Für eine „politische Frühstückspause“ verließen gestern Vormittag mehrere Dutzend Mitarbeiter der Haupt Pharma Berlin GmbH ihre Arbeitsplätze, um in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes an der Grade-/Moosrosenstraße gegen die Schließung des Unternehmens zu demonstrieren. Der Aufsichtsrat der Aenova Group, eines der weltweit führenden Unternehmen der Pharma- und Healthcare-Branche, fasste im September 2019 den Beschluss, das Britzer Traditionsunternehmen, das Aenova erst Anfang 2014 als Zukauf übernahm, zum 31.12.2020 komplett stillzulegen. Mehr als 150 Arbeitsplätze in Produktion und Verwaltung des Arzneimittelherstellers mit über 80-jähriger Geschichte sind in Neukölln von der Entscheidung des Aufsichtsrates bedroht.
„Es gibt für die Schließung von Haupt Pharma keine nachvollziehbaren Gründe“, kritisieren der Betriebsrat des Unternehmens und die IG BCE in einer Presseerklärung vom 26.November einhellig. Elke Swolinski, Gewerkschaftssekretärin im IG BCE Bezirk Berlin- Mark Brandenburg, erklärte auf der Kundgebung: „Immerhin war das Geschäft der Haupt Pharma Berlin GmbH attraktiv genug, um es zu erwerben, jetzt wird den Beschäftigten die Existenzgrundlage entzogen, das können wir nicht nachvollziehen. Wir erwarten, dass den Menschen eine Alternative zur Schließung mit einer verlässlichen Perspektive angeboten wird.“ Unter Beifall der Beschäftigten fasste Swolinski am Megaphon ihre Empörung zusammen: „Gekauft, ausgesaugt und geschlossen: Das ist nicht akzeptabel!“
Solidaritätserklärungen erhielten die Beschäftigen während der Kundgebung aber nicht nur von Siegfried Stolz, Vorsitzender der IG BCE Ortsgruppe Neukölln, seinem Kollegen der Ortsgruppe Steglitz-Zehlendorf sowie von einigen Mitarbeitern der Firma Linde, die aus dem benachbarten Werk in der Gradestraße gekommen waren. „Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der BVV Neukölln erklärt sich solidarisch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Haupt Pharma Berlin“, sagte mir der Fraktionsvorsitzende Bernd
Szczepanski am Rand der gestrigen Kundgebung. Zur Sitzung der BVV am morgigen Mittwoch will Szczepanski deshalb das Thema einbringen. Thomas Licher, Vorsitzender der Fraktion Die Linke in der BVV Neukölln, war ebenfalls nach Britz zum Ort des Protests gekommen. Am Ende der Kundgebung tauschten die beiden Kommunalpolitiker mit Gewerkschaftssekretärin Swolinski die Visitenkarten aus und luden die Betroffenen ausdrücklich zum Besuch der BVV-Sitzung am Mittwoch ein. Zum einen sei in Neukölln der Erhalt der Arbeitsplätze an sich schon wichtig, waren sich Swolinski, Szczepanski und Licher einig. Zum anderen gebe es gerade angesichts der aktuellen Arzneimittelversorgungskrise, die in der Fachpresse beispielsweise weiterhin für die Versorgung mit Ibuprofin gemeldet wird, vielleicht einige Chancen, um den Produktionsstandort und die Arbeitsplätze der Haupt Pharma Berlin in Britz zu erhalten.
Filed under: berlin, neukölln, wirtschaft | Tagged: haupt pharma britz, neuköllner traditionsfirmen |
Anmerkung: Das Unternehmen hat ihren Sitz in der Moosrosenstraße 7. Grüße
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