Werner Seelenbinder war einer der bekanntesten und erfolgreichsten Arbeitersportler während der Weimarer Republik. Nach 1933 wurde der Ringer sechsmal Deutscher Meister und erreichte bei der Olympiade 1936 den vierten Platz. Die „Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN), der SV Tasmania Berlin und der SV Preußen Berlin riefen gestern zur jährlich stattfindenden Gedenk-Kundgebung auf, um den Spitzensportler, Kommunisten und Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Diktatur zu ehren. Die A-Jugend Mannschaft der Tasmanen war direkt nach einem erfolgreichen Spiel gegen den JFC Berlin vom benachbarten Fußballplatz zum Ort gekommen, wo der Arbeiter- und Veteranenchor Neukölln sowie der Hans-Beimler-Chor sangen.
Rund 100 Personen hatten sich im Werner-Seelenbinder-Sportpark an der Oderstraße eingefunden. Die Urne, des Ringers wurde hier im Juli 1945, kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, beigesetzt. Das Grab liegt hinter einer hohen Hecke am Weg zum Tasmania-Vereinshaus. Seit ein paar Jahren weist eine Steintafel auf die „Grabstätte Werner Seelenbinder“ hin. Die Bezirksverordnetenversammlung befürwortete -bislang folgenlos- 2017 die Aufstellung einer Infostele mit einer Tafel zum Lebensweg und den politischen Verdiensten Seelenbinders. Er war Mitglied des Arbeitersportvereins Berolina 03 Neukölln und trainierte in der Turnhalle der heutigen Konrad-Agadh-Schule am Körnerpark. Während er in der DDR hochverehrt wurde, wurde sein Name in West-Berlin weitgehend getilgt. Die „Werner-Seelenbinder-Kampfbahn“ an der Oderstraße wurde in den Ämtern nach 1948/49 nur noch „Stadion Neukölln“ genannt. Im Jahr 2006 erhielt das Gelände den neuen Namen „Werner-Seelenbinder-Sportpark“. Erst 2008 nahm die Stiftung Deutsche Sporthilfe den Athleten in ihrer „Hall-of-Fame“ auf.
Alexander Baldauf, Kinder- und Jugendtrainer des SV Preußen Berlin, erklärte in seiner Rede, dass Spitzensportler nicht zu politischem Unrecht schweigen dürften. Es sei beispielsweise richtig gewesen, dass die iranische Fußballnationalmannschaft während der Nationalhymne in schwarzen Trainingsjacken kürzlich ihren Protest gegen das Regime zum Ausdruck gebracht habe. Auch in Berlin sei couragiertes Handeln gegen Rassismus und Neofaschismus gefragt. Als Trainer und Funktionär müsse er deshalb vor allem die Persönlichkeit sowie das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen stärken. „Seien Sie Fan von dem Sport, den Werner Seelenbinder geliebt hat“, sagte er und kommentierte anschließend ein Schauringen von Jugendlichen des SV Preußen, um den Zuschauerinnen und Zuschauern das Ringen näherzubringen und um sie für den Sport zu begeistern.
Bezirksstadträtin Sahra Nagel (Die Linke) und Ferat Koçak , Neuköllner Abgeordneter der Linken im Berliner Landesparlament, hielten am Anfang der Kundgebung ihre Grußworte. Nagel erinnerte an den prägenden Einfluss der Arbeiterkultur in den Zwanziger Jahren, die eine wesentliche Grundlage für Seelenbinders sportliche Erfolge war. Koçak zitierte aus dem Abschiedsbrief, den der Sportler und Widerstandskämpfer vor seiner Hinrichtung geschrieben hatte: „Ich hätte gerne gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden, die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, nach dem Krieg mit Euch erlebt.“ Werner Seelenbinder wurde -nach zweieinhalb Jahren Haft und Folter- heute vor 78 Jahren, am 24. Oktober 1944, in Brandenburg hingerichtet.
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Es freut mich sehr, dass Werner Seelenbinder angemessen geehrt wurde, auch dass Tasmania sich seiner erinnert. Es gab im Bezirk Zeiten, da war Werner Seelenbinder als Kommunist ein Verfemter, und ein Gedenken undenkbar. Er gehört heute selbstverständlich zum Widerstand in Neukölln.
Dr. Dorothea Kolland
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