„Sorgen wir dafür, dass die Freunde Neuköllns noch in 60 Jahren da sind!“

Das 40-jährige Bestehen der Freunde Neuköllns, die sich am 8. März 1983 als eingetragener Verein gründeten, wurde am vergangenen Freitagabend im Bootshaus der Rudergesellschaft Wiking in Britz gefeiert. Der sechsköpfige Vereins-Vorstand, dessen Arbeitsschwerpunkte derzeit Städtepartnerschaften und Denkmalpflege sind, hatte mit populärer Klaviermusik und gutem Essen einen passenden Rahmen für anregende Gespräche der Gäste untereinander geschaffen. Der Vorsitzende Bertil Wewer (r.) stellte vor allem aber eine neue 150 Seiten starke Broschüre des Vereins vor. Sie versteht sich weniger als eine lückenlose Chronik, sondern will vielmehr ein buntes Kaleidoskop der Vereinsarbeit sein. Um das Heft vorzustellen, interviewte Wewer beim Empfang Jens Gnielka (l.) vom Fußballverein Grün-Weiss Neukölln. Auch mit Olaf Thran, der 2007 bis 2010 zweiter Vorsitzender der Freunde Neuköllns war und Anfang der 1990er Jahre die Puschkin-Hilfe für das Bezirksamt organisierte, sprach er.

„Im Jahr 1983 lag über West-Berlin ein Grauschleier der Selbstzufriedenheit. Darunter rumorten jedoch Konflikte und Widersprüche. Es war die Zeit der Bauskandale. Doch gegen die ‚Kahlschlag‘-Sanierung regte sich zunehmend Widerstand zugunsten des Erhalts und der Sanierung bestehender Wohnquartiere. Hausbesetzung, Friedens- und Umweltbewegung rüttelten den etablierten politischen Betrieb auf“, charakterisieren die Freunde Neuköllns in der Broschüre die Stimmung ihrer Gründungszeit. Zwei Jahre zuvor hatte mit Arnulf Kriedner 1981 erstmals ein CDU-Politiker in der alten SPD-Hochburg Neukölln das Amt des Bezirksbürgermeisters übernommen. Kriedner war sicher die treibende Kraft bei der Gründung der Freunde Neuköllns. Sein Ziel war es, die Neuköllner Kulturstandorte attraktiver zu machen. Dies sollte durch breite Unterstützung von Kunstschaffenden, Unternehmen und engagierten Bürgern gelingen“, heißt es in dem Heft weiter. In den Folgejahren waren die Freunde Neuköllns an der Reaktivierung des Saalbaus an der Karl-Marx-Straße und beim Entstehen der späteren Werkstatt der Kulturen (heute Oyun) beteiligt. Auch waren sie bei der Sanierung und Neukonzeptionierung von Schloss und Gutshof Britz involviert. „Die Freunde Neuköllns hatten in den 1980er Jahren entscheidende Impulse für die Schaffung von Kulturstandorten in Neukölln gegeben, die noch heute die Neuköllner Kulturlandschaft prägen“, fasst der Verein seine ersten Jahre zusammen.

Anfang der 1990er Jahre organisierte Olaf Thran (r.) als Beauftragter des Bezirksamtes rund 30 Hilfstransporte von Neukölln nach Sankt Petersburg und in den rund 20 Kilometer entfernten Ort Puschkin. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte es in Russland eine tiefgreifende ökonomische Krise gegeben. Neukölln schickte gesammelte Lebensmittel und Medikamente sowie Krankenhausbetten. Bereits vor dem Ende der Sowjetunion hatte es zaghafte Kontakte zwischen dem Katharinenpalast in Puschkin und Schloss Britz gegeben. Im Juni 1991 wurde zwischen Puschkin und Neukölln eine Städtepartnerschaft geschlossen. Eine Zeit lang kamen unter anderem junge Musikerinnen und Musiker aus Puschkin für Auftritte nach Neukölln. Möglich waren diese Besuche, weil die Freunde Neuköllns damals in dem sonst leerstehenden Wohnheim in der Teupitzer Straße eine Gäste-Etage betrieben, die ihnen vom Bezirksamt zur Verfügung gestellt wurde.

Als Gäste konnten Bertil Wewer und die stellvertretende Vorsitzende Elfriede Manteuffel (2.v.l.) unter anderem Daniel Dušek (l.) und Tomáš Vacenovský (r.) begrüßen, die zur Feier eigens aus der Tschechischen Republik angereist waren. Dušek leitet in Horní Čermná, das der historische Ursprungssort der vor über 250 Jahren aus Böhmen nach Rixdorf geflohenen Exulanten ist, den Verein Freunde Rixdorfs (Spolek přátel Rixdorfu). Bereits 1988 gelang es während der Zeit des Kalten Krieges, in Horní Čermná die Ausstellung „Dem Kelch zuliebe Exulant“ zu organisieren. 1989 wurde ein Partnerschaftsvertrag zwischen Neukölln und der Kreisstadt Ústí nad Orlicí unterzeichnet. Der Verein Freunde Rixdorfs siegte mehrfach beim Strohballenrollen Popraci im Böhmischen Dorf. Seit vielen Jahren kommt er auch regelmäßig auf den Richardplatz, um am traditionellen Weihnachtsmarkt teilzunehmen.

Bezirksbürgermeister Martin Hikel , Prof. Barbara John, erste Ausländerbeauftragte in Berlin, und Dr. Dorothea Kolland, langjährige Leiterin des Neuköllner Kulturamtes, waren ebenso zur Feier gekommen, wie Dr. Christian Nottmeier, Superintendent des Kirchenkreises Neukölln, Jean-Philippe Laville, Vorstand der Bürgerstiftung Neukölln, Michael Steinke, Ehrenpräsident der SG Neukölln und Matthias Herrmann, Vorsitzender der RG Wiking. Mit einem großen Neuköllner Präsentkorb in Form einer robusten Holzkiste und mit einer Karaffe für Britzer Wein, bedankte sich der Bürgermeister bei allen Aktiven des Vereins, dem auch zahlreiche Bezirksverordnete von CDU, SPD und Grünen angehören. „Für die Völkerverständigung ist der Austausch auf zivilgesellschaftlicher Ebene sehr wichtig“, sagte Hikel. Das Bezirksamt und die aktive Bürgerschaft seien bei der Pflege und Fortentwicklung der Neuköllner Städteverbindungen gegenseitig aufeinander angewiesen, fügte er an und ermunterte alle Anwesenden: „Sorgen wir dafür, dass die Freunde Neuköllns noch in 60 Jahren da sind!“

=Christian Kölling=

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