Über 70 Straftaten, darunter zwei Dutzend Brandstiftungen, die vermutlich alle aus rechtsextremen Motiven seit 2016 in Neukölln begangen wurden, sind bis heute nicht aufgeklärt. Stattdessen deckten Journalisten, Rechtsanwälte sowie zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen verschiedene Ermittlungspannen und Skandale auf. Jüngste Enthüllung: Gegen Stefan K. – einer der beiden Polizeibeamten, die jahrelang im engen Kontakt mit der Britzer Initiative Hufeisern gegen Rechts standen, um sie gegen rechtsextreme Bedrohungen zu beschützen – läuft ein Gerichtsverfahren wegen führender Beteiligung an einem Gewaltübergriff auf einen Geflüchteten. Nach Zeugenaussagen habe K. den Geflüchteten verprügelt und sich dabei in rassistischer und nationalistischer Weise geäußert, lautet die Beschuldigung.
„Wir sehen in der Kommission von zwei bis drei externen Experten, die Innensenator Geisel im September bei der Polizei einsetzen will, keine Lösung. Wir fordern deshalb zur Aufklärung des ‚Neukölln Komplexes‘ noch in dieser Legislaturperiode einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses“, sagte Jürgen Schulte von Hufeisern gegen Rechts, mit dem ich in dieser Woche aufgrund der aktuellen Pressemitteilung der Britzer Anwohnerinitiative sprach.
„Seit Gründung unserer Initiative haben wir immer wieder die Unterstützung der örtlichen Polizei bei der Sicherung unserer Veranstaltungen und unserer Aktivitäten gesucht. Vor allem die Zusammenarbeit mit der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) beruhte von unserer Seite auf der Grundlage der Integrität der zugehörigen Polizeibeamten“, erinnert sich Schulte: „Der Umstand jedoch, dass mittlerweile Verdachtsmomente existieren, die auf eine – mindestens geistige – Kumpanei von Mitgliedern der Ermittlungsbehörden und der rechten Gewalttäter sowie deren politisches Umfeld hinweisen, lässt die uns gegenüber an den Tag gelegte vertrauensheischende Haltung des betreffenden Beamten als ein übles Täuschungsmanöver erscheinen“, schränkt Schulte nun ein.
„Auch die neue externe Experten-Kommission ist auf die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden angewiesen. Gerade die zeigen aber dazu wenig bis keine Bereitschaft“, kritisiert er Geisels Vorschlag. Im Gegensatz dazu habe ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, für dessen Einrichtung sich bereits über 25.000 Berlinerinnen und Berliner ausgesprochen haben, die notwendigen Rechte zur Akteneinsicht und Zeugenvernehmung, um den Umgang der Ermittlungsbehörden mit den rechten Straftaten zu untersuchen. So könne der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Neuköllner Anschlagserie beitragen.
Am Donnerstag schloss sich die BVV Neukölln mehrheitlich in einer Entschließung der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss an, ohne einen Sonderermittler grundsätzlich abzulehnen: „Die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln unterstützt die Forderung nach einem Sonderermittler und einem Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus von Berlin zu den rechten Anschlägen in Neukölln“, beschloss das Bezirksparlament mit 30 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen.
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