Tag der Nachbarn: Schillerwerkstatt eröffnete Veranstaltungsreihe zum Thema „Räume und Teilhabe“

Deutschlandweit zeigten Nachbarinnen und Nachbarn am 20. Mai mit vielen kleinen und großen Aktionen – zu denen Hoffeste, Lesungen, Spaziergänge durchs Viertel gehörten – wie wichtig das nachbarschaftliche Miteinander ist. In der Neuköllner Karlsgartenstraße wurde der diesjährige Tag der Nachbarn dagegen nachdenklich begangen: „Was bedeutet die Schließung eines Nachbarschaftshauses?“, fragte das Demokratieprojekt im Schillerkiez, das von der Berliner Landeszentrale für Politische Bildung gefördert wird. Der Aktionstag war Auftakt einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Räume und Teilhabe“. Hintergrund der Reihe: Das Nachbarschaftshaus Vielfalt in der Karlsgartenstraße 6 wurde Ende 2021 in seiner bisherigen Form als Ankerort für 25 Vereine und Initiativen geschlossen. Bildungs- und Kulturstadträtin Karin Korte benötige das Haus dringend für die nebenan befindliche Volkshochschule Neukölln, lautete die Begründung des drastischen Schrittes, der vollzogen wurde, nachdem der Vielfalt e. V. als bisheriger Träger des Nachbarschaftshauses seinen Vertrag mit dem Bezirksamt nicht verlängert hatte. Korte erläuterte ihre Entscheidung in einer Presseerklärung. Darin bot sie den Initiativen und Vereinen, die im Nachbarschaftshaus mit Programm- und Beratungsangeboten vertreten sind, für eine Übergangszeit vage eine Zwischenlösung an, sofern sie nicht in neuen Räumlichkeiten untergebracht, oder in andere Strukturen vermittelt werden könnten.

„Wir haben aktuell mit der Volkshochschule Neukölln bis zum 31. August einen Kooperationsvertrag. Arbeitsgrundlage ist das Erwachsenenbildungsgesetz“, sagte mir Michael Zambrano, Vorstand des Schillerwerkstatt e. V., als ich den Aktionstag in der Karlsgartenstraße besuchte. Die Schillerwerkstatt hat die Trägerschaft im Haus übernommen, sodass u. a. ihre Siebdruckwerkstatt, der Migrantinnenverein-Berlin e. V., der in der Jugendarbeit tätige Mensch Raum Land e. V. sowie der spanischsprachige Club Berlin habla Toastmasters die Arbeit in der Karlsgartenstraße 6 vorerst fortsetzen können. Andere Initiativen und Vereine nutzen das Haus aus zwei Gründen inzwischen nicht mehr: Entweder ist ihre Arbeit nicht mit dem Erwachsenenbildungsgesetz vereinbar oder sie haben das Haus verlassen, weil es für sie bis März nicht zugänglich war.

„Das Nachbarschaftshaus ist ein Ort, an dem wir aufatmen und wieder wir selbst sein können“, sagte mir eine Frau vom Berliner Migrantinnenverein. Schon die Schriftstellerin Virginia Woolf habe in ihrem Essay „Ein Zimmer für sich allein“ beschrieben, wie wichtig eigene Räume und materielle Unabhängigkeit für Frauen seien, um erfolgreich arbeiten zu können. Das Café im Erdgeschoss sei für den Migrantinnenverein, der seit acht Jahren im Haus ist, deshalb unverzichtbar. „Unsere Erwartung ist, dass wir hier bleiben können!“, sagte mir auch Paulina Larafranco vom Toastmasters-Club Berlin habla. Toastmasters International ist eine in den USA gegründete Vereinigung zur Förderung der effektiven Kommunikation und des freien Redens in der Öffentlichkeit. In der Karlsgartenstraße treffen sich Menschen aus Polen, Mexiko, Italien und anderen Ländern mit Spaniern, um auf Spanisch oder Deutsch Konversation und Rhetorik zu üben..

Auf der Wiese im Hof des Hauses standen drei Dialogtische für die Arbeit in kleinen Gruppen bereit. „Wer sind wir, was ist passiert?“, „Was sollte noch gesagt werden, was fehlt?“ und „Welche Einbindungsperspektiven haben wir?“, lauteten die Fragen, die an den Tischen bearbeitet werden sollten. Hier konnten die verbliebenen Nutzerinnen des Nachbarschaftshauses mit ihren Gästen ins Gespräch kommen, zu denen u. a. der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir, die Grüne-Wahlkreisabgeordnete Dr. Susanna Kahlefeld sowie mehrere Neuköllner Bezirksverordnete gehörten. Die Zukunft des Nachbarschaftshauses – so war zu hören – wird wohl auch ein Thema der Bezirksverordnetenversammlung am morgigen Mittwoch werden. Kahlefeld, die auch stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Engagement ist, hatte kürzlich im Berliner Landesparlament nachgefragt, wie es berlinweit um die kostenfreie bzw. günstige Nutzung bezirklicher Räume durch Vereine bzw. Initiativen steht. Es war also genügend Gesprächsstoff vorhanden. Ein kräftiger Regenschauer unterbrach die Gespräche aber jäh und im Café, wo eine Musikgruppe des Migrantinnenvereins bereits wartete, konnte der Tag der Nachbarschaft bei Musik und Tanz trotz des ernsten Anlasses der Zusammenkunft doch noch fröhlich ausklingen.

=Christian Kölling=

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