Stand jahrzehntelang nur eine unscheinbare Holzbaracke auf dem Grundstück zwischen Köpenicker Straße und August-Froehlich-Straße in Neukölln? Nein. Das Gelände, auf dem der Neubau der Clay-Oberschule bald bezogen werden kann, wurde während des Zweiten Weltkriegs für ein Zwangsarbeiterlager gebraucht. Das einfache schwarz-braune Holzhaus war die Wirtschaftsbaracke dieses Lagers. Bis weit in die Nachkriegszeit nutzte die Firma Eternit die Baracke auf ihrem ehemaligen Gelände als preisgünstige Direktverkaufsstelle für ihre B-Ware. „Ich habe die Entwicklungen an der Köpenicker Straße in Rudow seit ungefähr 1970 genau verfolgt“, sagte mir der SPD-Bezirksverordnete Peter Scharmberg am Vormittag des 27. Januars. Jutta Kendzia, Vorsitzende des Rudower Heimatvereins, ergänzte: „Ich kenne die Baracke seit 1959 und wußte lange Zeit nicht, dass es einmal die Wirtschaftsbaracke eines Lagers war“,
Ebenso wie Kendzia und Scharmberg waren weit über 30 Gäste aus Kommunlapolitik und Zivilgesellschaft -darunter auch der CDU-Verordnete und Vorsitzende des BVV-Ausschusses für Bildung Karsten Schulze- anläßlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages in den Rohbau gekommen. Dort stellten Bildungssstadträtin Karin Korte (M.), Dr. Matthias Henkel (r.), Fachbereichsleiter Museum, Stadtgeschichte, Erinnerungskultur, der Schulleiter Thorsten Gruschke-Schäfer(l.) sowie Schülerinnen und Schüler der AG Museum an Ort und Stelle das aktuelle Konzept des künftigen Lern- und Gedenklabors in der Clay-Schule vor. Erst im November 2022 hatte es im Schloss Britz auf Anregung des „Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide“ einen öffentlichen Austausch zwischen allen Beteiligten gegeben.
Bezirksstadträtin Korte trug während ihrer Rede ein Zitat von Kazimiera Kosonowska vor, und ließ so eine der polnischen Zwangsarbeiterinnen, die im Rudower Lager arbeiten mussten, wie folgt zu Wort kommen: „Das hat uns so erschöpft, die Unterernährung, der Hunger, der Dreck. Die Deutschen, die uns gequält haben. Die schwere Arbeit, die über alle Kräfte ging. Ich war ein junges Mädchen von achtzehn Jahren; ich musste 150–200 Kilogramm schleppen – jeden Tag, zweieinhalb Jahre lang…. Ich weiß nicht, wie wir das überlebt haben. Mädchen sind gestorben. Die Fabrik brannte zweimal, wurde völlig zerstört. Ich weiß nicht, wie wir da leben konnten. Vielleicht nur deshalb, weil man sich als junger Mensch diese Dinge nicht bewusst gemacht hat.“
Museumsdirektor und Fachbereichsleiter Henkel stellte anschließend theoretische Grundlagen des Erinnerungskonzeptes sowie die konkrete Ausgestaltung des Eingangsbereiches vor. Die Fassade der Wirtschaftsbaracke wird teilweise gleich an der Tür, direkt neben der Mensa, hinter einer Glasscheibe ausgestellt. Dahinter wird ein Abschnitt des Splittergrabens in einer Bodenvitrine gezeigt. Im hinteren Bereich wird es Platz für ein Geschichtslabor, sowie für digitale Lern- und Recherchemöglichkeiten geben. Henkel lobte die gute Zusammenarbeit, die durch das Interesse der Schülerinnen und Schüler, das Engagement der Lehrer Niels Plaumann und Dr. Marcus Sonntag sowie durch die kontinuierliche Arbeit der beiden Museumslehrerinnen auf dem Gutshof Britz möglich geworden sei. Der Vorsitzende des BVV-Ausschusses für Bildung Schulze erklärte unmittelbar nach der Gedenkstunde bei Facebook: „Ich finde gut, dass dabei Lehrer, Schüler und das Museum Neukölln an einem Strang ziehen. Eine wichtige Einrichtung, die viel Potenzial für zukünftige Generationen hat, sich vieles selbst anhand des Materials zu erarbeiten. Ich bin darauf gespannt, wie es am Ende aussieht und wie es angenommen wird.“
Filed under: bezirksgeschichte, bildung, kinder und jugend, kultur, neukölln, schulen | Tagged: August-Froehlich-Straße, Dr. Marcus Sonntag (Clay-Oberschule), dr. matthias henkel (museum neukölln), Firma Eternit, Jutta Kendzia (Rudower Heimatverein), Karin Korte (Bezirksstadträtin Neukölln), karsten schulze (cdu neukölln), Kazimiera Kosonowska (Zwangsarbeiterlager Rudow), Köpenicker Straße, Niels Plaumann (Clay-Oberschule), peter scharmberg (spd neukölln), Thorsten Gruschke-Schäfer (Clay-Oberschule) |