„Großstadt Neukölln. 1920 – 2020“ sensibilisiert für feinste Veränderungen im Stadtbild

Die Schlange derer, die gestern Abend auf dem Gutshof Britz auf Einlass ins Museum Neukölln warteten, war lang. Über 100 Gäste hatten sich angemeldet, um bei der Eröffnung der Ausstellung „Großstadt Neukölln. 1920 – 2020“ dabei sein zu können. Vernissagen mit Rednern, Begleitprogramm und Publikum hatte es schließlich seit dem Corona-Lockdown im März nicht mehr gegeben.

Als Berlin im Jahr 1920 zu Groß-Berlin erweitert wurde, entstand mit 3,8 Millionen Einwohnern nach London und New York die bevölkerungsreichste Stadt der Welt. Zudem war Groß-Berlin mit 878 Quadrat-Kilometern nach Los Angeles die am weitesten ausgedehnte Gemeinde weltweit. Am 1. Oktober jährt zum hundertsten Mal sich das Inkrafttreten des Groß-Berlin-Gesetzes, das einerseits der Stadt diese Superlative bescherte, andererseits aber auch für Neukölln den Verlust der Stadtrechte bedeutete. Die Ausstellung „Großstadt Neukölln. 1920 – 2020“ fragt nach den Veränderungen, die Neukölln seit der Eingemeindung zu Groß-Berlin 1920 erfahren hat und macht mit mikrohistorischen Betrachtungen an Schauplätzen zwischen Rollberg und Rudow die städtebauliche Entwicklung im Großstadtbezirk Neukölln visuell erlebbar.

„Unsere Besucherinnen und Besucher können Großfotos mit historischen Motiven der markanten acht Orte mit Würfeln selbst zusammenbauen – wie in einem Puzzle. Wer die Fotografien sorgfältig liest, wird angeregt, auf feinste Veränderungen im Stadtbild zu achten und kann so verschiedene Epochen miteinander vergleichen“, erklärte mir Museumsleiter Dr. Udo Gößwald. „Das heutige Neukölln wird durch eine Fotoserie von Gundula Friese eindrucksvoll in Szene gesetzt. Leon Kopplow hat Passagiere der U8 in Neukölln porträtiert“, sagte Gößwald weiter. Die Ausstellung, die eigentlich schon im Mai eröffnet werden sollte, ist ein Projekt im Rahmen von „Großes B – dreizehnmal Stadt“ zum Stadtjubiläum „100 Jahre Groß-Berlin“. Daran sind zwölf Berliner Bezirksmuseen und das Stadtmuseum Berlin mit Ausstellungen in den Bezirken und dem gemeinsam erarbeiteten OnlinePortal zur Stadtgeschichte www.1000x.berlin beteligt.

„Es ist schon faszinierend, den Wandel des Neuköllner Stadtbildes in den Fotografien zu verfolgen. Ein wirklich gelungener und origineller Beitrag zum Jubiläum von Groß-Berlin“, dankte Kulturstadträtin Karin Korte dem Museum Neukölln und seinem Leiter für die Arbeit. „Die Schaffung von Groß-Berlin war ein unheimlicher Kraftakt, der auch Konflikte herbeigeführt hat. Heute leben wir wieder in einer Zäsur. Unsere Gesellschaft verändert sich vielleicht unbemerkt“, deutete Bezirksbürgermeister Martin Hikel in seiner Rede eine mögliche Parallele zwischen Vergangenheit und Gegenwart an. Ausdrücklich empfahl Hikel den Katalog zur Ausstellung „Großstadt Neukölln. 1920 – 2020“, in dem u. a. Auszüge aus einem Aufsatz der Pariser Bürgermeisterin Anne Hildago zur ökologischen Umgestaltung der Stadt sowie ein Text der Stadtplanerin Cordelia Polinna mit dem Titel „Strategien für Neukölln 2050 enthalten sind.

Im weitläufigen Garten des Museums fanden die Gäste der Vernissage – unter ihnen auch der frühere Bezirksbürgermeister Bodo Manegold – ausreichend Platz. So gab es nach den Eröffnungsreden wieder – wie gewohnt – viele Möglichkeiten zu persönlichen Begegnungen. Museumsleiter Dr. Udo Gößwald, der 2021 in den Ruhestand geht, wollte mir gestern das Thema seiner nächsten Ausstellung im kommenden Jahr noch nicht verraten, bestätigte aber, dass die Planungen und Vorbereitungen bereits laufen. Der Musiker und Schriftsteller Stephan Krawczyk, der seit den 1990er Jahren im Bezirk lebt und inzwischen Wahl-Neuköllner sei, unterhielt die Gäste mit zwei Stücken und spielte auf der Gitarre sein Lied „Mein Neukölln“.

Die Ausstellung „Großstadt Neukölln. 1920 – 2020“ ist noch bis zum 4. April 2021 im Museum Neukölln (Alt-Britz 81) zu sehen; Öffnungszeiten: täglich 10 – 18 Uhr. Zur Ausstellung ist ein von Dr. Udo Gößwald herausgegebener Begleitband erschienen, der für 18 Euro Schutzgebühr erhältlich ist.

Wegen der Corona-Pandemie wurden Sicherheitsregeln eingeführt: Im Museum Neukölln dürfen sich maximal 12 Besucher*innen (Schutzmaskenpflicht!) gleichzeitig aufhalten, damit der notwendige Sicherheitsabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann.

=Christian Kölling=

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