Spitzenreiter ist der Schillerkiez nicht. Was den Anteil der Straßenfläche am Gesamtausmaß des Quartiers betrifft, nimmt er im Neuköllner Norden mit 28 Prozent lediglich den dritten Platz ein – überflügelt vom Donau- und Reuterkiez mit 31 bzw. 29 Prozent. Aber wieviel der fast 140.000 Quadratmeter Straßenfläche zwischen Flughafen-, Leine-, Oder- und der westlichen Seite der Hermannstraße ist Parkraum? Und wie viele Parkplätze gibt es in diesem Gebiet? Genug oder sogar mehr als genug, das ist zumindest in den meisten Straßen der aktuelle Eindruck. Wenn in zwei Wochen die Sommerferien vorbei sind, wird das aber wieder anders sein.
Weil es der Initiative ParkplatzTransform nicht um Subjektives, sondern um Zahlen und Fakten geht, machte sie sich kürzlich mit rund 30 Unterstützern zur Parkplätze-Zählung im Viertel rund um die Schillerpromenade auf. „Insgesamt 2.589 Parkplätze, die 32.363 Quadratmeter einnehmen, haben wir gezählt“, teilt Natalie Pavlovic, die Sprecherin der Initiative, mit. Das sind knapp 6,5 Prozent der Gesamtfläche des Kiezes. Spielplätze würden gerade einmal 1,2 Prozent einnehmen, Grünanlagen nur unwesentlich mehr:
„Die ungerechte Verteilung der Flächen ist in diesem Gebiet eklatant. Für mehr Flächengerechtigkeit müssen Parkplätze und Dauerparker verschwinden.“ Dafür sensibilisieren, wie viel öffentlicher Raum durch parkende Pkw privatisiert wird, ist ein Anliegen von ParkplatzTransform.
Im Schillerkiez ist die Intention vielerorts obsolet. Dass der ans Tempelhofer Feld angrenzende Parkstreifen entlang der Oderstraße längst zum Campingplatz umfunktioniert wurde, ist offenkundig. Dass einstige Fahrzeuge inzwischen zu Stehzeugen mutiert sind, signalisiert die Flora durch
ökologisch korrekte Parkkrallen oder mattierende Beschichtungen mit Laubdekor. Früher oder später kommt zuweilen auch noch ein knallgelber Behörden-Aufkleber zur Verzierung der Windschutzscheibe hinzu; doch grundsätzlich ist selbst monatelanges Parken nichts Verbotenes.
„Mit unseren Zahlen wollen wir Druck machen, dass Parken durchgängig kostenpflichtig wird“, sagt Natalie Pavlovic. Fahrzeuge, die mehr als 23 Stunden am Tag rumstehen und selten bewegt werden, gehören nicht in den stark begrenzten öffentlichen Raum – schon gar nicht gratis. Wer sein Auto kaum benutzt, könne es auch in einem Parkhaus abstellen. „Langfristig wollen wir eine autofreie Stadt mit viel Raum für städtisches Grün, für Parks, für ÖPNV, für Fuß- und Radverkehr, für Cafés, Kultur und Wohnraum“, so die ParkplatzTransform-Initiatoren. Aktuell planen sie Zählungen im Schöneberger Akazienkiez und in Friedenau, um auch dort Politik und Verwaltung mit fundierten Zahlen versorgen zu können.
=Gast=
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