Der schönste Tag im Jahr – Weihnachten mit Frank Zander

21. obdachlosenfest estrel berlin-neukoelln„Oooooaaah, is dit schööön!“, ruft die Frau direkt vor mir ihrer Begleitung zu, und ich bekomme schon eine Gänsehaut, bevor ich den Saal des Estrel Hotels, zu Frank Zanders 21. Weihnachts-feier für Obdachlose und Bedürf-tige, überhaupt betreten habe.

Letztes Jahr war ich nicht da. Zeitprobleme einer Studentin. Umso glücklicher bin ich, dass es dieses Jahr geklappt hat. Denn ich musste feststellen, dass für mich ohne dieses liebevoll arrangierte Fest mit seinen über 2800 Gästen und 250 Helfern Weiterlesen

Unter Hipstern: Mit Uli Hannemann zu den Kreuzköllnern

Ich hatte ja ein bisschen gehofft, denjenigen bei der Buchpräsentation von Uli Hannemanns erstem Roman „Hipster wird’s nicht“ zu treffen, der mich Neuköllnerin uli hannemann_heimathafen neuköllnauf diesen Autor gebracht hat: ein Kreuz- berger mit Geschmack und der gleichen Vorliebe für Hipster-Lästereien. Das Publi- kum vorgestern Abend im Heimathafen Neukölln sah auch irgendwie nach Kreuz- berg aus – ab 30 aufwärts und mehr oder weni- ger intellektuell wirkend. Nicht ein Hipster in Sicht. Für mich ein guter Start in den Abend.

Es wurde so voll im Saal, dass den begeisterten Zuhörern sogar die Ränge geöffnet wurden. Immer wieder lachend und klatschend, lauschten wir alle der Weiterlesen

Mimi sucht …

Anna Sinnlos_4_mimiIch liebe meine Mimi, nur um das direkt klarzustellen! Und eben weil ich das tue, suche ich für sie ein neues Zuhause: Mimi ist eine kleine getigert-bunte Katze mit sehr viel, sehr weichem Fell, was mich vermuten lässt, dass sie entweder eine halbe Perserin oder so was ist, oder aber ein bisschen Kaninchen im Spiel war. Sie ist eine ganz besondere Katze. Mimi ist besonders kuschlig und verschmust. Besonders anhänglich und menschen-Anna Sinnlos_1_mimibezogen, und auch ihr Charakter ist sehr besonders.

Als meine Nachbarn Mimi zu sich holten, war sie noch viel zu jung um ohne Mama zu sein. Leider kümmerte sich die Familie auch nicht wirklich gut um sie. Denn als die kleine Katze hohes Fieber hatte, haben sie sie einfach ins Bad eingesperrt, anstatt mit ihr zu einem Tierarzt zu Weiterlesen

„Darf ick dit wirklich allet mitnehm?“

trixie-tisch_frank zanders obdachlosenfest_estrel_neukölln„Ham Se och wat für Katzen?“, „Kann man dit och für Ratten nehmen?“ oder „Darf ick dit wirklich allet mitnehm?“ Das sind die Fragen, die den guten Helfer- lein am Trixie Heimtierbedarf-Stand gestern bei Frank Zanders 19. Weihnachtsfest für Obdachlose und Be- dürftige pausenlos gestellt werden. Insgesamt 17.000 Geschenkbeutel mit Hundefutter und -leckerlies oder geschenke für hundehalter_frank zanders obdachlosenfest_estrel_neuköllngleichem für Katzen und Nagetiere, Kratzbäume, riesige Schlafkissen, Transportboxen, Leinen, Geschirre, Halsbänder füllen die Tische im Ho- tel Estrel. Auch die Tierarztpraxis Peter Rosin ist wieder vor Ort. Schon eine Stunde nach Einlass Weiterlesen

Keine Katzennot bei Frau Noto

4_katzen in not e.v._neuköllnAuf 125 Quadratmetern plus zahlreichen Hochebenen, verteilt auf drei Zimmer mit über 40 Toiletten, leben meist um die 30 Katzen bei Ingrid Noto und ihren Hel- 3_katzen in not e.v._neuköllnfern in einer Par- terrewohnung in der Emser Straße in Neukölln. Kat- zen in Not Berlin heißt der gemein-nützige Verein, der in Not geratenen Katzen und ihren Besitzern seit rund neun Jahren zur Seite steht.

Seit 1995 ist Ingrid Noto im Tierschutz tätig und kann darüber viel erzählen. Schöne Geschichten mit Happy- End und unschöne, die oft auch von ignoranten Menschen handeln, Weiterlesen

Sargenhaftes Dope in der Neuköllner Oper

„Mein Beileid“ heißt es zur Begrüßung an der Eingangstür zum Studio der Neuköllner Oper. Ein Sarg steht auf der Bühne. Naja, das war zu erwarten, bei einem Stück 1_Sarg Niemals Nie_© Philipp Plum_Neuköllner Opernamens „Sarg Niemals Nie“, das in einem Bestattungsunter-nehmen spielt. Ein Sarg, eine Schrankwand mit Urnen, und Dakmar  und David  ziehen sich erst mal einen Joint rein, nachdem sie über die letzten Trauergäste abgelästert haben. Schwarzer Humor, der Tod als Stoff zum Totlachen. Weiterlesen

Helene Nathan 2.0

Ich gebe es zu, ich finde Menschen manchmal ja auch doof und habe auf manche Gespräche wirklich keine Lust. Aber noch viel weniger möchte ich mit Automaten ausleihe-medienselbstverbuchung_helene-nathan-bibliothek neuköllnplaudern. Jetzt stehen allerdings ebensolche, von denen ich mir etwas sagen lassen soll, in der Helene-Nathan-Bibliothek in den Neu- kölln Arcaden: Selbstverbuchung heißt das System, das seit einigen Wochen per RFID (Radio-Frequency Identification) die automa- tische Identifizierung von Büchern und ande- ren Medien erlaubt.

Natürlich gibt es dem Eingang zur Bibliothek einen ganz neuen Charme. Den des Check-In-Bereichs eines Flughafens beispielswei- se, obwohl, nein, da sind ja mehr Menschen. Eher den einer Pfandflaschenrückgabe- oder Geldautomaten-Halle oder so. Auf jeden Fall den, den ich nicht erwarte und haben möchte, wenn ich in eine Bibliothek gehe. Alles noch anonymer, noch automatischer, noch unpersönlicher. Weiterlesen

Was tun, wenn es knallt?

Wenn mein Nachbar seiner Frau – mal wieder – das Gesicht mit den Fäusten neu verziert und ich sie schreien und weinen höre, stehe ich seit Jahren vor derselben Frage: Was tun? Diskussionen mit anderen Nachbarn offenbarten auch deren Ratlosigkeit. Ist es richtig sich einzumischen? Und wenn ja: wie? Schön, dass es die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG), gibt. Hier kümmert man sich um Frauen und Kinder, die häusliche Gewalt erleben müssen, und bietet auch Menschen, die nicht wissen wie sie helfen sollen, Rat.

