Neukölln als Parcours für Perspektivwechsler

v. l.: Festivalleiter Dr. Martin Steffens, Auguste Kuschnerow (Kulturnetzwerk Neukölln), Kulturstadträtin Dr. Franziska Giffey, Francesco Mammone (Reihe "Kunst und Kult"), Festivalleiter Thorsten Schlenger, Andrea Klahold (Neukölln Arcaden)

v. l.: Festivalltg. Dr. Martin Steffens, Auguste Kuschnerow (Kulturnetzwerk Neukölln), Kul- turstadträtin Dr. Franziska Giffey, Francesco Mammone (Reihe „Kunst und Kult“), Festivalltg. Thorsten Schlenger, Andrea Klahold (Neukölln Arcaden)

Gutes Schuhwerk, das ist es, was Neuköllns Kulturstadträtin Dr. Fran- ziska Giffey allen empfiehlt, die sich am Wochenende auf die Spuren der Kunst im Bezirk begeben. Denn heute geht 48 Stunden Neukölln in die 15. Runde – und das bedeutet: bis Sonntagabend etwa 400 Ver- anstaltungen, die das Jahresthe- ma „Perspektivwechsel!“ umset- zen, an 250 Orten. Immerhin seien es gut 30 Prozent weniger als noch im Vorjahr, erinnert Auguste Kusch- nerow vom Kulturnetzwerk Neukölln e. V., das das Festival veranstaltet.

Verschlankt kommt es nun also daher, und das betrifft nicht ausschließlich die Zahl der Veranstaltungen und Orte. Mit „Kultur- und“ hat es den Ballast von drei Silben und einem Bindestrich abgeworfen. martin steffens_auguste kuschnerow_48 stunden neukölln-pkDas Kunstfestival 48 Stunden Neukölln heißt es jetzt nur noch“, betont Dr. Martin Steffens und geht auf weitere Neuerungen ein: Die Beiträge der Künstler sollen stärker als bisher auf das jeweilige Jahresthema konzentriert sein, und Galerien ohne speziell auf das Festival- thema zugeschnittene Ausstellungen oder Events sind künftig keine Teilnehfranziska giffey_francesco mammone_thorsten schlenger_48 stunden neukölln-pkmer mehr, die im Pro- gramm bewor- ben werden, sondern nur noch „assoziierte Orte“. So sei es im letzten Herbst bei einer Zukunftswerkstatt mit diversen Beteiligten be- schlossen worden, sagt der langjährige Festival- leiter, der – auch das ist neu – in diesem Jahr zusammen mit Thorsten Schlenger als Doppel- spitze agiert. Erklärtes Ziel sei, das relativ alte, inzwischen mehrfach kopierte Format des Festivals in eine zeitgemäße Form zu bringen, um gegenüber den Nachahmern die Nase vorne zu behalten. Dazu gehört auch ein neues Corporate Design rund um info-stand neukölln arcaden_48 stunden neuköllndas etablierte 48 Stunden Neukölln-Logo.

„Hier ist Kunst“, allgegenwärtig ist der Schriftzug derzeit im Bezirk. „Da ist Kunst“ heißt es heißt es auf den außerhalb Neu- köllns ausliegenden Orientierungsplänen. Den Effekt, dass wegen des Festivals „Menschen kommen, die sonst nicht den Weg nach Neukölln finden“, schätzt auch Franziska Giffey. Damit sie sich nicht verirren und Einheimische im Event-Overkill ebenfalls den Überblick behalten, hat das junge Neuköllner Unternehmen Quar- terland eine Festival-App entwickelt. „Mit einer Echtzeitkarte“, erklärt Torsten Fischer, „werden den Usern von Smartphones 48 stunden neukölln-pkoder Tab- lets nur Veranstaltungen angezeigt, die gerade in unmittelbarer Nähe stattfinden.“

An die Nicht-ohne-mein-Smartphone-Generation ist also gedacht – und den so genannten Silver- Agern wird in diesem Jahr erstmals eine eigene Festivalreihe gewidmet: Im Labor Urbanes Altern, das in der 1. Etage der Neukölln Arcaden ein- barbara duisberg_labor urbanes altern_neukölln arcaden_48 stunden neukölln-pkgerichtet ist, sol- len die Senioren stärker in den Fo- kus genommen und einbezogen werden. Neben einer Ausstellung der Berliner Künstlerin Barbara Duisberg gibt es Audio-Installationen, ein Medien-Center, Performances und verschiedene Projekte, die auf die Förderung des intergenerativen Dialogs ausgerichtet sind und somit zum Perspektivwechsel einladen. „Dieses Anliegen“, informiert Thorsten Schlenger, der die Reihe betreut, „wird auch bei den nächsten Festivals fortgesetzt.“ Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land habe bereits das Sponsoring für 2014 labor urbanes altern_48 stunden neukölln-pkund 2015 zugesagt.

