Kunstausstellungen, Konsumartikel oder politische Parteien: Es gibt kaum etwas, das nicht beworben werden kann. Plakate sind dafür seit fast anderthalb Jahrhunderten ein bewährtes Medium. Die Anfänge der Plakatwerbung lassen sich bis ins Zeitalter der Belle Époque zurückverfolgen. Damals experimentierte die Pariser Bohème auf dem Montmartre mit den neuen künstlerischen Möglichkeiten der Lithographie. Erstmals war während der zweiten Industriellen Revolution die massenhafte Herstellung großformatiger und farbiger Plakate technisch möglich geworden. „Toulouse-Lautrec und die Plakatkunst der Belle Époque“ heißt eine Wanderausstellung, die die Kulturstiftung Schloss Britz gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem Tübinger Institut für Kulturaustausch und dem Brüsseler Musée d’Ixelles zeigt. Kürzlich konnte ich die beachtenswerte Sammlung, die über 60 Hauptwerke der französischen Plakatkunst um 1900 präsentiert, im Schloss Britz anschauen.
„Mit heutigen Worten würden wir sagen, dass damals die Werbegraphik durch die Decke gegangen ist. Nur für Plakate waren in Paris zwei eigene Galerien entstanden. Namhafte Künstler entwarfen Plakate für Tanzlokale und Theater, für Zeitschriften und Luxusgüter wie Fahrräder oder Kakao. Werbung wurde zur Kunstform“, erklärte Dr. Martin Steffens, Geschäftsführer der Kulturstiftung Schloss Britz. Im Zentrum der Ausstellung stehen die herausragend modernen Arbeiten von Henri de Toulouse-Lautrec, der als die schillerndste Figur der Pariser Kunstszene gilt. Kleinwüchsig und von adliger Herkunft war er in doppelter Hinsicht ein gesellschaftlicher Außenseiter, der in der proletarisch-künstlerischen Gegenwelt des Montmartre eine Zuflucht gefunden hatte. Neben den Werken von Toulouse-Lautrec sind aber auch Arbeiten von Pierre Bonnard, Alfons Mucha, Théophile-Alexandre Steinlen, Eugène Grasset ,Clémentine-Hélène Dufau und von Jules Chéret, dem Pionier der lithographischen Plakatkunst, zusehen. Alle Exponate sind um die drei Themenschwerpunkte Warenwelt, Nachtleben sowie Zeitschriften und Bücher gruppiert.
Als Portraitmaler verewigte Toulouse-Lautrec Stars seiner Zeit wie den Kabarettsänger und Nachtclubbesitzer Aristide Bruant, den er im dunklen Mantel mit schwarzem Hut und rotem Schal zeichnete, oder die Tänzerin Jane Avril, die er aus dem
Orchestergraben hinter einem Kontrabass beobachtete, wie sie beim Cancan im Rüschenkleid das Bein schwang. Das bekannteste Plakat seines OEuvre dürfte jedoch eine Graphik für das Tanzlokal Moulin Rouge sein, die um 1891 entstand. Das Plakat wurde auf einem Karren die Prachtstraße Champs Élysées hoch und runter gefahren. Insbesondere diese drei Motive aus dem Pariser Nachtleben brachten Toulouse-Lautrec den Ruf eines Revolutionärs der Plakatkunst ein. So manches Klischee, erotische weibliche Darstellung, schreiende Farben und dosierte Schockeffekte wurden von ihm als Stilmittel für die Werbung entdeckt.
Die Ausstellung, die noch bis 5. Dezember gezeigt wird, ist Dienstag bis Sonntag, zwischen 12 und 18 Uhr geöffnet. Spontane Besuche sind inzwischen wieder möglich. Tickets können aber auch auf der Website http://www.schlossbritz.de online erworben werden. Der Eintritt in die Sonderausstellung beträgt 8 / ermäßigt 5 Euro. Christian Schnell, der die Ausstellung kuratierte, bietet an jedem 2. Sonntag im Monat sowie nach Vereinbarung Führungen an. Zur Wanderausstellung ist außerdem ein Katalog für 24,90 Euro erschienen.
Das Begleitprogramm der Ausstellung in Britz beinhaltet ein Angebot für Kinder und Schulgruppen. Erst an diesem Wochenende gab es einen Workshop zum KinderKulturMonat.
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