einer Vitrine vis-à-vis des Eingangs zur Gale- rie sind die Werke nun zu sehen.

Farkhondeh Shahroudis Arbeiten haben meist Dimensionen, die nicht schaukastentauglich sind. Ihr aus schwarzem Stoff handgearbeiteter Rhizom-Drache (2. Foto rechts) hängt über den Köpfen der Ausstellungsbesucher. Einige seiner vielen, mit orientalischen Schriftzeichen versehenen Hände reichen fast bis zum Boden, andere baumeln in Schulterhöhe und verleiten zum Zugreifen und genaueren Betrachten. Ihr Doppel-Poet thront auf einem Podest mitten in der langgestreckten Galerie und erinnert daran, die Beschäftigung mit der poetischen Aussage aller Werke 4_f.shahroudi+a.feizabadi_gal körnerpark_neuköllnnicht zu vergessen. Die spiele bei beiden Künstlern trotz unter- schiedlichster Ansätze eine große Rolle, sagte Dorothee Bienert.

Auch in anderer Hinsicht sei „(Un)written – (Re)written“ eine sehr besondere Ausstel- lung, fiel der Kuratorin noch ein, bevor sie zum Rundgang durch die Galerie bat: „Ein großer Dank geht an das Technik-Team, das nur drei Tage Zeit zum Aufbau der Werke hatte, weil erst ein Wandstück der Galerie saniert werden musste.“

Die Ausstellung „(Un)written – (Re)written“ wird noch bis zum 17. März in der  Galerie im Körnerpark  gezeigt; Öffnungszeiten: Di. – So. 10 – 20 Uhr.

Bei einer Rahmenveranstaltung können 9- bis 13-Jährige am 9. März in einem Workshop (14 – 17 Uhr) aus Bilder und Texten Schablonen erstellen und mit diesen Stoffe bedrucken (Anmeldung: Tel. 030 – 56 82 15 45). Am 16. März um 17 Uhr findet eine Finissage mit Künstlergespräch und Per- formance statt.

=ensa=

„Ich glaub, dass sich der Bezirk Neukölln nie wieder mit jemandem namens Kolland belasten wird“

Es fällt schwer, sich den Zustand der imposanten Galerie im Körnerpark anno 1982 vorzustellen. „Rohbau, kein Fußboden, unverputzt, kein Licht, kein gar nichts. Der ganze Raum wurde vom Neuköllner Garten- bauamt als Abstellfläche für Gerätschaften und Pflanzen genutzt“, beschreibt Dorothea Kolland, die junge, unverbrauchte Verrückte von damals. Nein, ein Dienstvergehen von ihr sei es nicht gewesen, die Orangerie zum prächtigen Rahmen für kulturelles Leben zu machen, nur eine Guerilla-Aktion – gemein- sam mit dem damaligen Leiter des Hoch- bauamts. Dass der gesamte Park seinerzeit zum Gartendenkmal umgestaltet und „ordentlich Geld für die Renovierung des Gebäudes“ in die Hand genommen wurde, kam der zugute. „Aber das Entscheidende war“, so Kollands Einschätzung, „dass ich einfach voller Überzeugung mein Ding durchgezogen hab und auch andere Leute damit überzeugen konnte.“ Daraus, dass das leichter war als es heute wäre, macht sie keinen Hehl: „So  massive Neins wie jetzt von Buschkowsky, hab ich früher nie erfahren.“ Obwohl es auch mit den vier anderen Bezirksbürgermeistern oft nicht leicht gewesen sei. Zwischenmenschlich habe es mit Frank Bielka am besten geklappt, der den Bezirk von 1989 bis 1991 lenkte und heute Vorstandsmitglied der Wohnungsbaugesellschaft degewo ist: „Aber das war finanziell durch die Wende und den Wegfall der Berlin-Förderung eine schwierige Zeit.“

Schwierigkeiten anderer Art hatte Dorothea Kolland dagegen in den Anfangsjahren zu bewältigen: Sie musste die Rollen als junge Mutter sowie als Chefin des Kulturamts und Leiterin der neuen Galerie im Körnerpark, die furios mit einer Ausstellung von Markus Lüpertz eröffnet hatte, unter einen Hut bringen. „Weil ich oft bis Mitternacht in der Galerie war, war meine Tochter meistens auch mit dabei. Anders ging es nicht.“ Sehr prägend sei diese Zeit gewesen, sagt sie rückblickend. Natürlich habe es zu ihren Hauptaufgaben gehört, Kunst zu managen und Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich das Publikum Kunst einverleibt und ins Theater, zu Ausstel- lungen oder in Konzerte geht. „Aber wenn ich mich nur mit Administration aufge- halten hätte, wäre ich verrückt geworden. Deshalb wollte ich bis zuletzt auch oft da sein, wo Kunst gemacht wird.“

