Zwölf Jahre dauerte die Nazi-Diktatur, aber die Schatten des „Tausendjährigen Reiches“ liegen weiterhin über der Gegenwart. Jüngstes Beispiel in Neukölln: In der Philipp-Melanchthon-Kapelle im Orchideenweg in Berlin-Rudow rief eine Glocke mit nationalsozialistischen Symbolen, Reichsadler und Hakenkreuz zum Gottesdienst. Sie wurde 1935 gemeinsam mit der Kapelle eingeweiht. Erst kurz vor dem ersten Advent 2017 wurde die Glocke im Kirchturm stillgelegt und ein Prozess der Geschichtsaufarbeitung eingeleitet. Die Kirchengemeinde kam zu dem Schluss, dass die Glocke zwar abgenommen, aber erhalten werden sollte, um künftige Generationen daran zu erinnern, wie weit die Verquickung der Kirche mit nationalsozialistischen Ideologien ging. In der vergangenen Woche wurde die Rudower Kirchenglocke nun als Schenkung ins Museum Neukölln überführt.
Wie konnte es zur Verstrickung der evangelischen Kirche mit der Nazi-Ideologie kommen? Eine Gesprächsrunde im Geschichtsspeicher des Museums Neukölln mit Bischof Dr. Christian Stäblein (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), Pfarrerin Nora Rämer (Ev. Dreieinigkeitskirchengemeinde) und Museumsleiter Dr. Udo Gößwald, die am vergangenen Freitag im Internet übertragen wurde, setzte sich mit dieser Frage auseinander. Die Geschichte der Gemeinde und der Glocke in der Nazizeit wurde mit Unterstützung einer neutralen Expertin erforscht. Dr. Beate Rossié (Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart) und Pfarrerin Marion Gardei (Beauftragte für Erinnerungskultur und gegen Antisemitismus der EKBO) stellten Bezirksbürgermeister Martin Hikel und der Öffentlichkeit die in einer Broschüre zusammengefassten Forschungsergebnisse vor.
Wie die Glocke abgenommen und in das Museum transportiert wurde, dokumentiert ein Film, der während der Veranstaltung gezeigt wurde. Die Broschüre zur Geschichte der Glocke wird im Museum Neukölln erhältlich sein.
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