Jenni Rotter+Forumtheater Häusliche GewaltHarald Hahn+Forumtheater Häusliche GewaltMittwoch stellten Jennifer Rotter vom BIG e. V. und der Theaterpädagoge Harald Hahn im Studio des Heimat- hafen Neukölln das jüngste Ergebnis ihrer Arbeit vor: „Keine Angst vor Hilfe“, eine mit Laiendarstellerinen in einem dreitägigen Workshop als Forumtheater erarbeitete Inszenierung. Forumtheater ist das von dem Brasilianer Augusto Boal entwickelte „Theater der Unter- drückten“, eine Theaterform, bei der die  Zuschauer nicht passiv bleiben müssen, sondern aktiv mitwirken können. Denn oftmals stellen wir uns theoretisch Situationen vor und wie wir handeln würden, bewegen uns in der Praxis dann aber ganz anders. Vor allem in unbeForumtheater Häusliche Gewalt+Heimathafen Neuköllnrechenbaren Extremsituationen. Diese Theaterform bietet eine Übungsfläche.

Die acht Darstellerinnen im Alter zwi- schen etwa 20 und etwa 50 Jahren spielten zwei Alltagssituationen häus- licher Gewalt durch. Und das Publi- kum wurde aufgefordert sich einzu- mischen, den Platz einer Darstellerin einzunehmen und so zu agieren, wie man es selbst gern im Ernstfall tun würde. Es war beeindruckend und bedrückend. Die Situationen realistisch dargestellt. Die Menschen in ihrer Ratlosigkeit oder auch Ignoranz gut getroffen.

Mir war es ein wenig zu sozialpädagogisch im Zuschauerraum. Aber die Atmosphäre war gut. Manche der Frauen und Männer im Publikum erzählten von ihren Erfah- Heimathafen Neukölln+Forumtheater Häusliche Gewaltrungen mit Gewalt, und am Ende der Szenen zeigte Jennifer Rotter auf, was es noch für Reaktionsmöglichkeiten gibt. Denn wichtig ist natürlich der Selbst- und Opferschutz in eskalie- renden Situationen.

Harald Hahn führte souverän durch diesen außergewöhnlichen und lehr- reichen Theaterabend, für den leider keine Wiederaufführung geplant ist. Dabei müsste das Thema „Häusliche Gewalt“, von dem statistisch jede vierte Frau in Deutschland betroffen ist, dringend mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, damit mehr Opfer und mehr, die helfen wollen, sich trauen etwas zu unternehmen.

Ich rief immer wieder die Polizei, wenn es nebenan wieder losging. Inzwischen reicht es auch schon, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass ich Ohrenzeugin und bereit bin, die Ordnungshüter zu rufen. Da aber meine Nachbarin ihren Gatten nicht verlassen möchte, kann ich mehr leider nicht tun. Denn auch das offenbarte der Abend: Wenn ein Opfer nicht bereit ist, sich helfen zu lassen, hat man nur eine sehr geringe Handhabe. Aber hilflos ist man nicht. Ich wünsche mir mehr Zivilcourage – und das nicht nur in Neukölln.

=Anna Sinnlos=

Roter Teppich für die Hermannstraße

Heute geht die diesjährige Berlinale zu Ende, gestern wurden die Bären verliehen, berlinale goes kiez_neues off_neuköllnund schon vorgestern endete die Reihe „Berlinale goes Kiez“ im Neues Off in der Neuköllner Hermannstraße.

Die Vorbereitung für die Kiez-Berlinale hat bereits im November begonnen, erzählt mir Projektleiterin Johanna Muth. Pro- grammkino, die Interesse und genug Kapazitäten haben, wurden gesucht und ausgewählt. Auf das Neues Off, das 1919 als Varieté eröffnet wurde, jahrelang ein Schmuddelkino namens Eros Cine Center war und seit 1979 zur Yorck-Kinogruppe gehört, fiel die Auswahl bereits zum zweiten Mal seit Bestehen der Veranstaltungsreihe. Dass es Besucher, die das erste Mal hier berlinale goes kiez-team_neues off neuköllnsind, nach dem Passieren des kleinen Foyers gern mit seinem sehr schönen und vor allem großen Kinosaal überrascht, war einer der Pluspunkte.

Für mich hatte es gestern eine andere Überraschung parat: Zu meiner großen Trauer ist der Kiezkino-Pate Hans-Christian Schmid, Regisseur von „Nach fünf im Ur- wald“, „Am Ende kommen Touristen“ und „Was bleibt“, kurzfristig erkrankt und so konn- te ich nicht fragen, was ihn denn mit Neu- kölln verbindet und wie er zur Patenschaft kam. Aber von hier aus: Gute Besserung!

Dass ich den Wettbewerbsfilm „Layla Fourie“ nicht sehen würde, wusste ich schon vorher. Leider war die Nachfrage größer als die Zahl der Kinosessel. Vor Beginn des Films erfahre ich aber noch aus einem kurzen Interview mit dem schüchternen, kleinen Hauptdarsteller Rapule layla fourie-team_neues off neuköllnHendricks (r.), dass ihm die Dreharbeiten so viel Spaß gemacht haben, dass er gern mehr in Filmen spielen möchte.

„Layla Fourie“ ist von der in Südafrika aufgewachsenen, seit Jahren in Ber- lin lebenden Regisseurin Pia Marais (2. v. l.) und erzählt von einer allein erziehenden Mutter, gespielt von Ray- na Campbell (l.), die sich und ihrem Sohn (Rapule Hendricks) durch Gele- genheitsjobs in Johannesburg über Wasser hält. Das Ganze entwickelt sich zu einem Politthriller, der den südafrikanischen Alltag und seine düsteren Hintergründe auf- layla fourie_neues off neuköllnzeigt. Da ich unter anderem gern wüsste, welche Szene mit einem Telefon Rapule verängstigt hat, obwohl er viel stärker war, werde ich mir den Film ein anderes Mal ansehen.

Ganz am Ende sei aber unbedingt noch gesagt, dass so ein roter Teppich der etwas düsteren Hermannstraße ausge-sprochen gut steht!

=Anna Sinnlos=

Eine etwas andere Oper in der Neuköllner Oper

2_opera aliens lab_rebgetz+hankinson_neuköllner oper„Skurril“, war das Erste, was ich dachte, als ich in der Neuköllner Oper das „Institut für Postneurotisches Musiktheater“ betrat. „Skurril“, war das, was ich dachte, als ich es gut anderthalb Stunden später wieder verließ.

„The Opera Aliens Lab III“ wurde gestern in der Neuköllner Oper urauf- geführt und ich war mittendrin:  Ich hatte einen Raum betreten, nein, eine Sphäre, dekoriert mit bekannten und unbekannten Artefakten der ersten beiden Teile des Opera Aliens Lab. Zahlreiche Musikinstrumente, Fotos, Interviews, Klamotten und eine riesige Nachbildung unserer Stimmbänder sind nur ein Bruchteil dessen, was 1_opera aliens lab_rebgetz+hankinson_neuköllner operangeguckt und angefasst werden durfte.

Der Raum war klein und voll, aber durchaus gemütlich. Das Publikum war wenig gemischt. Nur neben mir saß ein reichlich deplatziert wirken- des, aufgetakeltes, älteres Paar, welches bis etwa zur Mitte des Programms laut vor sich hinpöbelte. Erst als sie dann von dem Performer Damian Rebgetz freundlich ange- sprochen wurden und – immer noch pöbelnd – den Raum verließen, war ich sicher, dass sie nicht zum Ensemble gehört hatten. Rebgetz und sein Performance-Partner 4_opera aliens lab_rebgetz+hankinson_neuköllner operPaul Hankinson nahmen es sportlich – und das Publikum amüsierte sich. Es gibt eben einen neuen Zeitgeist der Oper und der ist nicht unbedingt für alle zugänglich. Und irgendwie geht es eben genau darum, 5_opera aliens lab_rebgetz+hankinson_neuköllner operin diesem „performa- tiven Forschungspro- jekt“.

