1.034.709 Berlinerinnen und Berliner stimmten am Wahlsonntag mit einem Ja für den Volksentscheid der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen”. Der zukünftige Berliner Senat wird somit unmissverständlich aufgefordert, ein Gesetz zu erarbeiten, das große privatwirtschaftliche Wohnungskonzerne, die mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt besitzen, auf Grundlage von Artikel 15 des Grundgesetzes enteignet und vergesellschaftet. Ausdrücklich ausgenommen sind von dieser Forderung allerdings Unternehmen in öffentlichem Eigentum, kommunale Wohnungsbaugesellschaften in privater Rechtsform sowie Bestände in kollektivem Besitz der Mieterschaft.
Mit 56,4 Prozent Ja-Stimmen und 39 Prozent Nein-Stimmen fiel das Votum der Wählerinnen und Wähler überraschend deutlich aus. Gut gelaunt trat die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen”, die im April 2018 startete, deshalb am Montagmittag für eine Bilanz vor Kameras und Mikrofone der Medien. Die Pressekonferenz fand im großen Saal des Refugio in der Neuköllner Lenaustraße statt. Hier, nicht weit vom Hermannplatz entfernt, betrug die Zustimmung für das Volksbegehren rund 85 Prozent.
„Es war eine schöne Nacht, es war eine anstrengende Nacht“, erinnerte sich etwas heiser Rouzbeh Taheri an die vorangegangene Siegesfeier der Initiative. „Unsere Forderung nach Vergesellschaftung vereint weit mehr Stimmen hinter sich als jede Partei, die am Sonntag zur Wahl angetreten ist“, hob er hervor. Jede neue Regierungskoalition – egal in welcher Zusammensetzung – müsse den Volksentscheid jetzt ernst nehmen. Die Initiative werde bereits die Koalitionsverhandlungen eng begleiten. „Wir sind bereit über das Wie des Gesetzentwurfes zu reden, aber nicht über das Ob“, so Taheri. Das Parlament müsse nun einen Entwurf erarbeiten. Die Initiative stelle dafür gerne ihren eigenen Gesetzesentwurf zur Verfügung, über den am Sonntag ausdrücklich nicht abgestimmt wurde. Viele Arbeitsschritte des Gesetzentwurfes könnten parallel bearbeitet werden und es sei deshalb möglich, dass das Gesetz bereits im Frühjahr 2022 in das Parlament eingebracht werden könne.
„Unser Ziel ist, grundsätzlich Spekulation mit Wohnungen zu verhindern. Wir wollen diese Art von Immobilienkonzernen nicht in der Stadt haben!“, sagte Jenny Stupka. Der Volksentscheid habe in 10 von 12 Berliner Bezirken eine Mehrheit erhalten und thematisiere deshalb erkennbar ein stadtweites Problem. „Wir haben nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in den Außenbezirken viel Zustimmung bekommen“, erklärte Stupka. Selbst in Steglitz-Zehlendorf, wo die Gegner der Vergesellschaftung stärker waren, habe die Initiative noch 44 Prozent Ja-Stimmen bekommen. Fast jede vierte erwachsene Person lebe heute in Berlin ohne deutschen Pass und somit ohne Wahlrecht. „Unser Ergebnis könnte noch besser aussehen, wenn diese Menschen das Stimmrecht hätten“, vermutete die Aktivistin. Die Entwicklung und die Erfolge der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ würden weltweit von vielen sozialen Bewegungen aufmerksam verfolgt, führte sie weiter aus. „Wir haben die großen Wohnungskonzerne ein Stück weit gezähmt“, sagte Stupka mit Blick auf die Vergangenheit und kündigte für die Zukunft zuversichtlich an: „Wir sind ziemlich kampferprobt.“
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