Die Berliner sind kiezfixiert, sagt man. Viele, so hört man immer wieder, verlassen das Viertel um die eigenen vier Wände nur, wenn es unbedingt nötig ist. Andererseits sind die Kenntnisse darüber, was sich entlang der vertrauten Pfade abspielt, aber oft nur sehr oberflächlich. Sogar im vergleichsweise überschaubaren Rollbergkiez ist das nicht anders. Um diesen Zustand zu ändern, gibt es dort nun Kiezrundgänge zu vier verschie- denen Themenbereichen. Letzten Freitag startete die Veranstaltungsreihe mit einer Erkundung der sozialen Einrichtungen für die etwa 5.600 Menschen aus 30 Nationen, die im Quartier leben.
Elke Binjos gehört seit 20 Jahren da- zu. Doch im Gegen- satz zu vielen Nach- barn weiß sie nicht nur was wo ist, sondern sie weiß auch, welche Insti- tution bei welchem Anliegen weiterhilft. Und sie kennt viele Geschichten und reichlich Geschicht- liches rund um den Kiez. Gute Voraussetzungen also, um anderen das Viertel samt seiner Akteure näher zu bringen. „Ob es dafür überhaupt einen Bedarf gibt“, sagt sie, „probieren wir jetzt einfach mal aus.“ Finanziert wird der Versuch durch Soziale Stadt-Mittel des Quartiersmanagements, was zwangsläufig dazu führt, dass die
überzeugte Rollbergerin außer als Sympathisantin der Projekte auch als Öffentlichkeitsarbeiterin für das QM unterwegs ist. Doch ohne dessen Förde- rung oder die der Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND scheint im Kiez um Alfred Trenkels Skulptur „Protuberanzen“ ohnehin wenig zu laufen.
In der Falkstraße ist die Projektdichte am höchsten. Elke Binjos bittet zunächst zur Besichtigung des Medienstandorts Rollbergsiedlung: Hier entstehen die Kiezzeitung Rollberginfo und die Filme der Kids Kietz News. „Inzwischen gehören über 50 Kinder und Jugendliche zum erweiterten Teilnehmerkreis, etwa 10 bis 15 davon kommen regelmäßig zu den Treffen“, erzählt Projektleiterin Friederike Hundert- mark. Zusammen mit ihrem Partner Hansgeorg Gantert weist die Regisseurin die Kids in die Videofilmerei ein. Der pädagogische Nebeneffekt ist, dass die jungen Rollberger für ihren Kiez sensibiliert werden, während Clips zwischen Fiktion und Berichterstattung entstehen. Außerdem gehört nun auch das Projekt Jugendwohnen im Kiez zu den Nutzern des Medienstandorts, das mit Serviceangeboten für Familien aufwartet.
Nur ein paar Schritte weiter ist der MaDonna Mädchentreff beheimatet. „Hier treffen sich hauptsächlich türkische und arabische Mädchen“, erklärt Elke Binjos im Vorbei- gehen. Dass es überwiegend Mädchen mit türkischem oder arabischem Migra- tionshintergrund sind, würde der Realität höchstwahrscheinlich näher kommen. Doch solche Feinheiten gehen im täglichen Mit- oder Nebeneinander gerne unter. Die nächste Station, das Familien- kompetenzzentrum, erleichtert das Differenzieren schon durch seine akkurate Ausschilderung. Hauptmieter des Gebäudes ist die AWO Südost, die in der Falkstraße auch ihr Projekt AWO ExChange, einen intergenera- tiven Freiwilligendienst, unterge- bracht hat. Alle anderen Räume sind an Projekte untervermietet, deren Ausrichtung im engeren oder weiteren Sinne aus Familienarbeit und -be- ratungsangeboten besteht. Heroes steht an einer Tür, Aufbruch Neukölln an einer anderen, nebenan sind die Termine der Rechts- und Schuldnerberatung ange- schlagen. Sogar eine Sporthalle gibt es, die von den Rollbergern gemietet werden kann. An diesem Vormittag ist sie ungenutzt.
Morgen um 10 Uhr startet Elke Binjos zu einem weiteren Kiezrundgang durchs Rollbergviertel: Schwerpunkt werden Stationen der Stille sein. Am 29. Oktober geht es dann um Kunst im Rollberg und am 5. November um Angebote für Kinder. Die Teilnahme an den Führungen ist kostenlos.
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