Heute vor einem Jahr wurde das Berliner Mobilitätsgesetz beschlossen. Es entstand unter dem Eindruck des Volksentscheides Fahrrad, für den die Trägerinitiative Changing Cities 2016 in weniger als vier Wochen über 105.000 Unterschriften sammelte, um weitreichende Verbesserungen für den Radverkehr in Berlin zu fordern. Ein geschützter Radstreifen (Fachbegriff: protected bike lane) ist in Teilen der Karl-Marx-Straße entstanden, was ohne die Volksinitiative und das folgende Mobilitätsgesetz nicht denkbar gewesen wäre.
Mit dem Gesetz, das nach dem Abgeordnetenhaus-Beschluss offiziell am 5. Juli 2018 in Kraft trat, soll Berlin bis 2030 eine gut ausgebaute Radverkehrsinfrastruktur erhalten. Der Fußverkehr soll in erheblichem Umfang gefördert und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) spürbar gestärkt werden. Neukölln muss sich bei der Umsetzung des Berliner Mobilitätsgesetzes nicht verstecken: Die Stellen im Bezirksamt für Radverkehrsplaner wurden zügig besetzt. Zwei Fahrradstraßen sind – nicht ohne politischen Druck der starken Fahrrad-Lobby im Bezirk – schon eingerichtet worden.
Weit über tausend Radbügel wurden auf Straßen und Wegen installiert. Neukölln unterstützt den Verleih von Lastenrädern. Der Böhmische Platz wurde erst jüngst verkehrsberuhigt und erhielt als Modell-Projekt einen Lastenrad-Parkplatz, für den es eine Auszeichnung gab. Sofern sich Bürgerinnen und Bürger für den Radverkehr starkmachen und auf eine handlungsbereite Verwaltung treffen, sind
Verbesserungen also möglich, wie das Neuköllner Beispiel zeigt. „Warum sind Radfahrer mit Migrationshintergrund bei den Rad-Aktivisten eigentlich unterrepräsentiert?“, fragte mich kürzlich Ragnhild Sørensen von Changing Cities mit Blick auf Neukölln. Um ganz neue Gruppen für das Radfahren zu begeistern, hat die Initiative zum Autofreien Tag am 22. September den „Fancy Women Bike Ride“ nach Berlin eingeladen, der 2013 in Izmir startete.
Bei der Umsetzung des Mobilitätsgesetzes ist allerdings noch viel Luft nach oben: In ganz Berlin ist das Mobilitätsgesetz bisher vorrangig ein Mittel zur Förderung des Radverkehrs. Der Fußverkehr und die Verbesserung des ÖPNV – in Neukölln die Verlängerung der U7 nach Schönefeld und der Tramlinie M10 von der Warschauer Brücke zum Hermannplatz – sind noch keine zentralen Themen in der Stadt geworden.