Die Aufführung selbst begann mit einer klei- nen Zusammenfas- sung der ersten beiden Teile. Sie miterlebt zu haben, wäre sicher von Vorteil gewesen, auch weil die in den Fernsehern links und rechts gezeigten Ausschnitte sehr spannend aussahen.

Ich gebe zu, dass ich ab und an nicht so ganz durchblickte, aber es war charmant. Mit nett interpretierten Liedern, gutem Entertainment, viel Einsatz von Malkreide und 3_opera aliens lab_rebgetz+hankinson_neuköllner operinteressantem Erzählten. Manchmal etwas holperig und irgendwie experi- mentell.

Wenn man bereit ist sich darauf einzulassen, sollte man die vielen Stufen zum Studio der Neuköllner Oper einfach mal erklimmen und sich diesem neuen, manchmal skurrilen Zeitgeist hingeben.

Weitere Aufführungen von „The Opera Aliens Lab III“: morgen und über- morgen um 22.30 Uhr in der Neuköllner Oper; Eintritt: 13 bzw. 21 Euro (erm. 9 Euro)

=Anna Sinnlos=

Neues Jahr – neues Glück

Jedes Jahr nehmen wir uns vor, was wir dieses Mal besser machen wollen: In diesem Jahr wird alles anders. Ich höre auf zu rauchen, zuviel zu essen, zu trinken, 2013Blödsinn zu schreiben oder zu sagen. Oder ähnliches. Doch in den meisten Fällen ändert sich nichts.

Genau darüber schreibt auch Claudia Langer, Gründerin von utopia.de – Die Verbraucher-machtzentrale und Autorin der Streitschrift „Die Generation Man-müsste-mal“ in ebendieser. Sie spricht die Defizite unserer Konsumgesellschaft aus, die sich gern schon für sozial und ökologisch hält, weil sie einmal bio gekauft haben und manchmal sogar ihren Müll trennt. Sie hält uns den Spiegel vor. Das ist nicht sehr schön, aber dringend notwendig. Denn unser Klima, unsere Wirtschaft, unsere Bildung, unsere ganze Welt geht den Bach runter. Und Claudia Langer zeigt uns, dass wir zwar viel reden, aber im Grunde wenig tun.

Zugegeben, ich habe mich schwer getan. Schon auf den ersten Seiten fühlte ich mich erkannt, getroffen und dadurch angegriffen. Denn ich bin auch so ein Man-müsste-mal-Sager.

Doch Claudia Langer stellt sich selbst nicht als Heilige hin, und sie erwartet auch nicht von uns, dass wir Heilige werden. Sie klagt an und das seitenlang. Jedoch sie weiß, was sie tut. Und wenn man es schafft, sein Ego und seinen inneren Schweinehund zu überwinden und einfach mal weiterliest und reflektiert, wird manclaudia langer, die generation man-müsste-mal feststellen, dass die Frau recht hat. Dass es Zeit wird, endlich mehr zu tun, als nur zu reden, und dass man gar nicht so ein kleines Licht ist, wie man denken mag. Vor allem aber, dass auch kleine Dinge Großes bewirken können. Denn die Unternehmerin tadelt eben nicht nur, sie zeigt auch Lösungs- ansätze und Ideen auf. Sie stellt sich ihren Lesern in Diskussionen, zum Beispiel bei der Buchpräsentation von „Die Generation Man-müsste-mal“ im Heimathafen Neu- kölln oder auf ihrer utopia-Plattform. Sie möchte diskutieren und anregen und im Zweifel auch streiten. Hauptsache, es passiert endlich etwas und die Menschen fangen an sich zu bewegen. Jeder wird aufgefordert sich einzumischen und endlich wirklich einzubringen, gerne auch mit eigenen Ideen.

Also, planen wir doch heute einfach mal was Gutes für dieses neue Jahr – und ziehen das dann auch durch! Liebe Claudia Langer, ich nehme mir fest vor, endlich wirklich bewusst zu konsumieren und zu leben!

Allen einen guten Rutsch gehabt zu haben und  ein wunderschönes 2013!

=Anna Sinnlos=

„Weihnachten ist warme Füße!“

8_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnJa, sie würde es wieder tun, sagt sie und unterstreicht das Ja verbal und hängt ihm einige Ausrufezeichen an. Elisabeth Herr- manns Antwort ist eindeutig. Die erfolg-reiche Krimiautorin war erstmals Helferin beim jährlichen Obdachlosenfest von Frank Zander im Neuköllner Estrel Hotel. Gefühl- te 30 Kilometer sei sie gelaufen, während sie unter anderem Bier verteilte und Tisch-decken zuschnitt. Die unfassbare Hilfs- bereitschaft aller hat sie fasziniert, und der Satz einer Frau, die mit Schuhen aus der Kleiderkammer beschenkt wurde, hat sich tief in Elisabeth Herrmanns Herz 4_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnge- graben: „Weihnachten ist warme Füße!“ Mit wie wenig man Menschen doch strahlen lassen kann.

Wobei wenig auch bei Frank Zanders 18. Weih- nachtsessen für Obdachlose definitiv nicht die Devise ist. Die Tische für die knapp 3.000 Gäste 11_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnsind nicht nur sehr schön gedeckt, son- dern zudem voll mit Getränken und diversen Weihnachtsleckereien.

Noch im letzten Jahr hatte Elisabeth Herrmann als rbb-Mitarbeiterin vom Fest berichtet, in diesem Jahr wollte sie selber mit anpacken: Als sie dann auf Frank Zanders Facebook-Seite das frank zander_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnHelfergesuch las, schrieb sie direkt eine Mail, bot ihre Unterstützung an, bekam eine Zusage – und nun ist sie heiser, total platt, aber glücklich.

Seit 8 Uhr sind die etwa 100 freiwilligen Helferinnen und Helfer in den roten und gelben Shirts im Estrel im Einsatz. Bis gegen 21 Uhr werden sie wohl bleiben. Das ist etwas länger als sonst, weil es zum ersten Mal auch Gänsebraten für die Helfer gibt, nach den Feierlichkeiten für die Wohnungslosen und Bedürftigen.

„Dass hier auch Alkohol ausgeschenkt wird, finde ich nicht gut, muss ich sagen“, erzählt mir eine freundliche Helferin im gelben Shirt. Aber ansonsten wäre es eine wirklich gute Sache hier. Sie ist Rentnerin und arbeitet ehrenamtlich bei der Bahn- hofsmission und bei Laib und Seele. Viele ihrer Kunden treffe sie hier, sagt sie, und alle freuen sich darüber und sind mehr als dankbar für das, was hier Gutes auf die Beine gestellt wird. Das Thema Alkohol ist neben der Tatsache, dass am Ende alle 1_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnwieder in die Kälte raus müssen, der einzige Punkt, der zu weniger Begeisterung beiträgt.

