Güner Balcı ist Neuköllns erste Integrationsbeauftragte mit Migrationshintergrund

„Sind Sie Deutsche, oder nicht?“ Güner Balcı, Sozialarbeiterin, Journalistin und Buchautorin, hat diese Frage sicherlich schon öfter gehört und wahrscheinlich nicht nur deshalb, weil ihr Nachname mit dem türkischen Buchstaben „ı“ – einem i ohne Punkt – endet. Dass der AfD-Bezirksverordnete Andreas Lüdecke der seit 1. August amtierenden Neuköllner Integrationsbeauftragten diese Frage stellte, als sie sich am vergangenen Donnerstagnachmittag dem Integrations-Ausschuss vorstellte, hätte eigentlich genügend Stoff für eine integrationspolitische Grundsatzdebatte bieten können.

Balcı wurde in Neukölln als Tochter türkischer Eltern geboren und wuchs im Rollbergviertel auf, wo sie später in Projekten der Mädchenarbeit und Gewaltprävention arbeitete. Auch als Journalistin und Buchautorin – schwerpunktmäßig mit den Themen Zuwanderung und Islamismus – war sie immer in Deutschland tätig. Warum also diese Frage? Karin Korte, Arnold Mengelkoch und Jens Rockstedt. seit 2002 die drei Vorgänger als Integrationsbeauftragte, bekamen sie jedenfalls nie zu hören.

Doch die Grundsatzdebatte blieb aus. Kritik an mangelnder Einbindung des Migrationsbeirates bei der Stellenbesetzung sowie Kritik an politischen Positionen von Güner Balcı überschatteten zunächst die öffentliche Vorstellung der neuen Integrationsbeauftragten im BVV-Saal. Vor allem der Bezirksverordnete Ahmed Abed von der Fraktion Die Linke kritisierte vehement, dass der Paragraph 7 des Partizipations- und Integrationsgesetzes vom Bezirksamt bei der Stellenbesetzung nicht eingehalten worden sei. Zudem warf er Balcı vor, dass sie den ehemaligen SPD-Politikers Thilo Sarrazin 2011 unterstützt, sowie 2015 im Magazin Cicero einen Artikel unter der Überschrift „Der Islam ist eine geladene Waffe“ verfasst habe.

„Ich bin sehr gespannt auf meine ersten Moschee-Gespräche. Ich gehe da nicht als Journalistin hin, sondern als Integrationsbeauftragte. Die Menschen haben ihren Anspruch auf Religion, auch wenn sie konservativ sind“, erwiderte Balcı ihren Kritikern. „Mein Ziel ist, den Frieden für alle zu wahren, sodass jeder am Ende sein Ding machen kann“, sagte sie weiter und unterstrich, dass ihr die freie persönliche Entfaltung jedes Einzelnen sowie die im Grundgesetz garantierten Grundrechte besonders wichtig seien. Nach ihren drei ersten Baustellen im Amt gefragt, antwortete Balcı: „Ich habe eigentlich nur eine große Baustelle: Teilhabe an der Gesellschaft für alle, bei den Kita-Kindern angefangen bis hin zu den Rentnern. Wir sind eine viel zu getrennte Gesellschaft geworden. Ich sehe Kinder, die kommen hier an und ich sehe, dass die gleich untergehen.“

Demonstrativ trug die neue Integrationsbeauftragte, die nach eigener Aussage nie richtig Türkisch lernte und auch kein Arabisch beherrscht, bei ihrer Vorstellung im Integrations-Ausschuss ein rotes T-Shirt, das auf Brust und Rücken in Arabisch und Englisch den Slogan „Die Zukunft ist weiblich“ zeigte.

„Ich gratuliere dem Bezirksamt Neukölln für diese Entscheidung, auch von Seiten der FDP“, sagte nach Balcıs Vorstellung als Erster der Bezirksverordnete Roland Leppek. Verordnete von CDU und SPD schlossen sich diesem Statement im Namen ihrer Fraktionen an. Ursula Künning, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, gratulierte ebenfalls und sagte: „Ich bin sehr einverstanden. Balcı steht immer auf der Seite der Frauen und Kinder.“ Bernd Szczepanski, zweiter Co-Vorsitzender der Grünen-Fraktion, vermisste dagegen gleich zu Beginn der Sitzung, dass die neue Integrationsbeauftragte bislang kein Konzept vorgestellt habe, wie sie ihre Ziele umsetzen wolle.

Eine Kritik, der Güner Balcı nach 100 Tagen Einarbeitungszeit mit Hilfe des Neuköllner Konzeptes „Integration durch Normalität – Für ein gutes Zusammenleben in der interkulturellen Großstadt“ hoffentlich gut begegnen kann.

=Christian Kölling=

Eine Antwort

  1. Respekt und Aufmerksamkeit
    Frau Balci wird jetzt als Amtsperson erst recht unsere Aufmerksamkeit verdienen. Das ist Unterstützung für sie, die sie als selbständig beobachtende und denkende Bauftragte weiterhin braucht.

    Schon als Autorin konnte sie manchem helfen, die eigene Beobachtung und Beurteilung von Neuköllner Problemen, die gern nicht gesehen wurden, differenziert zu betrachten. Die S.-Keule gegen sie in Anschlag zu bringen, wie die Linke es tut, zeugt im Gegenteil dazu von unkritischer Voreingenommenheit, die sie nicht verdient.

    Viel Kraft und Ausdauer möchte ich ihr und uns Neuköllnern für die anstehenden Aufgaben wünschen!

    Richard

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