Rodung am Weigandufer: NABU erstattet Anzeige gegen Bezirksbürgermeister Hikel

Am Weigandufer wurden im Abschnitt zwischen Wildenbruch- und Fuldastraße am 16. Oktober 2019 entlang des Neuköllner Schiffahrtskanals auf einer Länge von ca. 300 Metern Großsträucher, Hecken und die Krautschicht komplett gerodet. Mit Datum vom 4. Februar 2020 erstattete nun der NABU-Regionalverband Leipzig wegen dieser Rodung eine Anzeige gegen Bezirksbürgermeister Martin Hikel sowie gegen alle Verantwortlichen des die Anzeige betreffenden Tatbestandes. Gegenstand der Anzeige: Verstoß gegen den Paragraph 44 Absatz 1, Nr. 1 bis 3 im Falle der besonders geschützten Vogelarten Haussperling, Feldsperling, Amsel und Rotkehlchen.

Die Ankündigung der Rodung stieß seit Februar letzten Jahres – nachdem der östliche Grünstreifen am Wildenbruchpark komplett entfernt worden war – bei Anwohnern monatelang auf massive Kritik. Höhepunkt der Proteste: Am letzten Mittwoch im September 2019 übergaben Anwohner der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln nach eigenen Angaben knapp 800 Unterschriften für den Erhalt des Grüns im westlichen Bereich des Weigandufers. Die Petitenten befürchteten u. a., dass die in den Sträuchern und Hecken lebenden Spatzen ihren natürlichen Lebensraum verlieren würden. Die Zählgemeinschaft aus SPD und Grünen lehnte allerdings noch am Tag der Unterschriftenübergabe einen Antrag der Fraktion Die Linke in der BVV Neukölln ab, der die vollständige Rodung der Sträucher und Hecken zwischen Weichselplatz und Wildenbruchpark verhindern sollte.

Zuvor war Bezirksbürgermeister Martin Hikel von ursprünglichen Planungen abgerückt und stellte den BVV-Ausschüssen für Verkehr sowie für Grünanlagen in einer gemeinsamen Sitzung am 4. September aktualisierte Pläne für den Umbau des Uferweges vor. „Entlang des Weigandufers werden nun 307 heimische Sträucher gepflanzt, die besonders vogel- und insektenfreundlich sind. Gepflanzt werden zahlreiche Johannisbeeren, Hunds- und Weinrosen, Berberitzen, Hartriegel, Weißdorn, Liguster, Heckenkirschen und Feldahorn. Die geplanten Sträucher werden eine Höhe zwischen 1 und 4 Metern erreichen“, hielt Hikel damals den Rodungsgegnern entgegen. Die vorhandenen Sträucher und Hecken zwischen Wildenbruchstraße und Weichselplatz seien Straßenbegleitgrün, das in der Vergangenheit nicht ordentlich gepflegt wurde und nicht erhaltenswert sei.

Aus Sicht der Vogelschützer waren diese Angebote allerdings unzureichend. Auch nach dem BVV-Beschluss organisierten sie am 13. Oktober eine Demonstration auf der Wildenbruchbrücke, und Karsten Peterlein, Vorstandsmitglied des NABU-Regionalverbands Leipzig, setzte sich nach Hinweisen der Bürgerinitiative „Weigandufer retten“ beim Umwelt- und Naturschutzamt Neukölln in einem Schreiben mit Datum vom 11. Oktober 2019 weiterhin für den Erhalt der Sträucher als Lebensraum der Sperlinge ein.

Peterlein, der in Leipzig Arbeitskreisleiter Ornithologie und Vogelschutz ist, kritisiert in der Anzeige jetzt u. a., dass er trotz eingehender Aufklärung nicht einmal eine geringfügige Anpassung der Bauplanung an artenschutzrechtliche Belange erreichen konnte. Es müsse nach mehreren Vor-Ort-Begehungen davon ausgegangen werden, dass Haussperlingen, Feldsperlinge, Amseln und Rotkehlchen am Weigandufer keine adäquaten Lebensstätten im erreichbaren Umfeld finden, daher auf Notbehelfe zurückgreifen, die sich langfristig negativ auf den Bruterfolg auswerten werden. Wenn es unerlässlich sei, für Infrastrukturmaßnahmen komplette Reviere zu zerstören, müssten bereits vor Rodungsbeginn funktionierende Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung stehen, kritisiert Peterlein in der Anzeige des Naturschutzbundes abschließend.

=Christian Kölling=