Menschenkette, Kundgebung und Demonstration gegen Rassismus im Süden Neuköllns

Rund um den Internationalen Tag gegen Rassismus, der stets am 21. März begangen wird, ist es in Rudow zu einer guten Tradition geworden, gegen rassistische Diskriminierung zu demonstrieren. Während anfangs die Demonstrierenden nach dem Vorbild der amerikanischen Arbeiterbewegung in Form einer Picket-Line über die Kreuzungen an der Rudower Spinne zogen,  finden sie sich mittlerweile ein Mal jährlich zwischen Neudecker Weg und Alter Dorfschule auf dem Bürgersteig der lokalen Einkaufsstraße Alt-Rudow für eine Menschenkette zusammen. So auch gestern, als Aktive auf einzelnen Schildern, die je einen Buchstaben zeigten, nebeneinander am Bordstein stehend gemeinsam forderten: „100% Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus.“ Ungefähr 200 Personen, unter ihnen die Bezirksstadträte Karin Korte und Jochen Biedermann, nahmen am Sonnabendvormittag an der Veranstaltung teil, zu der die Initiative „Rudow empört sich. Gemeinsam für Respekt und Vielfalt“ aufgerufen hatte.

„Rassismus ist nicht nur ein Naziproblem. Aber wo Nazis sind, gibt es immer Rassismus!“, sagte Heinz Ostermann (r.) von der Initiative. „Neukölln -und hier insbesondere der Süden- hat seit Jahren ein Naziproblem. Jüngster Ausdruck ist die nach wie vor unaufgeklärte Neuköllner Anschlagsserie, welche als ‚Neukölln-Komplex‘ bundesweit für Schlagzeilen sorgt“, fügte der Buchhändler aus Rudow an, der selbst mehrmals Opfer der Anschlagsserie wurde. Über 70 rechtsextreme Straftaten, darunter 23 Brandstiftungen, rechnen die Behörden dem sogenannten „Neukölln-Komplex“ seit 2016 zu. Vor dem Amtsgericht Tiergarten kamen bisher aber nur zwei der Brandstiftungen zur Anklage. Verurteilt wurden die beiden Hauptverdächtigen, Sebastian T. und Tilo P., wegen Brandstiftung allerdings nicht. Das Berliner Abgeordnetenhaus setzte nach erheblichem öffentlichen Druck in dieser Legislaturperiode den „1. Untersuchungsausschuss (‚Neukölln‘)“ zum sogenannten „Neukölln-Komplex“ mit einem Zeitraum von 2009 bis 2021 ein.

Im Anschluss an die von „Rudow empört sich“ organisierte Menschenkette mit Kundgebung formierte sich um 12 Uhr ein kleiner Demonstrationszug vor der Alten Dorfschule in Rudow. „Seit 2009 verübten Rechte mindestens 157 Taten in Berlin-Neukölln. Trotz der Hinweise auf bekannte Neonazis wurden die Taten über Jahre nicht aufgeklärt“, kritisierten die Veranstalter in ihrem Demonstrationsaufruf und beklagten: „Auf allen Ebenen fielen die Sicherheitsbehörden durch fehlenden Ermittlungswillen oder Verstrickungen in rechte Netzwerke auf.“ Der Demonstrationszug lief von der Neuköllner Straße in nördliche Richtung entlang der Fritz-Erler-Allee bis zum Kormoranweg und endete an der Rudower Straße / Möwenweg vor der Erinnerungsstele „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“.

Der Gedenkort für Burak Bektaş war erst Anfang März mit Hakenkreuzen verschandelt worden. Nach Angaben der „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ handelte es sich um den vierten Angriff dieser Art. Die Schändungen des Denkmals im April 2018 mit einer Chemikalie, im Januar 2021 mit weißer Farbe und im Juni 2021 mit einer Hakenkreuz-Schmiererei stünden in der Kontinuität von rechtem Terror in Neukölln. In Erinnerung an Burak Bektaş ruft die Initiative zu einer Kundgebung am 11. Jahrestag seiner Ermordung auf. Das Gedenken findet statt am Mittwoch, 5. April, 17 Uhr an der Skulptur Rudower Straße / Möwenweg, 12359 Berlin Buckow.

=Christian Kölling=

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