Im neuen Bezirksamt sollen CDU und Linke zwei Ämter übernehmen

Am kommenden Donnerstag tritt die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln zu ihrer ersten Sitzung der neuen Wahlperiode zusammen. Die Wahl des Bezirksbürgermeisters und die Besetzung der Stadtratsämter gemäß Paragraph 35 des Bezirksverwaltungsgesetzes werden ein wichtiger Punkt der Tagesordnung sein. Die Fraktionen von SPD und Grünen, die mit 18 bzw. 11 Verordneten eine Mehrheit im 55 Sitze zählenden Bezirksparlament haben, verständigten sich bereits Mitte Oktober auf eine Zählgemeinschaftsvereinbarung zur Fortführung der rot-grünen Zusammenarbeit () in Neukölln.

Das Ressort für Soziales soll im neuen Neuköllner Bezirksamt nach dem Willen der Zählgemeinschaft die CDU übernehmen. „Natürlich ist das ein Versuch mich politisch kaltzustellen. Das Kalkül der rot-grünen Mehrheit im Bezirk ist, mir ein aus ihrer Sicht ‚unwichtiges‘ Amt zu geben“, kommentierte Falko Liecke bereits am 15. Oktober und fügte hinzu: „Das Sozialamt wurde die letzten Jahre sträflich vernachlässigt. Ich sehe da einige Ansatzpunkte, um wichtige Weichen zu stellen.“ Am Montag nominierte ihn die Neuköllner CDU-Fraktion bei ihrer konstituierenden Sitzung in geheimer Wahl einstimmig als Stadtratskandidaten. Liecke ist seit 12 Jahren im Bezirksamt, war bislang stellvertretender Bürgermeister und leitete bereits die Bereiche Bürgerdienste sowie Jugend und Gesundheit. „Sollte ich gewählt werden, möchte ich mich verstärkt um die Neuköllner Seniorinnen und Senioren sowie um die Obdachlosenhilfe – besonders die Vermeidung von Obdachlosigkeit – kümmern“, schrieb er mir am Dienstag. Sozialleistungen für die Schwächsten müssten einfach funktionieren. Gleichzeitig müsse dem Missbrauch ein Riegel vorgeschoben werden. Mit dem Jobcenter sei ebenso wie bei den ambulanten und stationären Leistungen im Pflegebereich eine enge Zusammenarbeit wichtig. „Besonders bei mobilen Pflegediensten lohnt sich eine genaue Betrachtung“, erklärte Liecke.

Das Ordnungsamt soll nach den Vorstellungen der rot-grünen Zählgemeinschaft die Partei Die Linke übernehmen. “Wir waren überrascht: Das Ordnungsamt ist erst einmal nicht so naheliegend. Doch wir werden die Aufgaben jetzt anpacken. Um den öffentlichen Raum wird es in den nächsten Jahren sicherlich noch Auseinandersetzungen geben“, sagte mir Sarah Nagel am Dienstag. Eine Mitgliederversammlung der Neuköllner Linken hatte sie am Abend zuvor als Stadtratskandidatin nominiert. Auf der Versammlung, die nach ihrer Einschätzung „lebendig diskutierte“, setzte sie sich in einer Abstimmung gegen Ahmed Abed durch. Die Neuköllner Linke erzielte bei der BVV-Wahl mit 2,8 Prozentpunkten die größten Stimmengewinne aller Parteien und kam auf 15,0 Prozent. „Ich freue mich, dass wir unser Wahlziel erreicht haben und erstmals ein Ressort im Neuköllner Bezirksamt besetzen können“, sagte mir Nagel am Telefon. „Wir fordern schon lange, die stigmatisierenden Razzien in Shisha-Bars und Spätis zu beenden. Hier ist eine Aufarbeitung nötig“, erklärte sie weiter. „Wir wollen Politik für die Neuköllnerinnen und Neuköllner machen, nicht für diejenigen, die Profite aus unseren Kiezen schlagen wollen. Deshalb können wir uns zum Beispiel gut vorstellen, dass illegale Hostels und Ferienwohnungen stärker kontrolliert werden“, ergänzte sie. Sarah Nagel ist Regionalwissenschaftlerin und arbeitete bisher im Bereich Strategie und Grundsatzfragen der Bundesgeschäftsstelle der Partei Die Linke.

Bezirksbürgermeister soll am 4. November vereinbarungsgemäß Martin Hikel werden. Auch Karin Korte wurde für eine zweite Amtszeit als Stadträtin für Bildung, Schule, Sport, Weiterbildung und Kultur vorgeschlagen. Den dritten Dezernentenposten der SPD soll Mirjam Blumenthal im neuen Bezirksamt übernehmen, das von fünf auf sechs Mitglieder vergrößert wurde. Als Stadträtin für Jugend und Gesundheit will sie den CDU-Politiker Falko Liecke ablösen. Die Fraktion der Grünen schlug Jochen Biedermann als Stadtrat für Stadtentwicklung, Straßen und Grünflächen, Umwelt und Natur vor. Er soll auch stellvertretender Bezirksbürgermeister werden, weil seine Partei die zweitgrößte Fraktion der BVV stellt. Biedermann wurde bereits am Dienstag auf einer Mitgliederversammlung der Neuköllner Grünen offiziell als Kandidat für die Wahl der Bezirkstadträte benannt. Eine Kreisdelegiertenversammlung der Neuköllner SPD wird schließlich am 31. Oktober über den Abschluss der rot-grünen Zählgemeinschaftsvereinbarung sowie die über die Vorschläge zur Besetzung des Bezirksamtes abstimmen.

Aus den BVV-Wahlen am 26. September ging die SPD mit 28,7 Prozent als stärkste Partei hervor, auch wenn sie 1,7 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2016 verlor. Die CDU konnte zwar ihr Ergebnis um 0,6 Prozentpunkte auf 16,9 Prozent verbessern, wurde aber nur drittstärkste politische Kraft. Die Grünen steigerten ihr Ergebnis um 2,7 Punkte auf 17,6 Prozent. Die AfD verlor 5,7 Punkte und erhielt 7,1 Prozent. Unter den vier künftigen AfD-Verordneten ist Jörg Kapitän der einzige, der bereits in der vorherigen Bezirksverordnetenversammlung saß. Die FDP verbesserte ihr Ergebnis auf 4,9 Prozent. Sie ist jetzt mit 3 Verordneten in Fraktionsstärke im Bezirksparlament vertreten und erreichte damit ihr selbst gesetztes Ziel.

=Christian Kölling=

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