Immer wieder sind Gäste und Helfer zu sehen, denen die Tränen der Rührung über die Wan- gen laufen. Alles ist einfach überwältigend. Der Saal ist riesig und sehr schön weihnachtlich geschmückt und beschallt.

Unglaubliche Spendenmengen sind eingegan- gen. Die Tische, mit den liebevoll verpackten Geschenken für die Kleinsten, biegen sich 5_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnunter der Last. An alles ist gedacht. Es gibt einen Pfarrer, 25 im Akkord arbeitende Friseure vom bbw Bildungswerk, medizinische Versor- gung, einen Tierarzt, Hundefutter, Tabak und Geschenke für alle. Engel laufen von Tisch zu Tisch und verteilen 3_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnSchokolade und Zigaretten. Ein Clownspärchen verbrei- tet gute Laune und Seifenblasen, ein Leierkastenmann 2_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnleiert.

Natürlich fehlen auch die hochkarätigen Stars nicht. Als sie anfangen, Teller mit Rotkohl, Klößen und Gänse- keulen zu verteilen, schmet- tert Frank Schöbel gerade „Oh Tannenbaum, du trägst ein grünes Kleid“. Sehr ergreifend. Cem Özdemir, Wolfgang Bahro, Bürger Lars Dietrich, Graciano Rocchi- 9_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllngiani, der inzwischen 91-jährige Herbert Köfer, Frank Kessler und Peer Kusmagk sind nur einige der Prominenten, die gut gefüllte Teller zu den Gästen bringen. Auch Neu- 10_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnköllner Polit-Prominenz betätigt sich kellnernd. Besonders sympathisch sind diejenigen, die nicht lange mit den Tellern für die Fotografen posen, sondern denen es tat- sächlich darum geht, etwas für andere zu tun.

Während die Kameras um die Promis und Frank Zander rummeln, füllen sich zusehends alle Tische mit Mahlzeiten – aufgetragen durch die fleißigen Helfer in Gelb und Rot, die unermüdlich zwischen den Tischen umherwuseln, um niemanden zu vergessen oder auch den ein oder 7_obdachlosenfest 2012_estrel neuköllnanderen Extrawunsch zu erfüllen.

Die Stimmung wird immer ausgelassener, und als dann das Liveprogramm auf der Bühne beginnt, stürzen einige der Gäste nach vorne um zu tanzen. Frank Schöbel, Jeanette Biedermann aber auch die Fahrer der BVG, die die Menschen in Sonderbussen aus allen Teilen der Stadt ins Estrel brachten, halten die Stimmung hoch, so dass am Ende niemand so wirklich gehen will.

Der Tag war auch für mich ein einmaliges, äu- ßerst beeindruckendes und rührendes Erlebnis, und ich hoffe sehr, dass den fleißigen Helfern die Gänsekeulen gemundet haben.

=Anna Sinnlos=

Lost in Gentrification

Ich muss zugeben, dass ich den Begriff Kreuzkölln normalerweise nie ohne „kotz“ dazwischen schreibe oder sage: Kreuzkotzkölln. Denn ich finde diese Benamsung unsäglich und meine, dass die dort lebenden Menschen fähig sein sollten, mittels eines Stadtplans oder ihres Meldeamtes rauszufinden, in welchem Berliner Stadt- bezirk sie wohnen. Neukölln  o d e r  Kreuzberg. Kreuzkölln ist eine gentrifizierte Hipster-Erfindung. Und vermutlich steht „gentrifizieren“ nicht umsonst als schwaches Verb im Duden. Und cover "lost in gentrification", satyr verlagdamit oute ich mich vielleicht gerade als Verlorene.

„Lost in Gentrification“ heißt jedenfalls ein neues Buch sebastian lehmann, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllndes Satyr Verlages, heraus-gegeben von Sebastian Leh- mann (o.) und Volker Sur- mann (u.). Es beinhaltet auf knapp 200 Seiten 36 Groß- stadtgeschichten von 32 volker surmann, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllnAutorinnen und Autoren wie Ahne, Jess Jochimsen oder André Hermann, die alle schon mal in irgendeiner Form mit der Gentrifizierung in Berührung gekommen sind.

Vorgestern hatte das Buch Premiere im Heimathafen Neukölln, und ich saß vorurteilsbehaftet in der ersten Reihe und fühlte mich am rechten Platz. Naja, bis auf die Tatsache, dass mir der nette Mann neben mir immer wieder sein Eau de Knoblauch ins Gesicht pustete. Egal, ich wollte Hipstergeläster hören. Hörte ich auch, aber eben nicht nur, sondern auch Hipsterlästerer-Geläster.

heiko werning, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllnuli hannemann, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllnIm Endeffekt: 15 Geschichten gelesen, gesungen, performt – und fast alle davon mit so viel Ironie und/oder Sarkas- mus, dass es schier von der Bühne troff. Brillant vorgetra- gen von Uli Hannemann (r.), tilmann birr, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllnder leider sehr schnell gehen muss- te, und Heiko Werning (o.), der auch maik martschinkowsky, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllnnoch super Klavierspielen kann. Von Tilmann Birr (l.), dem ich mitteilen möchte: „Ich habe keinen Freund, aber ’ne Luftpumpe hab ich!“, und von Maik Martschinkowsky (r.), der Strandnixe. Ebenfalls be- frank klötgen, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllneindruckend: Frank Klöt- martin gotti gottschild, buchpremiere "lost in gentrification", heimathafen neuköllngen (l.), der echt krasse Ge- dichte schreiben und auswen- dig aufsagen kann, Sebastian Lehmann, der heimliche Hip- ster und Mitherausgeber, sowie Martin „Gotti“ Gottschild (r.), der das Publikum so richtig zum Lachen gebracht hat und noch mehr berlinert als icke.

Ich fühlte mich jedenfalls aufs Beste unterhalten, und dem jubelnden, klatschenden Publikum ging es vermutlich auch so. Deshalb möchte ich gar nicht mal so sehr am Rande erwähnen, dass dieses Buch dringend gelesen werden sollte: Von Hipstern und solchen, die es werden wollen, und von Hipster- lästerern wie mir. Gentrifizierung betrifft alle, vom Pionier über den Gentrifyer bis hin zu denen, die unter den Veränderungen im Kiez leiden oder gar verdrängt werden. Dass das Thema  nicht immer nur bierernst  abgehandelt werden muss, beweist das Buch  „Lost in Gentrification“.

=Anna Sinnlos=

Neue Deutsche in Neukölln

Hinter mir sitzen die vermutlich jüngsten Besucher des Abends, zwei Mädels Anfang 20; das Durchschnittsalter der anderen liegt in etwa bei 40 Jahren. Zu meinem Leidwesen fängt die Buchpremiere für „Wir neuen Deutschen“ von Özlem Topçu, Alice Bota und Khuê Pham mit viertelstündiger Verspätung an. So komme ich in den buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, özlem topcu, alice bota, khue pham, foto: anna sinnlosausgiebigen Genuss zwei- felhafter intellektueller Er- güsse der beiden Jüngs- ten.

Ich hoffe, dass sich solche Gespräche nicht durch den Abend ziehen und habe erstmal Glück: Eine Drei- viertelstunde lang lesen die drei Autorinnen im Saal des Heimathafen Neukölln aus ihrem absolut empfehlenswerten Buch. Alle drei sind Redakteurinnen bei der „Zeit“, alle drei im Bereich Politik, aber um diese geht es eben nicht in ihrem Buch.

