17. Todestag von Hatun Sürücü: Gedenken in Neukölln und Tempelhof

Zahlreiche Kränze und Gebinde schmückten am Montagvormittag den Gedenkstein an der Tempelhofer Oberlandstraße, der an einen sogenannten „Ehrenmord“ erinnert, der Berlin erschütterte, und bundesweit eine Debatte über die Ehrvorstellungen muslimischer Familien in Deutschland auslöste. „Hier wurde Hatun Sürücü am 7. Februar 2005 ermordet, weil sie sich Zwang und Unterdrückung ihrer Familie nicht unterwarf, sondern ein selbstbestimmtes Leben führte. Zum Gedenken an sie und die weiteren Opfer von Gewalt gegen Frauen in dieser Stadt“, steht in Deutsch und Türkisch auf der Bronzetafel des großen Findlings. Ein jüngerer Bruder hatte die 23 Jährige in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung auf offener Straße erschossen, weil sie einen westlichen Lebensstil gepflegt und damit die strenggläubigen Moralvorstellungen ihrer Familie verletzt hatte. Sie war aus einer Zwangsehe geflohen, hatte ihre in Kreuzberg beheimatete Familie verlassen, lebte als alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn in einer eigenen Wohnung und war kurz davor, eine Ausbildung zur Elektroinstallateurin abzuschließen. Ein cineastisches Denkmal für Hatun Sürücü setzte ihr der Film „Nur eine Frau“, der 2019 in Neukölln uraufgeführt wurde.

„Zusammen mit Terre des Femmes haben wir uns für diesen Gedenkstein eingesetzt“, sagte mir Christopher Schreiber, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, am Rand des jährlichen Gedenkens. „Wir wollen grundsätzlich mehr Sichtbarkeit für Opfer von Gewalt im Namen der Ehre herstellen, denn auch Schwule und Lesben sind davon stark betroffen“, fügte er hinzu. Aus Tempelhof-Schöneberg waren Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann, fast sein gesamtes Bezirksamts-Kollegium sowie BVV-Vorsteher Stefan Böltes zur Gedenkveranstaltung gekommen. Ebenso nahmen Personen an der Kranzniederlegung teil, die auf Landes- oder Kommunalebene in Stadtgesellschaft, Verwaltung und Politik tätig sind. Darunter aus Neukölln die Abgeordnete Dr. Susanne Kahlefeld sowie Mitglieder der Grünen BVV-Fraktion.

In Neukölln hatte Bezirksbürgermeister Martin Hikel bereits zwei Stunden früher am Montagmorgen auf der Hatun-Sürücü-Brücke, die nahe der Weißen Siedlung über den Neubauabschnitt der A100 führt, gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragte Sylvia Edler und der Beauftragten für Integration Güner Balci einen Kranz niedergelegt. Auch die Bezirkstadträtinnen Karin Korte, Mirjam Blumenthal und Sarah Nagel sowie der Bundestagsabgeordnete Hakan Demir waren am südlichen Teil der Sonnenallee erschienen, um zusammen mit jungen Männern vom Projekt Heroes und Vertreterinnen des Netzwerkes Frauen in Neukölln einige Blumen an der Brücke anzubringen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus ruft zu Bewerbungen für den 2013 initiierten Hatun-Sürücü-Preis auf. Mit diesem Preis werden Projekte und Initiativen ausgezeichnet, die Mädchen und junge Frauen unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen. Zum 10. Jubiläum findet die Preisverleihung erstmals am 29. April 2022, in der Woche des Girls’ Days, statt. Nähere Informationen zum Bewerbungsverfahren:
https://gruene-fraktion.berlin/kampagne/hsp

=Christian Kölling=

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