Berliner Schützengesellschaft feierte 140. Jubiläum in Neukölln

Mit einem offenen Hoffest rund um das Schützenhaus an der Oderstraße 18 feierte die Berliner Schützengesellschaft 1882 e.V. (BSG) am Himmelfahrts-Wochenende ihr 140-jähriges Jubiläum. An langen Tischen und Bänken gab es Essen und Getränke. Für die Kinder hatte man eine große Hüpfburg aufgebaut. Aus mehreren Bundesländern waren Schützenkameraden befreundeter Vereine nach Neukölln gereist. Erstmals wurden während des viertägigen Schützenfestes neben dem neuen Schützenkönig und der Blütenkönigin auch ein Bürgerkönig und eine Bürgerkönigin ermittelt. Am Sonnabendmittag stellten die Schützen und Schützinnen sich im Garten des Vereinsgeländes auf, um ihren noch amtierenden Schützenkönig Günter Gottschald zu verabschieden.

Anschließend enthüllten Sportstadträtin Karin Korte (r.) und Oliver Neumann (l.), 1. Vorsitzende der Berliner Schützengesellschaft, gemeinsam ein Acrylglasschild am Schützenhaus. Es trägt die Aufschrift „Immaterielles Kulturerbe Schützenwesen“ und wurde vom Deutschen Schützenbund in Abstimmung mit der Deutschen UNESCO-Kommission entwickelt. In der Begründung für die Aufnahme als immaterielles Kulturerbe heißt es u. a.: „Das Schützenwesen reicht von den stark christlich geprägten Bruderschaften im rheinischen-westfälischen Bereich über weltliche, zum Teil streng traditionell gelebte Bräuche im östlichen Deutschland und die eher bürgerlich-republikanisch veranlagten Gepflogenheiten der Vereine in den früheren freien Reichs- und Hansestädten bis hin zu den folkloristisch-fröhlichen Traditionen der süddeutschen Schützengesellschaften.“

„Wir wollen uns für die Nachbarschaft und die Gesellschaft weiter öffnen“, sagte der Vereinsvorsitzende Neumann. Bezirksstadträtin Korte betonte: „Mit 140 Jahren zählt die Berliner Schützengesellschaft zu den ältesten Sportvereinen Berlins. Seit den fünfziger Jahren ist sie in Neukölln, anfangs in der Hasenheide und seit 1984 in der Oderstraße zu Hause. Sie gehört somit zu unserer bezirklichen Vereinslandschaft.“

Pünktlich zum Jubiläum gab die BSG eine Festschrift heraus, die der Chronist Alexander Geipel (l.) an Stadträtin Korte übergab, die in Begleitung der Bezirksverordneten und SPD-Fraktionsvorsitzenden Cordula Klein gekommen war. Grußworte für die knapp 130 Seiten starke Veröffentlichung schrieben neben Bezirksbürgermeister Martin Hikel auch Kai Wegner, Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin, Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Härtel, Präsident des Landessportbunds Berlin sowie Alexander Boursanoff, Präsident des Schützenverbandes Berlin-Brandenburg. „Die Berliner Schützengesellschaft 1882 ist erfolgreicher Ausrichter von Sportveranstaltungen“, hob DOSB-Präsident Weikert hervor und erinnerte daran, dass die Berliner Schützengesellschaft bereits 1985 mit der Sportplakette des Bundespräsidenten ausgezeichnet wurde. „Sie bieten Ihr Sportangebot komplett unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft an und ermöglichen durch Veranstaltungen wie Skatturniere, Weihnachts- oder Faschings- und Silvesterfeiern auch Beisammensein außerhalb des Trainingsbetriebs“, schrieb LSB-Präsident Härtel der BSG anerkennend. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Kai Wegner unterstrich: „Sportlich-fairer Wettstreit, Gemeinschaftserlebnis und Ehrenamt werden bei der Berliner Schützengesellschaft großgeschrieben. So fördern Sie das Miteinander der Generationen, und auch Frauen sind in der vermeintlichen Männerdomäne Schützenwesen schon lange ein selbstverständlicher Bestandteil in Ihrem Vereinsleben.“