Alle drei waren Kinder und sind nun Erwachsene, alle drei um die 30, mit Migrationshintergrund. Keine „echten“ Deutschen, aber auch keine Türken, Polen oder Vietnamesen. Irgendwas dazwischen eben. Und sie erzählen von den Immigrationsversuchen ihrer Eltern, ihren Bemühungen und Wünschen dazu zu gehören und den Vorurteilen der Menschen, in dem Land, in dem sie teilweise auch geboren wurden. Natürlich geht es auch um die Länder, aus denen ihre Eltern stammen. Auf äußerst angenehme Weise sind sie dabei nicht vorwurfs- sondern khue pham, buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, foto: anna sinnlossehr humorvoll.

Absolutes Schweigen herrscht im großen Saal, während die drei lesen. Alle sind mitgerissen von der Ankunft eines 19-jährigen, unterernährten vietnamesischen Mädchens, das in einem Seidenkleid und Sandalen im tiefsten Winter vor den verschlossenen Türen des Münchner Goethe-Institutes steht und zum ersten Mal Schnee sieht. Es ist Sonntag – und alice bota, buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, foto: anna sinnlosniemand wird Khuê Phams Mutter öffnen. Es wird gelacht, weil der polnische Papa von Alice Bota immer noch Wannebade und Kammerspeise sagt und Loriots Sketche auswendig kann. Und weil Özlem özlem topcu, buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neukölln, foto: anna sinnlosTopçus türki- sche Mutter vor der Karstadt-Fleischtheke steht und gackert, weil sie das deutsche Wort Hühnchen nicht kennt.

Im Grunde hätte mir der Abend so schon gereicht, weil die drei Autorinnen sehr herzergreifend aus ihrem Buch vorlesen und wohl allen klar wird: Hier wird nicht verurteilt und abgerechnet, sondern hier geht es wirklich um drei Menschen, die den Zusatz „mit Migrationshintergrund“ einfach nicht mehr wollen, weil sie schlicht und einfach Teil unserer Gesellschaft sein wollen. Da die Gesellschaft sie so aber nicht anerkennt, werden sie zu den „neuen Deutschen“ und schaffen sich ihren eigenen Platz, zwischen „Bio- deutschen“ und Migranten.

Ein leider etwas fade wirkender Moderator, der mit der Schlagfertigkeit der Autorinnen nicht annähernd mithalten kann, stellt gezielte Fragen zu den im Buch angesprochenen Themen. Teilweise wirken sie schlicht überflüssig. Da profitiert das Publikum umso mehr von der  Argumentation  und dem  Humor  der drei Frauen.

Am Ende dürfen auch Fragen gestellt werden, das Bedürfnis haben allerdings nur wenige. Ob es in dem Buch auch um Rassismus ginge, will eine Fragenstellerin wissen, die dann so dermaßen selbstherrlich in ihrem eigenen pseudointellektuellen Geschwafel erblüht, dass das Publikum sie unfreundlich ausbremst. Da vermutlich niemand – inklusive der Frau selbst – die Frage verstanden hat, muss diese unbeantwortet bleiben. Meine anfänglichen Befürchtungen bewahrheiten sich also nicht wirklich. Es geht wenig um Rassismus, denn das Anliegen des Buches ist ein anderes. Es geht nicht um Mitleidheischerei, sondern ums Erzählen, ums Auf- buchpremiere "wir neuen deutschen", heimathafen neuköllnmerksammachen und darum eine Brücke zu schlagen.

Und ich finde, Özlem Topçu, Alice Bota und Khuê Pham ist es ausgesprochen gut gelungen auf ihr Thema aufmerksam zu machen. Ich kann nur jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen, es sich zu Herzen zu nehmen und selber einmal zu schauen, ob man nicht auch das Gegenüber irgendwie ausgrenzt, weil man betont langsam und deutlich spricht, nur weil die Hautfarbe des anderen so anders ist.

Das beim Rowohlt Verlag erschienene Buch „Wir neuen Deutschen“ hat 176 Seiten und kostet 14,95 €.

=Anna Sinnlos=

Nach Hause in die Sonnenallee

foto: anna sinnlosEine knappe Stunde mit S-Bahn und Bus und dann etwa 10 bis 15 Minuten leicht bergauf laufen, dann landet man in einem kleinen Paradies in Waldnähe und Seenähe. In einem Ort voller wohltuender Ruhe und Vogelgezwitscher.

Viereinhalb Wochen war ich in dieser Idylle. Um 20 Uhr werden die Bürgersteige hochgeklappt, man grüßt noch mal knapp über den Gartenzaun und verbringt den Rest des Tages mit  Sternegucken und Sternschnuppen-zählen auf der Wiese – bei Bedarf auch gern mal die ganze Nacht.

foto: anna sinnlosIn zwei von den vier Wo- chen war ich – abgese- hen von meinem Hund – ganz alleine da und auch die umliegenden Häuser waren urlaubsleer. Ich habe manchmal  tagelang mit niemandem gesprochen. Super!

Doch irgendwann musste ich ja mal nach Neukölln zurück. Ich hatte Sehnsucht nach meinen Miezen, die zwar liebevoll von meinem Nachbarn versorgt wurden, aber wir hängen doch alle sehr aneinander. Naja, und so ein bisschen Alltag muss ja auch mal wieder sein. Mein Nachbar kündigte mir schon an, dass in dem Imbiss unten im Haus gebaut würde. Na toll!

Meine Vorfreude auf Neukölln hielt sich wirklich in Grenzen. Allerdings: Endlich wieder mal alles einkaufen können, weil die Auswahl der Geschäfte sehr viel größer ist als im ländlichen Paradies. Und das auch noch ohne begafft zu werden, weil die Haare etwas blauer, die Arme etwas tätowierter, die Lippe etwas gepiercter, die Klamotten etwas punkiger sind. Damit fällt man in Neukölln ja nun wirklich nicht mehr auf.

Meine Katzen waren hochbegeistert über meine erneute Anwesenheit und ich hätte vier Hände gebraucht, um sie so zu kraulen, wie sie es wollten. Auch jetzt liegen sie foto: anna sinnlosnoch stundenlang auf mir rum und schnurren.

Eine Woche habe ich gebraucht, um den Kulturschock zu verdauen. Mich an die miefige Luft zu gewöhnen. Das Gegröle und Gekreische meiner Nachbarn und ihrer Kinder wieder zu ignorieren. Den Baulärm und dieses Kreischen der Säge zu überhören.

Aber tiefer hat es, glaube ich, meinen Hund getroffen. Der kann nun nicht mehr den ganzen Tag im Gras rumliegen und alle paar Stunden mal bellend zum Gartenzaun laufen, weil tatsächlich gerade jemand vorbei kommt. Nur den Wald, in dem man sich sonnenallee neukölln, foto: anna sinnlosstundenlang verlaufen kann und gruselige Begegnungen mit kleinen, lustig zu jagenden Frischlingen hat, deren Mama dann plötzlich vor einem steht, wird er wohl nicht ganz so vermissen.

