Hatun-Sürücü-Preis 2020 für ReachIna

„Mit dem grünen Frauenpreis für die Förderung der Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen rücken wir die Menschen in den Vordergrund, die sich oft im Stillen, aber mit Tatkraft und viel Herz für Mädchen und junge Frauen engagieren“, erklärten mir Anja Kofbinger und Dr. Susanna Kahlefeld, die ich am Freitagabend bei diesjährigen Verleihung des Hatun-Sürücü-Preises im Festsaal des Berliner Abgeordnetenhauses traf. „Gleichzeitig erinnern wir mit dem Preis an Hatun Sürücü, die am 7. Februar 2005 von einem ihrer Brüder ermordet wurde, weil sie ihr Leben selbstbestimmt und frei führen wollte“, fügten die beiden Neuköllner Politikerinnen hinzu, die in der Grünen-Fraktion für Frauen-, Gleichstellungs- und Queerpolitik bzw. für Partizipation und Beteiligung sowie Europa zuständig sind und den Frauenförderpreis gemeinsam zum achten Mal vergaben.

Der 1. Preis ging in diesem Jahr an den Neuköllner Mädchenstadtteilladen ReachIna der Outreach – Mobile Jugendarbeit Berlin in der Nansenstraße im Reuterkiez. Die Einrichtung bietet für Mädchen, Frauen und jugendliche Transgender seit 2000 verschiedene Freizeitaktivitäten wie Tanzen, Singen, Basteln, Kickern, Karaoke sowie Ausflüge. Seit 2017 werden auch mehrtägige erlebnispädagogische Fahrten organisiert. „Bei offenen sport-, sexualpädagogischen sowie bildungspädagogischen Angeboten stehen die Bedürfnisse der Besucherinnen an erster Stelle. Selbstbestimmung und direkte Partizipation sowie Hilfe zur Selbsthilfe bilden dabei die Basis“, begründete die fünfköpfige Jury ihre Entscheidung. Das Preisgeld in Höhe von 500 Euro stiftete Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).

Den 2. Preis erhielt „Die Freiheit, die ich meine – Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V.“ Das Projekt zur politischen Bildung orientiert sich an den Bedürfnissen muslimischer Mädchen und Frauen in Berlin-Mitte, indem es die Teilnehmerinnen ermutigt, sich bewusst mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen. Der 3. Preis wurde an Hania Hakiel-Komorebi vergeben, die sich seit vier Jahren beim gemeinnützigen Vereins „Give something back to Berlin“ für marginalisierte Geflüchtete, insbesondere Frauen und Kinder einsetzt. Ilknur Gümüs, Gründerin und Vorstandsmitglied des in Neukölln beheimateten Interkulturellen Beratungs- und Begegnungs Centrums e.V. (IBBC e.V.), stiftete 200 Euro als Preisgeld.

Mit dem Hatun-Sürücü-Preis und mit der stetigen Erinnerung an den Mord in der Tempelhofer Oberlandstraße, der sich am kommenden Freitag zum 15. Mal jährt, soll nicht zuletzt die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Gewalt an Frauen wachgehalten werden. Dieser Femizid – ein Mord an einer Frau, weil sie eine Frau ist – war nämlich kein Einzelfall. Allein 2019 wurden in Deutschland 135 Frauen zumeist von ihren Ex-Partnern bzw. Partnern getötet. Nachdem im Juni 2008 am Tatort ein Gedenkstein für Sürücü eingeweiht wurde, setzte ihr der Film „Nur eine Frau“, der Ende 2019 in Neukölln aufgeführt wurde, auch ein cineastisches Denkmal.

Am 7. Februar um 14 Uhr finden die Kranzniederlegung und das Gedenken zum 15. Todestag von Hatun Sürücü an der  Oberlandgarten 1/Ecke Oberlandstraße im Bezirk Tempelhof statt.
Am selben Tag laden der Berlier Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung und die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg von 18 bis 20 Uhr zur Gedenkveranstaltung „Erinnerung an Aynur Hatun Sürücü – für Frauenrechte und ein selbstbestimmtes Leben“ ins Rathaus Schöneberg (John-F.-Kennedy-Platz) ein. Auf dem Programm stehen viele Aktivitäten und die Musikerin Sookee.

Der Film „Nur eine Frau“ ist bis zum 2. März in der ARD-Mediathek verfügbar.

=Christian Kölling=

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