„Das Corona-Virus ist aus dem Ski-Gebiet in den Mietskasernen angekommen“, mussten Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Gesundheitsstadtrat Falko Liecke auf einer sehr gut besuchten Pressekonferenz am Dienstagmittag im BVV-Saal des Rathauses Neukölln der Öffentlichkeit mitteilen. Bei einem kürzlich entdeckten Corona-Ausbruch in Neukölln wurden bis Dienstagvormittag 57 Personen positiv auf das Virus getestet. 369 Haushalte an verschiedenen Orten wurden deshalb unter Quarantäne gestellt. „Wir kommunizieren die Standorte der quarantänisierten Wohhäuser absichtlich nicht“, sagte Gesundheitsstadtrat Liecke. Bezirksbürgermeister Hikel ergänzte: „Wir wissen nicht genau, wieviele Menschen in den einzelnen Wohnungen leben. Die Zahl liegt pro Haushalt zwischen 1 und 10. Es werden mehr als 369 und weniger als 3690 Personen von der Quarantäne betroffen sein.“ Amtsarzt Dr. Nicolai Savaskan erklärte zum Gesundheitszustand der Infizierten: „Die meisten der 57 positiv Getesteten zeigen milde bis asymptomatische Verläufe. Nur ein Patient aus der Gruppe wird aktuell im Krankenhaus versorgt.“
Einzig und allein die Tatsache, dass die Haushalte des Arnold-Fortuin-Hauses – einem Modellprojekt, das auf Initiative der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH zurückgeht – unter Quarantäne stehen, wurde am Dienstag bestätigt: Weil in den Medien vorab die Adresse Harzer-/Treptower Straße genannt sowie Foto- und Filmaufnahmen des Wohnblocks veröffentlicht wurden, war eindeutig, um welches Haus es geht, auch wenn die Hausnummern nicht genannt wurden. „Wir begrüßen sehr den Aufruf des Bezirksamtes an die Presse, sensibel zu berichten“, teilte mir Georgi Ivanov vom transkulturellen Jugendverband Amaro Foro auf Anfrage mit. „Direkte Erfahrung mit Konflikten haben wir nicht: In der Abendschau vom vergangenen Montag wird aber darüber berichtet, dass Bewohner auf Journalisten ‘feindselig‘ reagieren. Wir finden es auch problematisch, wenn Journalisten, vor allem Kamerateams, in die Privatsphäre der Menschen eindringen. Es ist sowieso stressig genug, dass man positiv getestet wurde“, schrieb mir der Koordinator des Jugendverbandes von Roma und Nicht-Roma weiter. Amaro Foro wendet sich kontinuierlich gegen die Stigmatisierung der Sinti und Roma und arbeitet seit langem gegen die Verbreitung antiziganistischer Stereotype.
Auch wenn Ivanov dem Bezirksamt für seinen Appell an die Presse dankt, hat er trotzdem eine offene Frage an Bezirksbürgermeister Hikel und Gesundheitsstadtrat Liecke: „Wir fragen uns, wieso ganze Mietobjekte unter Quarantäne sind und ob das in anderen Häusern ebenso gehandhabt wird.“
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