Neukölln pulsiert, während die Idylle am Stadtrand gemütlich vor sich hin wabert. Es ist immer wieder ange- nehm und immer wieder schön, beides im Wechsel bewusst erleben zu können: Ich habe immer Sehnsucht nach dem anderen, wenn ich im einen bin.

=Anna Sinnlos=

Vampire im Heimathafen Neukölln

premiere "edward, nosferatu und ich", heimathafen neukölln, jugendtheater tortuga, foto: anna sinnlosOkay, ich war auf Vampire vorbereitet, dieser Tage bei der  Premiere  von „Edward, Nosferatu und ich“. Als ich dann aber das Studio des Heimathafen Neukölln betrete und mitten auf der Bühne ein Sarg steht, bin ich premiere "edward, nosferatu und ich", heimathafen neukölln, jugendtheater tortuga, foto: frifaberdoch kurz irritiert. Aus den Laut- sprechern dröhnt ein unheimlicher Ton, und die vier Darstel-lerinnen  vom  Ju- gendtheater Tortuga stehen jeweils rechts und links vom Sarg, mit dem Rücken zum Publikum. Ich fühle mich direkt in Bann gezogen und warte gespannt – bis endlich das komplette Publikum sitzt – wie es nun weiter geht.

Die vier Neuköllner Mädels der Britzer Alfred-Nobel-Schule, mit denen der Heimathafen seine Zusammenarbeit mit Neuköllner Jugendlichen fortsetzt, prügeln, premiere "edward, nosferatu und ich", heimathafen neukölln, jugendtheater tortuga, foto: frifabertanzen und zucken über die Bühne. Und sie teilen ihre Zukunftsträume von „in den USA leben wollen“ bis „Vater umbringen wollen“ mit uns. Wir erfahren wie sie zu Vampiren wurden, sehen   bedrückende Videosequen- zen und hören von Mobbing, Miss- brauch, ignoranten Erwachsenen und dem Wunsch,  einfach nur dazu- gehören und nicht auffallen zu wollen. Schul- und Lebensalltag, nicht nur in Neukölln.

Auch einen Ausflug in eine rassistische Erwachsenenwelt, mit deprimierenden Aussichten auf Jobcenter- und Behördengänge und einen Theaterbesuch machen wir mit den Vieren und können so einen Blick auf die Zukunftsängste dieser premiere "edward, nosferatu und ich", heimathafen neukölln, jugendtheater tortuga, foto: frifaberpremiere "edward, nosferatu und ich", heimathafen neukölln, jugendtheater tortuga, foto: frifaberGeneration werfen. „Krie- chen, nicht rennen!“ ist  deren Devise. Am Ende finden wir die Kasperle- puppen, die die Erwach- senen darstellen, in einer Blutlache wieder und es grinsen uns diabolisch vier blutverschmierte Vampirellas an, denen der frenetische Applaus des Premieren-Publikums fast etwas unangenehm ist.

premiere "edward, nosferatu und ich", heimathafen neukölln, jugendtheater tortuga, foto: frifaberAlles in allem war ich in diesem, mit knapp 50 Minuten recht kurzem Stück, vom Anfang bis zum Ende gefesselt und fand kleinere Patzer, Text- stolperer oder Kicherattacken der Vampirdamen eher charmant als störend. Es ist gutes Schultheater, und für 3 Euro Eintritt, kann man sich leicht in eine nicht ganz so andere Welt entführen lassen.

Weitere Vorstellungen: am 13., 14. und 15. Juni jeweils um 20 Uhr im Studio des Heimathafen Neukölln

=Anna Sinnlos=

Lebhafte Diskussion um die „Kampfzone Straße“

karlheinz gaertner, fadi saad, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neuköllnDafür, dass ein Buch vorgestellt wurde, ist  vor- gestern Nachmittag recht wenig gelesen wor- den. Das war mein erstes Fazit, als ich aus der Buchpremiere „Kampfzone Straße – Jugend- liche Gewalttäter jetzt stoppen“ kam. Aber nicht, dass die Präsentation des ersten Werks des Autoren-Duos Fadi Saad und Karlheinz Gaertner deshalb langweilig gewesen wäre.

Fadi Saad, hauptberuflich als Quartiersmana- ger tätig, rannte bis zum Beginn der Ver- anstaltung gestresst hin und her, um Freunde und Familie auf ihre Plätze zu geleiten und dem ein oder anderen Reporter schon mal auf Fragen zu antworten. Karlheinz Gaertner,  Hauptkommissar und Dienstgruppenleiter des Polizeiabschnitts 55 in Neukölln, sah dem Treiben vom Rand aus zu. Die Mensa vom Campus Rütli war mit rund 200 buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neuköllnZuschauern sehr gut gefüllt und dem- entsprechend warm. Jugendlich wa- ren nur wenige, das Bild war haupt- sächlich von älteren Herrschaften geprägt, die größtenteils verdächtig nach Lehrern aussahen.

Das musikalische Opening eines Ney-Spielers ließ kurz das Drumherum vergessen, die Begrüßung von Herder-Verlagsleiter Stephan Meyer holte alle ins Thema zurück und leitete zur Ansprache unseres Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky über.

fadi saad, gerd nowakowski (tagesspiegel), karlheinz gaertner, heinz buschkowsky, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neukölln

(v. l.: Fadi Saad, Gerd Nowakowski (Tagesspiegel), Karlheinz Gaertner, Heinz Buschkowsky)

Der ließ sich mal wieder eingehend über den glorrei- chen Werdegang der Rütli-Schule aus, prangerte an, dass das Hauptproblem der Jugendgewalt darin liege, dass niemand zugeben wolle, dass es ein Problem gibt. Denn dann müsse man sich ja unweigerlich der Folgefrage stellen, wie das Problem zu lösen sei. Auch sein schon oft bemühtes Rechenexempel hatte Buschkowsky wieder parat: Mit 220.000 Euro pro Jahr könne man fünf Knackies durchfüttern oder aber 650 Schüler durchs Abi bringen. Die Gesellschaft müsse sich entscheiden. So recht Buschkowsky mit solchen Thesen immer noch haben mag, langsam klingen sie wie eine Platte mit Sprung, die ebenso wenig Veränderung bewirkt. Am Ende verschwand der Bezirksbürgermeister umgehend und hinterließ das Gefühl seiner Unwissenheit über das Buch und die Autoren. Nunja.

Gerd Nowakowski vom Tagesspiegel, der die Veranstaltung moderierte, tat der Stimmung im Saal um einiges besser und sorgte immer wieder für Gelächter – auch mit einer kleinen Aufzählung des nicht unerheblichen Strafregisters, das Fadi Saad als fadi saad, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neuköllnMitglied einer Jugendgang angesammelt hatte. Saad wiederum lockerte das Publikum auf, indem er sich nicht eisern an Absprachen hielt, sondern ein wenig vor sich hin improvisierte. So kam es denn wohl auch, dass mehr erzählt als gelesen wurde. Dass mehr diskutiert als zitiert wurde und die Veranstaltung so sehr lebendig blieb.

Immer wieder ging es dabei um die Erziehungs- frage und den Punkt, wer wieviel Verantwortung dafür trägt. Auch unter den Autoren gibt es hier Kontroversen: Während Fadi Saad die Lehrer im Boot sieht, ist Karlheinz Gaertner der Meinung, dass karlheinz gaertner, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neukölln– insbesondere vor dem Hintergrund der perso- nellen und finanziellen Schieflage in den Schulen – die Zuständigkeit eindeutig bei den Eltern liegt.

