Zu nah am Original

Mit „Nutbush City Limits“ fing 1973 an der Seite ihres Ehemanns Ike Turner die Karriere von Tina Turner in Deutschland an. Nach der Scheidung machte die Sängerin solo weiter. Charts-Hits wie „Private Dancer“, „Typical Male“, „The Best“ und „What’s Love Got to Do With It“ brachten ihr satte Einnahmen durch verkaufte Tonträger, volle Hallen- und Stadien-Tourneen sowie zahlreiche Auszeichnungen ein – bis Tina Turner schließlich im Mai 2009 im Alter von 69 Jahren ihre Bühnenkarriere beendete.

Seitdem ist es ruhig um die Künstlerin geworden, die nun vor allem ihre Anwältin sprechen oder schreiben lässt – aktuell zum Leidwesen des Stars in Concert-Veranstalters. „Coco Fletcher gehört schon seit rund 20 Jahren als Tina Turner-Double zu unserem Ensemble und hat seit drei Jahren mit „Simply The Best“ eine eigene Show bei uns im Estrel“, resümiert Carolin Rentsch, die Marketingmanagerin des Neuköllner Hotels. Und Fletcher ist in ihrer Rolle überzeugend. So überzeugend, dass die von Bernhard Kurz (l.) produzierte Show vor einem halben Jahr in Las Vegas bei den Reel Awards 2020 als Best Musical Tribute Show ausgezeichnet wurde.

Damals war die erste Runde des juristischen Zwists mit Tina Turner bzw. ihrer Anwältin gerade ausgestanden. Adressat: Cofo Entertainment, der Veranstalter auswärtiger Gastspiele der Stars in Concert-Doubles. Der Vorwurf: Coco Fletcher sehe dem Original so ähnlich, dass die Tour-Plakate suggerieren würden, dass Tina Turner höchstselbst auf der Bühne stehe. Einer Empfehlung des Gerichts folgend, steht seitdem der Hinweis „Starring: Coco Fletcher als Tina Turner“ auf allen Werbeträgern.

„Für die Plakate der Shows in Berlin haben wir diese Empfehlung natürlich gleich mit übernommen“, sagt Carolin Rentsch. „Aber nun reicht Frau Turner auch das plötzlich nicht mehr und es gibt wieder eine Klage durch ihre Anwältin, diesmal gegen den Stars in Concert-Veranstalter.“ Die Forderung: Auf den Plakaten solle explizit darauf hingewiesen werden, dass ihre Mandantin in der beworbenen Show nicht selbst auftrete. „Einerseits ist die starke Ähnlichkeit natürlich ein Kompliment für Coco Fletcher, aber andererseits bedeuten die juristischen Auseinandersetzungen auch viel Aufwand für uns.“ Jetzt also wieder ein laufendes Verfahren. Obwohl es doch, so Bernhard Kurz, „eine bekannte Tatsache ist, dass Tina Turner ihre Karriere 2009 offiziell beendet hat und seitdem keine Live-Musik mehr macht.“

Dass der inzwischen in der Schweiz lebende Weltstar, der vom Musikmagazin Rolling Stone auf Platz 17 der 100 besten Sänger*innen aller Zeit geführt wird, jahrelang nichts gegen ihr Double unternahm und erst seit jüngster Zeit dagegen vorgeht, gibt Raum für Spekulationen: „Tina – The Tina Turner Musical“, von der Künstlerin autorisiert und mitgestaltet, hatte 2018 in London Premiere und steht seit März 2019 auf dem Programm des Hamburger Stage Operettenhauses. Wenn es also keine Langeweile ist, die die 80-Jährige antreibt, dann vielleicht das Streben nach Aufmerksamkeit und PR in eigener Sache.

Die Stars in Concert-Show „Simply the Best“ ist noch bis zum 11. Oktober im Estrel Showtheater (Sonnenallee 225) zu erleben; Eintritt: ab 43 Euro (Ticket-Hotline: 030 – 6831 6831)

=Gast=

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