Wenn Heimatforscher eines fernen Tages versuchen sollten, die Lokalgeschichte des Berliner Ortsteils Britz zu rekonstruieren, werden sie wahrscheinlich den Oktober 2020 als ein wichtiges Datum identifizieren. Unter Federführung der Kulturstiftung Schloss Britz entwickelten sich im Ortsteil zwischen 2008 und 2012 das Schloss Britz – ein prächtiges Gutshaus am Britzer Kirchteich – und der dazugehörige Gutshof zu einer Kulturstätte mit überregionaler Bedeutung: Am 1. Oktober ging Sonja Kramer nach 15-jähriger Tätigkeit als Geschäftsführerin der Kulturstiftung in den Ruhestand und übergab offiziell die Geschäfte an ihren Nachfolger Dr. Martin Steffens, Kunsthistoriker und bisher Leiter des Kunst- und Kultur-Festivals 48 Stunden Neukölln.
„Frau Kramer hinterlässt ein konzeptionell und finanziell gut aufgestelltes Haus, das in den vergangenen Jahren mit seinen besonderen Angeboten immer wieder positiv in der Presse aufgefallen ist. Unter ihrer Regie entwickelte sich Schloss Britz zu einer angesehenen und abwechslungsreichen Kulturstätte mit jährlich rund 100.000 Besucherinnen und Besuchern. Neben regelmäßigen Konzertreihen wurden über 30 Sonderausstellung in Zusammenarbeit mit
internationalen und nationalen Leihgebern präsentiert“, erklärte Bezirksbürgermeister Martin Hikel am Donnerstagmittag zur Verabschiedung der langjährigen Geschäftsführerin.
Sonja Kramer war seit 1982 im Bezirksamt Neukölln in verschiedenen Veranstaltungsbereichen tätig und leitete seit 2006 den Kulturbetrieb im Schloss Britz. „Mit Herrn Dr. Steffens soll diese Entwicklung weitergeführt werden, damit Schloss Britz, die Perle des Bezirks, weiterhin viele Gäste auch über die Bezirksgrenze hinaus begeistert“, formulierte Hikel, der auch Vorstand der Kulturstiftung Schloss Britz ist, seine Erwartung an die Zukunft.
„Als ich hier hier 2005 mit meiner Arbeit angefangen habe, war die Dauerausstellung im Schloss Britz einmal wöchentlich geöffnet und nur nach telefonischer Voranmeldung zu besichtigen. Im Gutshof hatte das Grünflächenamt damals Material und Fahrzeuge untergebracht“, erinnerte sich Sonja Kramer, mit der ich Donnerstagmittag nach dem Ende der Feierstunde sprach. Neben einem umfangreichen Ausstellungs- und
Veranstaltungsangebot ist nach dem Umbau des Gutshofes und der Erarbeitung eines neuen Nutzungskonzeptes – quasi nebenbei – ein kleiner landwirtschaftlicher Schaubetrieb auf dem Areal entstanden. „Auf dem Gutshof fanden inzwischen
zahlreiche Märkte und Sommerfeste statt. Der Weihnachtsmarkt zählt inzwischen zu den Top-Ten der Stadt“, berichtete Kramer weiter.
In der Reihe der Veranstaltungen, Musik- und Theateraufführungen im Kulturstall, zu dem auch eine Freilichtbühne gehört, sticht besonders das alljährliche Jazz-Fest der auf dem Gutshof angesiedelten Musikschule Paul Hindemith hervor. Nicht zuletzt haben aber auch seit Anbeginn die wechselnden Ausstellungen mit Werken von Chagall, Rembrandt oder Hundertwasser das Angebot im Schloss Britz geprägt.
Das vielleicht schönste Erlebnis ihrer Arbeit bereitete Sonja Kramer die Ausstellung „Menschenbilder“ mit Werken von Armin Mueller-Stahl. „Spontan und unangemeldet ist eines Tages Armin Mueller-Stahl nach Britz gekommen, um sich die Ausstellung anzusehen. Sein Besuch auf Schloss Britz ist eine große Auszeichnung gewesen, über die ich mich sehr gefreut habe“, sagte Kramer mir.
Zur Feierstunde im Ochsenstall des Gutshofes war neben den Stadträten Karin Korte, Falko Liecke und Jochen Biedermann auch Ex-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, ehemaliger Vorstand der Kulturstiftung, gekommen. Frank Bielka, Neuköllner Bezirksbürgermeister zwischen 1989 und 1991, gehörte ebenso zu den Gästen wie Stadt und Land-Geschäftsführer Ingo Malter und Michael Schipper, Geschäftsführender Gesellschafter der Brandenburgischen Stadterneuerungsgesellschaft. Auch René M. Broeders, Leiter des deutsch-niederländisches Musiktheaters „Dimension Neukölln!“, und Gerhard Richter, Direktor des Zirkus Mondeo, waren neben vielen anderen auf der Abschiedsfeier erschienen.
Martin Steffens überreichte seiner Vorgängerin zum Abschied und als Dankeschön für die gute Zusammenarbeit in der
Einarbeitungsphase eine Reproduktion der Ansicht des Ritterguts Britz um 1880 aus der Sammlung Alexander Duncker. Bereits einen Tag später sollte er die Ausstellung „Janosch – Bilder & Geschichten“ eröffnen, an deren Konzeption Sonja Kramer noch maßgeblich beteiligt war. Ein Bericht über die Vernissage folgt morgen.
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