Am Ende sprachen alle angeregt miteinander und es blieb die Hoffnung, dass Menschen wie Fadi Saad und Karlheinz Gaertner wirklich etwas verändern können. Viel Lob bekamen die beiden für das, was sie in ihren Brotjobs machen, allemal: Einige Sozialarbeiter und Gewaltpräventions- experten von der Polizei berichteten kurz von ihrem Arbeitsalltag mit Jugendlichen und  untermauerten so das vorher Gesagte. Patentrezepte mit Erfolgsgarantie zum Stoppen der Jugendgewalt wollte niemand geben, aber Empfehlungen wie zum Beispiel die, das Waffengesetz zu ändern und ein generelles Messerverbot zu erheben. Wie das praktisch umgesetzt werden könnte, erfuhr ich leider nicht.

=Anna Sinnlos=

Zwei Finger, zwei Frauen, zwei Krawatten und ein Kellner: Premiere im Heimathafen Neukölln

„Kiek ma, dit is doch Kommissar Schmücke, hier der Dings, der Jaecki Schwarz“, säuselt eine mir unbekannte Dame ihrem Begleiter zu. Stimmt, Jaecki Schwarz, Florian Lukas und Nina Kunzendorf sind nur drei der Prominenten aus Film und Fernsehen, die vorgestern Abend im Heimathafen Neukölln bei der Premiere von „Zwei zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelKrawatten“ anzutreffen waren. Ich war also schon vor Beginn der Berliner Revue, die Georg Kaiser erst- mals 1929 mit Hans Albers und Marlene Dietrich inszenierte, schwer beeindruckt.

Der große Saal war bis auf den letz- ten Platz mit einem erwartungsvollen, lach- und applaudierfreudigen Publi- kum gefüllt. Von Anfang an fühlte ich mich einbezogen in die Geschichte des Kellners Jean: Der landet eher zufällig – durch einen Krawattentausch, der eigentlich ein Fliegentausch ist – in der Welt der Skurrilen und Reichen und zitiert dabei mal locker einen beeindruckenden Text von Nietzsche, immer begleitet von einer wirklich guten Performance der Showband „The Incredible zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelHerrengedeck“.

Jean (Vlad Chiriac), der sich von der reichen, wenn auch etwas älteren Mabel  (Bärbel Bolle) angezogen fühlt, verlässt seine Trude und Berlin, um mit dem Schiff nach Amerika zu zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelgelangen. Trude (Fun- ny Rose) jedoch macht sich an Jeans Verfol- gung und so entstehen einige sehr komische Szenen in diesem sehr bunten Wirrwarr: Der erste Kontakt in Amerika ist ein Schillers „Glocke“ zitierender Amerikaner, der auch immer zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelwieder durch Sangeskunst zu beein- drucken weiß.

Wer wie ich allein schon aus Alters- gründen noch nie eine echte Revue besuchen konnte, kann sich hier einen sehr guten Eindruck davon machen. Er wird entführt in eine andere, ältere Welt, die manchmal ein bisschen zu laut und zu bunt ist, aber deshalb nicht weniger faszinierend.

Ich habe knapp drei Stunden, inklusive einer kleinen Pause, mit der plötzlich nicht mehr ganz so armen Trude mitgefiebert und die Schauspieler zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelbewundert, die sich teilweise wahn- sinnig oft umziehen mussten.  Ich habe viel Haut gesehen, gute Musik und manchmal nicht ganz so gute Gesänge gehört, habe wahnsinnig lustige Szenen gesehen und weni- gen etwas zu langen Monologen gelauscht. Um mich herum sehr zufriedene Menschen, die sich mit mir zusammen die Hände wund klatsch- ten, und vor mir eine sich scheckig lachende Nina Kunzendorf, die echt laut auf zwei Fingern pfeifen kann.

Weitere Aufführungen von  „Zwei Krawatten – eine echte Berliner Revue“  im Heimathafen Neukölln: heute, morgen, am 22. und 27. April sowie am 1., 9. – 11. Mai (jeweils 20 Uhr) und am 20. Mai um 18 Uhr. Karten im VVK: 21,70 € (erm. 15,10 €). Ticket-Hotline: Tel. 030 – 61 10 13 13, VVK im Heimathafen Neukölln: Tel. 030 – 56 82 13 33

=Anna Sinnlos=

Mit Alice durch’s Wunderland am Hermannplatz

Ich hatte keinerlei Vorstellung wie ein Theaterstück quer durch ein – von einkaufswütigen Menschen gefülltes – Kaufhaus funktionieren sollte. Deshalb war ich auch schon eine halbe Stunde vor Beginn der Aufführung da, und mit mir die Befürchtung, ewig nach Kartenkasse und Startpunkt im Karstadt am Hermannplatz alice im wunderland, ms schrittmacher, karstadt am hermannplatz, foto: andreas j. ettersuchen zu müssen. Aber an jedem Eingang steht ein freundliches Schild, das alle Interessierten in die U-Bahn-Station schickt. Dort tauscht man dann sein Geld oder eine Eintrittskarte gegen einen Zuschau- erausweis. Und wenn man wie ich zu früh ist, kann man noch in Ruhe ein bisschen shoppen gehen.

Pünktlich fand ich mich in einer Menge Wartender wieder, die alle zunächst irritiert auf eine recht laut telefonierende Dame blickten. Als dann aber plötz- lich ein Hase vor dieser auf und nieder hüpfte, war alles klar: Die Performance um „Alice im Wunder- land“ hatte begonnen. Von nun an folgten wir anderthalb Stunden lang den uns zuvor vorgestellten Guides. Zunächst an einen Ort, den der gemeine alice im wunderland, ms schrittmacher, karstadt am hermannplatz, foto: andreas j. etterKunde niemals kennen lernt: das Dekorations- lager im Keller.

Ich habe lange überlegt, wie ich das be- schreiben könnte, was ich mit den Schau- spielern und Tänzern des Künstlerkollektivs MS Schrittmacher erlebt habe. Ich kann es nur so sagen: Ich weiß jetzt, wo Weihnachten ist, wenn die ersten bunten Eier im Regal auftauchen, und dass man sich mit Alice in eine alice im wunderland, ms schrittmacher, karstadt am hermannplatz, foto: andreas j. etterwahrlich wundersame Welt verläuft.

Die Zeit vergeht wie im Flug während wir von Ort zu Ort eilen, um zu sehen, was Alice noch kaufen und wem sie dabei begegnen wird. Sei es sich selbst oder dem ausrangierten Alt-Schauspieler, der verzweifelt versucht sein tolles Buch an den Mann zu bringen. Dem gehetzten Hasen, der Alice zu allerlei Spontankäufen verleitet. Der modeberatenden Raupe oder der leicht herrschsüchtigen Frau König, die mit den Verkäuferinnen und Kunden durch den alice im wunderland, ms schrittmacher, karstadt am hermannplatz, foto: andreas j. etterKarstadt tanzt.

