Dani und Patzi, zwei Poetinnen aus der Zukunft, trudelten gestern Nachmittag auf der Treppe vor dem Rathaus Neukölln ein, um den zweiten „Karneval für die Zukunft“ zu eröffnen. „Wir sind jetzt an dem Zeitpunkt, an dem wir noch etwas verändern können“, warnten die Zeitreisenden vor den unumkehrbaren Folgen des Klimawandels, die eintreten, sofern nicht unverzüglich radikale Maßnahmen gegen die sich immer deutlicher abzeichnende Klimakatastrophe ergriffen würden. Die Welt müsse jetzt Wege aus der Ideologie von konstantem Wachstum und blinden Konsum finden, formulierten die beiden Besucherinnen aus der Zukunft das gemeinsame Anliegen des Protestzuges.
Ein Bündnis, das an die transformative Kraft von Kunst, Kultur und Erzählungen glaubt, organisierte diesen Karnevalsumzug in Kooperation mit dem in Neukölln ansässigen Kunstverein Artistania. In dem Zusammenschluss fanden sich Bürgerinnen und Bürger, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Personen zusammen, die in den Bereichen Kunst, Kultur, Umwelt, Gemeinde- und Sozialarbeit tätig sind. Mehr als 20 Gruppen gestalteten den Karnevalsumzug mit, darunter die Initiative Klimaneustart, das Transformations Haus, Kunst-Stoffe Berlin, das Kulturlabor Trial & Error sowie der Zirkus Cabuwazi.
„Berlin soll eine ‚Grüne Stadt‘ werden“, forderte der „Karneval für die Zukunft“ in seinem Demonstrationsaufruf und präzisierte: „Eine Stadt, die eine klimabezogene Politik verfolgt, um Emissionen zu reduzieren und den Klimawandel durch Innovationen in den Bereichen Mobilität, Stadtplanung und Ressourcenmanagement zu bekämpfen. Wir schließen uns der Forderung an, dass Berlin bis 2030 klimaneutral sein soll.“
Riesengroße Figuren an der Spitze des Zuges zogen die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich und klagten den gegenwärtigen Zustand der Welt an. Kaum ein Passant holte nicht sein Handy hervor, um den bunten und lauten Umzug zu filmen. Auf der Erde -dargestellt als ein älterer Herr mit Hut- ist kein unbebauter, freier Winkel mehr zu finden. Vor dieser dystopischen Figur lief gebückt ein überlebensgroßes Skelett, das aus Stangen und Unmengen transparenter Plastikfolie gefertigt wurde. Dahinter folgte eine meterhohe weiße Spukgestalt aus Pappmaché und Stoffresten. Im Karnevalszug, dem einige hundert Menschen
folgten, sorgten mehrere Musikgruppen für gute Stimmung. Der Weg führte in Neukölln von der Karl-Marx-Straße durch die Reuterstraße über die Sonnenallee und die Pannierstraße bis zur Thielenbrücke. Von dort ging es auf Kreuzberger Seite durch die Glogauer und die Wiener Straße bis zum Spreewaldplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Die ursprüngliche Route des Umzugs, die über den Hermannplatz und die Kottbusser Straße bis zum Oranienplatz führen sollte, musste wegen des Inline Marathons verlegt werden, der einen Tag vor dem Berlin Marathon stattfand.
Während eines Zwischenhalts auf der Thielenbrücke stellten Sprecherin Mary und Cellist Moritz einen ersten Ausschnitt aus dem dokumentarischen Theaterstück Klima-Monologe von Michael Ruf vor. Der Monolog dokumentiert das Schicksal einer Landarbeiterin in Bangladesh, die 2009 durch den Zyklon Aila einen Teil ihrer Familie verlor. Vollständig wird das Theaterstück Ende November im Heimathafen Neukölln uraufgeführt. Die Klima-Monologe zeichnen nach, wie Menschen in unterschiedlichen Regionen der Welt unter den Folgen des Klimawandels leiden müssen. Alle Monologe beruhen auf ausführlichen Interviews, die für die Bühnenaufführung lediglich gekürzt und verdichtet werden.
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