Mit einer Kundgebung auf dem Richardplatz brachte Die Linke Neukölln am 1. Mai das Thema Bildung auf die Straße: Wegen coronabedingter Auflagen war allerdings die Versammlung auf eine Gruppe von 20 Personen beschränkt und die Zahl der neugierigen Demonstrationsbeobachter ebenso überschaubar wie das angerückte Polizeiaufgebot.
Gut 2.200 Schülerinnen und Schüler in zehn Klassen besuchten zu diesem Zeitpunkt schon seit einigen Tagen die Neuköllner Schulen. Am folgenden Montag, dem 4. Mai, sollte für weitere knapp 4.700 Kinder und Jugendliche in rund 60 Neuköllner Schulen die Wiederaufnahme des Lehr- und Lernbetriebs folgen. Sie gehören zu den Klassen der Jahrgangsstufe 6 an den Grundschulen und Grundstufen der Gemeinschaftsschulen sowie zur Jahrgangsstufe 9 und 12 an Integrierten Sekundarschulen/Gemeinschaftsschulen und zur Jahrgangsstufe 11 an Gymnasien. „Nach Auskunft der regionalen Schulaufsicht besuchen in den genannten Klassenstufen zur Zeit etwa 80 – 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule“, teilte mir erst vorgestern Henning Wolff, der Referent von Schulstadträtin Karin Korte, mit.
Auf der Kundgebung am 1. Mai forderte Philipp Dehne von der Initiative „Schule in Not“ in seinem Redebeitrag eine solidarische Schule mit fairen Lernbedingungen für alle, saubere Schulen gegen das Coronavirus sowie gute Arbeitsbedingungen für die an den Schulen arbeitenden Reinigungskräfte. „Schule in Not“ ist ein Bündnis aus Lehrkräften, Erziehern, Hausmeistern, Eltern, Sonderpädagogen und Bürgern. Es machte u. a.
im Oktober 2019 mit einer gutbesuchten Demonstration vom Rathaus Neukölln bis zum Hermannplatz auf sich aufmerksam. Berlinweit kämpft die Initiative für angenehme, saubere Lernorte und gute Arbeitsbedingungen für die Reinigungskräfte. Hauptforderung ist, dass die Reinigungskräfte wieder direkt beim Bezirksamt angestellt werden und ausreichend Zeit für ihre Arbeit erhalten. Der DGB Berlin-Brandenburg wie auch die GEW, ver.di und die IG BAU haben sich den Forderungen von „Schule in Not“ angeschlossen. Die Bezirksverordnetenversammlungen von Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg sprachen mit entsprechenden Beschlüssen für eine Rekommunalisierung der Schulreinigung aus.
In Neukölln gelang der Initiative das erste erfolgreiche Bürgerbegehren des Bezirks: 11.865 Unterschriften wurden am 22. Januar vor Beginn der BVV-Sitzung im Rathaus Neukölln übergeben. Bereits 6.990 gültige Unterschriften genügten für den Erfolg des Bürgerbegehrens. Über 7.500 gültige Unterschriften zählte das Bezirksamt und erkannte deshalb den Erfolg des Begehrens an. Die BVV kann nun die Forderungen der Initiative übernehmen, ablehnen oder mit den Initiatoren in Verhandlungen treten. Bleibt eine Einigung aus, könnte es bis spätestens 21. Juni zum ersten Neuköllner Bürgerentscheid kommen: Alle kommunalwahlberechtigten Einwohner Neuköllns wären bei diesem Entscheid dann aufgerufen, an einem festgelegten Wahlsonntag über die Forderungen der Initiative Schule in Not abzustimmen.
Auf der Tagesordnung der außerordentlichen Bezirksverordnetenversammlung, die vorgestern in verkleinerte Besetzung im Saal des Gemeinschaftshauses Gropiusstadt stattfand, wollte die SPD-Verordnete Cordula Klein in einer Großen Anfrage (Drucksache 1754/XX) u. a. vom Bezirksamt wissen, welche Maßnahmen der vom Senat gestellte Hygieneplan vorsieht, und vor welchen Herausforderungen das Bezirksamt steht, um die Schülerinnen und Schüler sowie das Personal zu schützen.
Der Grüne-Verordnete Bernd Szczepanski erkundigte sich in einer weiteren Großen Anfrage (Drucksache 1771/XX): „Waren und sind die Neuköllner Schulen gut auf die Wiederaufnahme des Unterrichts vorbereitet und verfügen sowohl über ausreichend Schutzausrüstungen, Reinigungs- und Desinfektionsmittel und kann die Reinigung insbesondere der Sanitärräume entsprechend den hygienischen Anforderungen organisiert werden?“
Beide Anfragen konnten während der regulären Sitzungsdauer allerdings nicht behandelt werden und ihre Beantwortung wurde vertagt. Stattdessen beschäftigte das Bezirksparlament eine mehr als anderthalbstündigen Auseinandersetzung, in deren Verlauf mehrere Mal der Ältestenrat einberufen werden musste. Dabei ging es darum, dass zwei der AfD angehörende Verordnete sich zunächst weigerten, den für die Teilnahme an der Sitzung vorgeschriebenen Mundschutz zu tragen.
Bei Twitter wurde unter dem Hashtag #bvvnk das Geschehen eifrig kommentiert. „Die 46 #bvvnk ist vorbei. Es wurde ein inhaltlicher TOP behandelt. In 3 Stunden (!)“, beklagte sich beispielsweise die SPD Neukölln. Der CDU-Bezirksverordnete Karsten Schulze kommentierte: „100 Minuten nach Beginn der Sitzung, die nur drei Stunden dauern wird, kommen wir endlich zum ersten inhaltlichen Tagesordnungspunkt. Der Grund dafür: Geschäftsordnungsstörfeuer der AfD. Peinliches und unwürdiges Schauspiel.“ Die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und Linken verurteilten anschließend in einer gemeinsamen Pressemitteilung das Verhalten der AfD-Verordneten und distanzierten sich von einer Kundgebung, die vor Beginn der Sitzung des Bezirksparlamentes am Bat-Yam-Platz stattfand.
Aus der Abteilung Bildung, Schule, Kultur und Sport erfuhr ich am Donnerstagnachmittag allerdings, dass die regionale Schulaufsicht an den Grundschulen im Bezirk abgefragt hat, wie der Neustart am vergangenen Montag verlief. „Die Rückmeldungen waren aus fast allen Schulen positiv. Bislang werden die in der Schule anwesenden Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen auf mehr Räume verteilt“, schrieb mir Referent Wolff „Wenn nach und nach mehr Jahrgänge wieder in die Schule gehen, stößt dieses Konzept natürlich irgendwann an seine Grenzen. Deswegen wird es nötig sein, die Stundentafel zu reduzieren und eine Art Schichtbetrieb zu organisieren. Für die Organisation des Unterrichts im Einzelnen sind die Schulen verantwortlich“, fügte er hinzu.
Das Thema Schulreinigung und das Bürgerbegehren der Initiative “Schule in Not” soll voraussichtlich auf die Tagesordnung der 47. ordentlichen Sitzung des Neuköllner Bezirksparlaments am 27. Mai kommen.
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