Die Höhen und Tiefen in der Geschichte des Vereins sind bis 1945 eng mit dem Schützenhaus Schloss Kaulsdorf verbunden, das 1909 eingeweiht wurde. Im Mai 1932 wurden auf den Schießständen in Kaulsdorf die Deutschen Meisterschaften im Fünfkampf unter Beteiligung von 80 Schützenvereinen und Gilden durchgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das im sowjetischen Sektor liegende Vereinshaus enteignet. Nachdem der Magistrat von Groß-Berlin der Schützengesellschaft die Genehmigung zur Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes erteilt hatte, fand im Juli 1951 das erste Schießen mit dem Luftgewehr im „Blauen Saal“ bei Schultheiss-Hasenheide statt. 1954 wurde eine Anlage mit 25 Schießständen für Luftgewehr hinter der Kegelsporthalle in Betrieb genommen, wo heute der Neubau der Deutschen Rentenversicherung Bund steht. Der Schießbetrieb mit Feuerwaffen konnte erst 1959 nach Genehmigung der Alliierten auf einer US-amerikanischen Anlage in Wannsee unter strengen Auflagen wieder aufgenommen werden. Im Frühjahr 1977 zeichnete sich ab, dass die Schießstände an der Hasenheide nicht dauerhaft genutzt werden konnten. Der Vorstand der BSG bat Bezirksbürgermeister Dr. Heinz Stücklen daraufhin, bei der Beschaffung eines neuen Grundstücks in Neukölln behilflich zu sein. Nach langer Grundstücksuche wird der Berliner Schützengesellschaft schließlich im August 1983 das Grundstück Oderstraße 18 vom Sportamt Neukölln überlassen. Im Oktober 1984 weihten der Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Peter Rebsch, der zugleich Ehrenmitglied des Deutschen Schützenbundes war, und der Neuköllner Bezirksbürgermeister Arnulf Kriedner das neue Schützenhaus schließlich feierlich ein.

Heute kann im Schützenhaus an der Oderstraße, das direkt gegenüber vom Crash-Gate des Tempelhofer Feldes liegt, mit dem Luftgewehr und der Luftpistole geschossen werden. Beide Disziplinen sind am weitesten verbreitet und bilden die Grundlage für alle anderen Disziplinen des Deutschen Schützenbundes. Das Vereinsheim in Neukölln verfügt über zwei Anlagen, auf denen die Disziplin Laufende Scheibe durchgeführt werden kann. „Nicht jeder, der in einen Schützenverein eintritt, kann sich gleich eine eigene Waffe zulegen“, erklärte mir Rainer Auge, der im Jubiläumsjahr 1982 der 100. Schützenkönig der BSG war, bei einem Rundgang. Der Schießbetrieb mit Feuerwaffen findet auch nach 1990 weiterhin in Wannsee statt. Beim legalen Erwerb einer scharfen Waffe sind zahlreiche behördliche Auflagen zu erfüllen, die beispielsweise im Handbuch Waffenrecht für die Praxis von Heller / Soschinka / Rabe aufgeführt sind. Für erfolgreiche Sportschützen jeden Alters und Geschlechts sind gute Nerven, eine ruhige Hand und innere Ruhe ebenso wichtig wie eine gute allgemeine Kondition, um den eigenen Körper unter Kontrolle halten zu können.

2. Vorsitzende der Berliner Schützengesellschaft ist Carola Naumann, die 2021 als erste Frau in der Vereinsgeschichte den Titel des Vogelkönigs errang. Jüngster sportlicher Erfolg des Schützenvereins, der aktuell 65 Mitglieder zählt: Der Schützenverband Berlin-Brandenburg proklamierte am Wochenende den Vereinskameraden Florian Säger zum neuen Landesschützenkönig. Er wird den lokalen Schützenverband beim Bundeskönigsschießen im Oktober in München vertreten. Dass das Schießen aber nicht nur ein Wettkampfsport ist, sondern auch als ein Gesellschaftssport betrieben werden kann, sollte nicht nur das offene Hoffest in der Oderstraße am Wochenende demonstrieren. Sichtlich beeindruckt berichteten mir einige Vereinsmitglieder, wie sie erst Mitte Mai zum 26. Alpenregionstreffen des Südtiroler Schützenbundes e. V. nach St. Martin ins Passeiertal gereist waren, um beim größten Schützenfest im deutschsprachigen Raum dabei zu sein.

=Christian Kölling=

 

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