Mehrere Hundert Menschen beteiligten sich gestern Nachmittag unter dem Motto „Kein Platz für Nazis“ an einer Demonstration, die vom Hermannplatz über die Sonnenallee und Wildenbruchstraße bis zum Rathaus Neukölln führte. Anlass der Solidaritätsdemo, die das Bündnis Neukölln binnen weniger Tage organisierte: In der Wildenbruchstraße wurden in der Nacht zu Dienstag vergangener Woche ein Burger-Imbiss und ein Späti sowie zwei Cafés mit Hakenkreuzen und SS-Runen besprüht. Die Geschäfte sind nur einige Meter von der Polizeiwache an der Sonnenallee entfernt. Zeitgleich wurden bei Autos, die in der Nähe geparkt waren, die Reifen zerstochen.
„Unsere Alternative heißt Solidarität!“, rief Ferat Koczak in seiner Rede zum Auftakt den Versammelten auf dem Hermannplatz zu. Anfang letzten Jahres war der Politiker der Neuköllner Linken das Opfer eines Brandanschlages auf sein Auto geworden, das vor dem Haus seiner Eltern in Rudow nah einer Gasleitung lichterloh brannte. Reden hielten auch der Evangelische Kirchenkreis Neukölln, Bündnis 90 / Die Grünen Neukölln sowie die Initiative Hermannplatz. Vor der Konditorei Damaskus in der Sonnenallee, wo die erste Zwischenkundgebung stattfand, weil unbekannte Täter Ende Oktober dort eine Scheibe eingeworfen und Hakenkreuz-Markierungen hinterlassen hatten, verteilten Mitarbeiter des Geschäftes Süßigkeiten. Anschließend bog der Demonstrationszug in die Wildenbruchstraße ein, um unmittelbar vor den Geschäften, die jüngst angegriffen worden waren, eine zweite Zwischenkundgebung abzuhalten. Nach einem Wendemanöver des Lautsprecherwagens zog die Demonstration zurück durch die Wildenbruchstraße und weiter durch die Erkstraße zum Rathaus Neukölln, wo Bezirksbürgermeister Martin Hikel bereits auf dem Vorplatz wartete und u. a. Ferat Koczak begrüßte.
„Wir sind sicherlich nicht immer einer Meinung, aber in einem sind wir uns einig: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“, sagte eine Sprecherin des Bündnisses Neukölln bei der Abschlusskundgebung vor dem Rathaus Neukölln, bevor sie Hikel auf dem Lautsprecherwagen das Mikrophon übergab. Zahlreiche Demonstranten kritisierten auf Transparenten und Plakaten gleichermaßen Razzien gegen Shisha-Bars in der Sonnenallee wie auch Pläne für einen Neubau des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz. Hikel hat dagegen Polizei-Razzien gegen Clan-Kriminalität in der Sonnenallee zusammen mit Medienvertretern mehrmals begleitet und lehnt nicht grundsätzlich Neubaupläne von Karstadt am Hermannplatz ab.
„Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, müssen wir zusammenhalten, sonst haben die Rechten gewonnen!“, griff der Bezirksbürgermeister die Worte seiner Vorrednerin auf, um einen Appell zum Zusammenhalt anzufügen. Ausdrücklich forderte Hikel die Aufklärung der Neuköllner Anschlagsserie und sprach sich erneut dafür aus, dass die Taten als terroristisch eingestuft werden sollten. Während seiner Rede kam es zu einem kurzen Zwischenfall hinter dem Lautsprecherwagen: Ein Mann zeigte den Hitlergruß und versuchte ein Transparent zu beschädigen, wurde aber von herbei eilenden Polizisten rasch überwältigt und abgeführt.
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