Doch Dorothea Kolland hat sich in Neu- kölln nicht nur als Entwicklungshelferin in Sachen Kunst und als Kulturmanagerin verdient gemacht. Auch manche ge- schichtsträchtige Immobilie, wie zum Beispiel das so genannte Büdner-Dreieck zwischen Saalbau und Passage, konnte durch ihren Einsatz vor dem Abriss gerettet werden. „Da, wo die ältesten Häuser der Karl-Marx-Straße stehen, sollte Mitte der 1980er-Jahre auf die Schnelle ein Kaufhaus hochgezogen werden“, erzählt sie. „Als ich das erfuhr, haben wir in Windeseile eine Ausstellung fürs Heimatmuseum gemacht, die die Historie des Büdner-Dreiecks dokumentierte und den Landeskon- servator eingeschaltet.“ Das sei auch wieder so eine Guerilla-Aktion gewesen: „Innerhalb von 14 Tagen haben wir jeden- falls so etwas wie Denkmalschutz auf den Häusern gehabt, und der geplante Abriss musste zum Ärger der Grundstückeigen- tümerin abgeblasen werden.“

Wie es nun mit der Karl-Marx-Straße wei- tergeht, das hält die scheidende Kultur-amtsleiterin neben der noch wichtigeren Frage der Mietenentwicklung für einen der entscheidenden Schlüssel für die Zukunft des Bezirks. „Um die festen Kultureinrichtungen mache ich mir keine Sorgen, die sind in gutem Zustand und gut akzeptiert.“ Sie hält kurz inne. „Eigentlich bin ich optimistisch, dass es bei einigen gentrifizierungsgefährdeten Kiezen bleibt und der Norden des Bezirks an sich auch künftig international gemischt sein wird.“ Aber das werde nicht von alleine passieren. Da hätten der Staat, der Senat und natürlich auch der Bezirk durchaus Aufgaben: „Sie müssen Rahmenbedingungen schaffen und das Bleiben attraktiv machen. Aber die Erkenntnis, ist zumindest mein Eindruck, ist noch nicht genügend an den entsprechenden Stellen angekommen. Dazu, dass eine Horde von Künstlern oder Studenten kurz einfällt und dann wieder weg ist, darf es nicht kommen. Und außerdem muss verhindert werden, dass Familien mit Kindern wegziehen, wenn die eingeschult werden.“ Darum müssten sich Senat und Bezirk kümmern, weil in erster Linie davon die Zukunft Neuköllns abhänge.

Für ihre eigene Zukunft hat Dorothea Kolland profanere Wünsche, die jedoch auch nicht ohne Tücken sind: „Viel lesen will ich, alles. Und reisen, viel reisen, was allerdings etwas schwierig ist, weil ich sehr gerne zusammen mit meinem Mann reise, der aber blöderweise als Präsident der Landesmusikrats dauernd ehrenamtliche Termine hat. Und außerdem möchte ich natürlich Zeit für mein Enkelkind haben, das in wenigen Monaten zur Welt kommen wird.“

Es ist zweifellos die 31-jährige Er- folgsgeschichte einer so engagierten wie nonkonformistischen und unbe- quemen Frau, die am letzten Tag die- ses Monats zu Ende geht. Das meiste von dem, was Dorothea Kolland an- packte, hat sie auch geschafft. „Aber leider nicht alles“, gibt sie zu. „Ich hätte zum Beispiel unheimlich gerne ein Ausstellungsprojekt mit Kindern, Medizinern, Pfarrern und Psychologen zum Thema „Kinder und Tod“ gemacht, weil das Thema so wichtig ist, aber nie richtig behandelt wird.“ Und außerdem sei es ihr nicht gelungen, die Politik davon zu überzeugen, dass man die Künstlerförderung finanziell stärker ausgestattet werden muss. „Neukölln“, erklärt sie, „hat in diesem Topf für dezentrale Kulturarbeit genauso viel Geld wie vor fünf Jahren. Bloß war eben damals höchstens die Hälfte der Künstler in Neukölln.“ Darauf müsse man doch reagieren und könne das nicht einfach so treiben lassen. „Und was mir wirklich sehr leid tut, ist, dass dieses Jahr zum ersten Mal kein Kiez International stattgefunden hat, weil es mir nicht gelungen ist, in den letzten 12 Monaten eine neue Konzeption zu entwickeln.“ Das sei letztlich an der mangelnden politischen Unterstützung und den nur sehr beschränkten personellen Möglichkeiten des Kulturamts gescheitert. „Ich hatte oft in der Kulturszene und auch im Kollegenkreis die Rolle ‚Die Kolland wird’s schon richten‘, aber es gibt eben auch Situationen, wo das nicht funktioniert, vor allem nicht alleine.“ Für solche konzeptionellen Arbeiten habe sie lediglich eine Mitarbeiterin gehabt.

Eben die, die derzeit – nach einem Intermezzo von Museumsleiter Udo Gößwald – kommissarisch den Chefinnensessel im Neuköllner Kulturamt übernommen hat: Bettina Busse. „Ich werde die Letzte sein, die erfährt, wer meine Nachfolge antritt“, glaubt Dorothea Kolland. Ebenso, dass sich der Bezirk Neukölln nie wieder mit jemandem namens Kolland belasten wird.  „Was klar ist, ist, dass ich den Posten schon gerne in guten Händen wüss- te. Egal ist es mir also absolut nicht“, versichert sie.

Die FACETTEN-Magazin-Redaktion und die Brennans danken für die spannende Zeitreise durch die Neu- köllner Kulturgeschichte, wünschen Dorothea Kolland einen wunderbaren Ruhestand und ihrem/r Nachfolger/in viel Erfolg.