Einen weiteren 48 Stunden Neukölln-Schwer- punkt schafft die Veranstaltungsreihe Kunst und Kult – Stimmen der Religionen, die von Fran- cesco Mammone kuratiert wurde. „Hier liegt der Akzent auf dem Dialog zwischen Künstlern und Gemeinden“, erklärt er. Fünf Gotteshäuser in Neukölln beteiligen sich an der Reihe, ebenso fünf Künstler: „Bei der Zuordnung war es uns wichtig, dass sie nicht der entsprechenden Glaubensgemeinschaft angehören.“ Das Ergeb- nis seien intensive, künstlerisch-religiöse Aus- einandersetzungen einer Buddhistin mit der katholischen Sankt-Clara-Gemeinde, einer Ka- tholikin mit der Sehitlik-Moschee, einer Muslima mit der Herrnhuter Brüdergemeine, eines muslimisch-katholisch sozialisierten Künstlers mit der evangelischen Gene- zareth-Gemeinde und einer Künstlerin, die im griechisch-orthodoxen Umfeld auf- geheimnisvolle tür_48 stunden neukölln-pkwuchs, mit dem Sri-Ganesha-Hindutempel.

Heute um 19 Uhr wird das Kunstfestival, im Kesselhaus der ehemaligen Kindl-Braue- rei an der Werbellinstraße eröffnet. Bis Sonntagabend kann dann, so Auguste Kuschnerow, die Sichtweise auf Fremdes geschärft und das Wechseln von Stand- orten und Perspektiven erlernt werden. Wer das mit dem 28-seitigen Programm als Wegbegleiter tun will, sollte nicht nur an gutes Schuhwerk, sondern – bei nicht mehr ganz so guten Augen – auch an die Lese- brille denken. Sonst bleibt die Sichtweise auf weite Passagen des Heftes ver- schwommen und wird das Wechseln von Standorten und Perspektiven zur echten Herausforderung.

=ensa=

Premiere innerhalb des S-Bahn-Rings

gropiusstadt-ausstellung_neukölln arcadenSo weit im Norden war sie noch nie: Nach drei Stationen im Süden des Bezirks ist die Ausstellung „Mieter, Planer, Architekten. Wer schrieb die Ge- schichte der Gropiusstadt?“ nun zum Finale in den Neukölln Arcaden angekommen. Auf der Sonderfläche im Erdgeschoss nahe dem Haupteingang, wo sonst meist Taschen, Remittenden oder Saisonartikel ver- andrea klahold+julia dilger_neukölln arcadenkauft werden, kann man jetzt in Bezirkshistorie und -kultur stöbern und sie – in Form eines Le- porellos – sogar gratis mitnehmen.

15 bebilderte Texttafeln skizzieren die Entwicklung des Neuköllner Ortsteils Gropiusstadt, der seit einem halben Jahrhundert als Hochhaussiedlung bekannt und Zuhause von rund 36.000 Bewohnern ist. Natürlich geht es in der Ausstellung auch um Architektur, „aber im Mittelpunkt stehen Menschen, die die Vergangenheit der Siedlung geprägt haben, die Gegenwart prägen und die Zukunft gestalten wollen“, sagt Julia Dilger (r.) vom Mobilen Museum Neukölln, das die Ausstellung anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Siedlung gestaltete.

Sie dorthin zu bringen, wo Kulturelles nicht erwartet wird und so auch Nicht-Museumsgänger zu erreichen, ist das zentrale Anliegen der mobilen Einrichtung. „In Einkaufszentren hat man wirklich ein ganz anderes, viel breiteres Publikum als in Galerien und Museen“, bestätigt Andrea Klahold (l.), die Centermanagerin der Neukölln Arcaden. „Deshalb ist die Bündelung von Einkauf von Ausstellungsraum, die durch  die Angebote des Mobilen  Museums möglich  ist,  auch für uns  eine  sehr

mobiles museum neukölln_gropiusstadt-ausstellung_neukölln arcadengropiusstadt-ausstellung_mobiles museum neukölln_neukölln arcaden

attraktive Sache.“ Schon beim Aufbau der Schautafeln, hat sie beobachtet, seien viele Menschen stehengeblieben, um sich die Exponate anzusehen.

Über 100 Besucher hat das Mobile Museum Neukölln täglich gezählt, als die Gro- piusstadt-Ausstellung zuletzt im Wutzky-Center in Rudow gastierte: „Echte Besucher. Also keine, die sich nur im Vorbeigehen die Fotos angeguckt haben.“ Das dürfte nun am nördlichsten Standort locker zu toppen sein.

„Mieter, Planer, Architekten. Wer schrieb die Geschichte der Gropiusstadt?“ ist noch bis zum 2. März in den Neukölln Arcaden (Öffnungszeiten: Mo. – Sa. 6.45 – 23 Uhr, So. 12 – 20 Uhr) zu sehen. Von dienstags bis freitags zwischen 10 und 18 Uhr ist ein Mitarbeiter des Mobilen Museums Neukölln vor Ort, um Fragen zur Ausstellung zu beantworten.

=ensa=