Ja, sie würde es wieder tun, sagt sie und unterstreicht das Ja verbal und hängt ihm einige Ausrufezeichen an. Elisabeth Herr- manns Antwort ist eindeutig. Die erfolg-reiche Krimiautorin war erstmals Helferin beim jährlichen Obdachlosenfest von Frank Zander im Neuköllner Estrel Hotel. Gefühl- te 30 Kilometer sei sie gelaufen, während sie unter anderem Bier verteilte und Tisch-decken zuschnitt. Die unfassbare Hilfs- bereitschaft aller hat sie fasziniert, und der Satz einer Frau, die mit Schuhen aus der Kleiderkammer beschenkt wurde, hat sich tief in Elisabeth Herrmanns Herz
ge- graben: „Weihnachten ist warme Füße!“ Mit wie wenig man Menschen doch strahlen lassen kann.
Wobei wenig auch bei Frank Zanders 18. Weih- nachtsessen für Obdachlose definitiv nicht die Devise ist. Die Tische für die knapp 3.000 Gäste
sind nicht nur sehr schön gedeckt, son- dern zudem voll mit Getränken und diversen Weihnachtsleckereien.
Noch im letzten Jahr hatte Elisabeth Herrmann als rbb-Mitarbeiterin vom Fest berichtet, in diesem Jahr wollte sie selber mit anpacken: Als sie dann auf Frank Zanders Facebook-Seite das
Helfergesuch las, schrieb sie direkt eine Mail, bot ihre Unterstützung an, bekam eine Zusage – und nun ist sie heiser, total platt, aber glücklich.
Seit 8 Uhr sind die etwa 100 freiwilligen Helferinnen und Helfer in den roten und gelben Shirts im Estrel im Einsatz. Bis gegen 21 Uhr werden sie wohl bleiben. Das ist etwas länger als sonst, weil es zum ersten Mal auch Gänsebraten für die Helfer gibt, nach den Feierlichkeiten für die Wohnungslosen und Bedürftigen.
„Dass hier auch Alkohol ausgeschenkt wird, finde ich nicht gut, muss ich sagen“, erzählt mir eine freundliche Helferin im gelben Shirt. Aber ansonsten wäre es eine wirklich gute Sache hier. Sie ist Rentnerin und arbeitet ehrenamtlich bei der Bahn- hofsmission und bei Laib und Seele. Viele ihrer Kunden treffe sie hier, sagt sie, und alle freuen sich darüber und sind mehr als dankbar für das, was hier Gutes auf die Beine gestellt wird. Das Thema Alkohol ist neben der Tatsache, dass am Ende alle
wieder in die Kälte raus müssen, der einzige Punkt, der zu weniger Begeisterung beiträgt.
Immer wieder sind Gäste und Helfer zu sehen, denen die Tränen der Rührung über die Wan- gen laufen. Alles ist einfach überwältigend. Der Saal ist riesig und sehr schön weihnachtlich geschmückt und beschallt.
Unglaubliche Spendenmengen sind eingegan- gen. Die Tische, mit den liebevoll verpackten Geschenken für die Kleinsten, biegen sich
unter der Last. An alles ist gedacht. Es gibt einen Pfarrer, 25 im Akkord arbeitende Friseure vom bbw Bildungswerk, medizinische Versor- gung, einen Tierarzt, Hundefutter, Tabak und Geschenke für alle. Engel laufen von Tisch zu Tisch und verteilen
Schokolade und Zigaretten. Ein Clownspärchen verbrei- tet gute Laune und Seifenblasen, ein Leierkastenmann
leiert.
Natürlich fehlen auch die hochkarätigen Stars nicht. Als sie anfangen, Teller mit Rotkohl, Klößen und Gänse- keulen zu verteilen, schmet- tert Frank Schöbel gerade „Oh Tannenbaum, du trägst ein grünes Kleid“. Sehr ergreifend. Cem Özdemir, Wolfgang Bahro, Bürger Lars Dietrich, Graciano Rocchi-
giani, der inzwischen 91-jährige Herbert Köfer, Frank Kessler und Peer Kusmagk sind nur einige der Prominenten, die gut gefüllte Teller zu den Gästen bringen. Auch Neu-
köllner Polit-Prominenz betätigt sich kellnernd. Besonders sympathisch sind diejenigen, die nicht lange mit den Tellern für die Fotografen posen, sondern denen es tat- sächlich darum geht, etwas für andere zu tun.
Während die Kameras um die Promis und Frank Zander rummeln, füllen sich zusehends alle Tische mit Mahlzeiten – aufgetragen durch die fleißigen Helfer in Gelb und Rot, die unermüdlich zwischen den Tischen umherwuseln, um niemanden zu vergessen oder auch den ein oder
anderen Extrawunsch zu erfüllen.
Die Stimmung wird immer ausgelassener, und als dann das Liveprogramm auf der Bühne beginnt, stürzen einige der Gäste nach vorne um zu tanzen. Frank Schöbel, Jeanette Biedermann aber auch die Fahrer der BVG, die die Menschen in Sonderbussen aus allen Teilen der Stadt ins Estrel brachten, halten die Stimmung hoch, so dass am Ende niemand so wirklich gehen will.
Der Tag war auch für mich ein einmaliges, äu- ßerst beeindruckendes und rührendes Erlebnis, und ich hoffe sehr, dass den fleißigen Helfern die Gänsekeulen gemundet haben.
=Anna Sinnlos=
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: anna sinnlos, bürger lars dittrich, berlin, cem özdemir, elisabeth herrmann, estrel hotel, frank kessler, frank schöbel, frank zander, graciano rocchigiani, herbert köfer, jeanette biedermann, neukölln, obdachlosenfest, peer kusmagk, wolfgang bahro | 1 Comment »