Im Gesundheitskollektiv Berlin e.V. (GeKo) haben sich über 20 Menschen zusammengefunden, die beruflich in Sozialarbeit, Pflege, Medizin, Gesundheitswissenschaften, Pädagogik, Psychotherapie und Recht ausgebildet sind. Gemeinsam wollen sie das erste Stadtteil-Gesundheitszentrum Berlins dauerhaft einrichten. Auf dem ehemaligen Kindl-Gelände kann das Gesundheitskollektiv seit Dezember 2021 zwei Etagen im Haus „Alltag“ nutzen. Die Kinderarztpraxis Berg-Hafen und die allgemeinmedizinische Stadtteilpraxis sind in der Rollbergstraße 30 bereits eingezogen. Im März soll ein Café als zentrale Anlaufstelle und Begegnungsort im Kiez mit einem großen Fest eröffnet werden. Gesundheitsstadträtin Mirjam Blumenthal und Gabriela Gebhardt,
Vorsitzende des Gesundheitsausschusses der BVV-Neukölln, besuchten das im Aufbau befindliche Zentrum am vergangenen Donnerstag für ein Kennenlerngespräch.
Familienberatung, mobile Gesundheitsberatung oder Sozialberatung: Das Gesundheitszentrum berät nicht nur zu Fragen rund um die Gesundheit, sondern will sich gemeinsam mit den Einwohnern ganz grundsätzlich für einen gesunden Stadtteil einsetzen. Armut sowie schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen machen krank. Der Deutsche Ärztetag 2005 und der Deutsche Ärztetag 2013 haben diese Einsicht bestätigt. Anhand von Sozialdaten, die u. a. im Sozial-Atlas Berlin zu finden sind, habe das Gesundheitskollektiv den Ort in Berlin gesucht, wo die größten Probleme bestehen und die Angebote deshalb am sinnvollsten seien, berichtete Patricia Hänel, die Ärztin und Koordinatorin des Kollektivs ist. „Gehen wir in den Wedding oder nach Neukölln?“, habe am Ende die Entscheidungsfrage gelautet. „Letztlich war das ehemalige Kindl-Gelände dafür ausschlaggebend, dass wir das Stadtteil-Gesundheitszentrum im Rollbergviertel eröffnet haben“, erklärte Hänel.
An der Grenze zwischen zwei QM-Gebieten ist das Projekt inzwischen sowohl im Rollbergviertel als auch im Flughafenkiez gut bekannt und vernetzt. Das Gesundheitszentrum dürfe allerdings nicht nur ein Sammelbecken für die Armen sein. Vielmehr müsse dort – bildlich gesprochen – der akademisch ausgebildete Jurist neben dem Flüchtling ohne Aufenthaltsstatus zu finden sein. Bisher sorge die Kinderarztpraxis dafür, dass die soziale Mischung im Gesundheitszentrum stimme, erklärten Patricia Hänel und Eva Weirich, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin für Kinder und Jugendliche auch im Case Management ausgebildet ist.
Bevor Gesundheitsstadträtin Blumenthal und die Bezirksverordnete Gebhardt die Räume des Gesundheitszentrums besichtigten, gab Ali Kantouri, Sportfachmann und Karatetrainer, noch einen praktischen Einblick in die Beratungsarbeit des Kollektivs. Kantouri bietet Jugendlichen auf dem Spielplatz in der Rollbergsiedlung spontan und kostenfrei seine Übungen in Karate, Fußball, Volleyball oder Schach zweimal wöchentlich an. Dabei lernte er auch einen Jugendlichen kennen, der Schulprobleme hatte und unter Selbstmordgedanken litt. Kantouri konnte ihn überzeugen, sich in einer psychologischen Beratung helfen zu lassen. Auch für die Mutter und andere Familienangehörige stünden Beratungsangebote bei Bedarf bereit.
Das Gesundheitskollektiv Berlin gehört dem Poliklinik-Syndikat an, in dem auch die Hamburger Poliklinik Veddel sowie das Solidarische Gesundheitszentrum Leipzig sind, die alle gemeinsam die Arbeitsbedingungen für Gesundheitszentren verbessern wollen. Während die Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen im stationären Bereich – etwa im Krankenhaus – nämlich kein Problem ist, gilt in der ambulanten Pflege ein sogenanntes Kooperationsverbot. Ambulante Gesundheitszentren müssen sicherstellen, dass die Angebote der Arztpraxen, Physiotherapeuten, Logopäden und anderen Heilmittelerbringern strikt voneinander getrennt sind. Die Vorsitzende des BVV-Gesundheitsausschusses Gabriela Gebhardt versprach am Ende des Gespräches, dass die Arbeit des Stadtteil-Gesundheitszentrums in absehbarer Zeit auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt werde. Zunächst müsse allerdings über den Haushalt beraten werden.
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