Alles ist äußerst wunderlich und komisch. Besonders wenn uneingeweihte Karstadt-Kunden unwissentlich mitwirken, und sei es nur dadurch, dass sie mit offenen Mündern staunend am Rand stehen. Oder aber in Erklärungsnot geraten – wie der Vater, der seinen zwei kleinen Töchtern verzweifelt zu verklickern versuchte, warum die Verkäuferinnen Hasenohren an alice im wunderland, karstadt am hermannplatz, ms schrittmacher, foto: andreas j. etterWeihnachtsmänner kleben, sich aber plötzlich in quiekende Ferkel verwandeln.

Alles in allem bietet „Alice im Wunderland“ eine perfekte Gelegenheit, den Karstadt am Her- mannplatz mal so richtig kennen zu lernen oder vielleicht auch einen kritischen Blick auf das eigene Kaufverhalten zu werfen und sich dabei noch bombig zu amüsieren.

Die morgige Premiere des Stückes „Alice im Wunderland“ der MS Schritt- macher bei Karstadt am Hermannplatz ist  bereits ausverkauft. Am 29. und 31. März, 2. – 5. April und 7. April (jeweils 15 und 18 Uhr) und am 30. März (11 und 15 Uhr) gibt es weitere Aufführungen. Die Tickets kosten 16 € bzw. ermäßigt 11 € und können über Showtime Tickets, (Veranstaltungsort „Treffpunkt: U-Bahn-Zugang Karstadt Hermannplatz“ anklicken), per Mail an tickets[at]dock11-berlin.de oder telefonisch unter 030 – 68 74 000 oder 030 – 351 20 312 reserviert werden.

=Anna Sinnlos=

Eine spitzenmäßige Idee: Stippvisite der Berlinale in Neukölln

berlinale goes kiez, passage-kino neukölln, foto: anna sinnlosBoah, war ich aufgeregt. „Berlinale goes Kiez“ in Neukölln und ich mit dabei! Dass der Schauspieler Jürgen Vogel als einer von zwei Neukölln-Paten auch da sein würde, passage-kino neukölln, berlinale goes kiez 2012, foto: anna sinnloswar das Extra-Bonbon.

Ich war noch nie bei den berühmten Berliner Filmfest- spielen, hatte immer nur von roten Teppichen, diversen Film-Menschen und dem Brimborium drumherum ge- hört. Irgendwie weiter weg und für mich wenig aufregend, weil aus einer anderen Welt. Dass die Berlinale jetzt auch in einzelne Stadtbezirke kommt, gibt es erst seit 2010 und ist damit recht neu. „Die anderen Kinos in Berlin an der Berlinale teilhaben zu lassen, ist eine spitzenmäßige Idee“, findet auch Jürgen Vogel.

Um 21.30 Uhr sollte es vorgestern losgehen, und nach stundenlangem „Ich habe nichts anzuziehen!“ meinerseits, stand ich – überraschenderweise dann doch angezogen – schon eine Stunde vorher vor dem Passage Kino an der Karl-Marx-Straße. Zwar war der rote Teppich bereits ausgerollt und alles für die Ankunft der Stars vorbereitet, aber die Atmosphäre war trotzdem sehr entspannt.

Der Wettbewerbsfilm „Dictado“ war der Film, der mich erwartete. Ein Psychothriller des spanischen Regisseurs Antonio Chavarrias, in dem es um einen Lehrer geht, passage-kino neukölln, berlinale goes kiez 2012, foto: anna sinnlosder in Form der Tochter seines Beinahe-Bruders seiner tief verdrängten Vergangenheit begegnet.

Um 21 Uhr traf dann auch die Prominenz ein. Ich unterhielt mich vorher ein wenig mit zwei Polizisten, die auch etwas verloren am roten Teppich rumstanden, aber sehr freudig über ihre Aufgaben dort Auskunft gaben. Und ich löse hiermit mein Versprechen ein, indem ich einen der beiden Uniformierten zitiere: „Die Polizei ist endlich in der Welt der Reichen und Schönen angekommen.“ Aber hauptsächlich hatten sie den Auftrag, Präsenz zu zeigen und den Parkplatz für die Limousinen freizuhalten.

Plötzlich stand er auch da, der Herr Vogel.  Ich hatte wesentlich mehr Presse- und Fanrummel erwartet, mich aber erfreulicherweise geirrt. So erlebte ich einen völlig entspannten, gut gelaunten Jürgen Vogel, der zwei Fernsehteams ein Interview gab und sich dann mir zuwandte. Mein erstes Promi-Interview, und in meinem Kopf war schlagartig eine gähnende Leere. Außerdem war der verdammte Notizblock unauffindbar, auf dem ich mir Fragen notiert hatte. Dennoch erfuhr ich von Jürgen Vogel, dass er 3 1/2 Jahre lang am Paul-Lincke-Ufer – also mit Neukölln in Sichtweite – in der Küche des jürgen vogel, berlinale goes kiez, passage-kino neukölln, foto: anna sinnloslegendären „Exil“ seinen ersten Job hatte und er sich deshalb „irgendwie mit Neukölln verbunden fühlt“. Dass er das Multikulturelle und die vielen Einflüsse Berlins mag und das dazu eben auch Neukölln gehöre. Ein warmes Händeschütteln und ab ins Kino.

Die Vorstellung war komplett ausverkauft. Vor der Vorführung wurden die beiden Kiezpaten, eben Jürgen Vogel und der Regisseur Matthias Glasner, vorgestellt. Beide erzählten kurze Anekdötchen von ihren Anfängen und ihrer Zusammenarbeit. Ihr Film „Gnade“ läuft ebenfalls im diesjährigen Berli- nale-Wett- bewerb. Vielleicht war das auch der Grund, warum die beiden schon zehn Minuten nach Filmbeginn verschwanden

„Dictado“ war für einen Psychothriller sehr soft, für mein Empfinden. Er war unkompliziert und das Ende wenig überraschend, aber durchaus passend. An manchen Stellen gab es sogar kleine Lacher, die allerdings für mich nicht immer verständlich waren, aber vielleicht war das Publikum einfach in alberner Stimmung – oder ich eben nicht.

Sehr interessant war das Interview mit dem Regisseur im Anschluss. Er wurde zwar schon vor dem Film kurz vorgestellt, die Aufmerksamkeit lag aber gänzlich bei seiner sehr jungen Hauptdarstellerin Mágica Pérez. Sie stach ihn mit ihrer schüchternen Art und der sehr kindlichen Stimme voll aus, musste aber gehen bevor der Film anfing. Antonio Chavarrias erzählte unter anderem, dass er durch einen Bericht über zwei britische Kinder, die ein drittes entführt und ermordet hatten, auf die Idee zum Film gekommen sei. Dass ihn das Thema, was passiert in deren Leben, wenn sie passage-kino neukölln, berlinale goes kiez 2012, foto: anna sinnloserwachsen sind, fasziniert hat. Außerdem freute er sich über die Vorführung im Passage Kino, weil das ursprünglich mal Excelsior hieß – so wie ein Kino seiner Kindheit, das leider zerstört wurde.

Immerhin blieben die meisten der Zuschauer sitzen, um Antonio Cha- varrias Fragen zu stellen und seine Antworten zu hören. Was an einem Montagabend kurz vor Mitternacht nicht unbedingt selbstverständlich ist. Ich habe mich anschließend noch auf die Suche nach meiner Brille gemacht, die ich zwischen der Plauderei mit den Polizisten und meinem Interview mit Jürgen Vogel irgendwo verloren habe. Wer sie findet …

=Anna Sinnlos=