Bei strömendem Regen wurde gestern Nachmittag das diesjährige Festival Offenes Neukölln (ONK) auf dem Alfred-Scholz-Platz eröffnet. Anlass für das Festival ist die seit 2016 anhaltende unglaubliche Gewaltwelle mutmaßlich rechtsextremer Täter im Bezirk:
Neben Brandstiftungen, bei denen die Täter den Tod von Menschen bewusst in Kauf nahmen, verübten Unbekannte symbolträchtige Propaganda-Taten: Rund um den 79. Jahrestag der Pogrom-nacht wurden im November letzten Jahres 16 Stolpersteine, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, aus dem Boden gerissen und gestohlen. Erst im April wurde die Skulptur am Erinnerungsort für Burak Bektas mutwillig beschädigt. Daran erinnerten zum Auftakt Bezirksbürgermeister Martin Hikel, der bereits mehrfach persönlich von Anschlägen betroffene Buchhändler Heinz J. Ostermann sowie Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. im Gespräch mit Vertreterinnen der Registerstelle Neukölln des Berliner Registers sowie einer Sprecherin vom Bündnis Neukölln.
Unter dem Motto „Neukölln ist kein Ort des Hasses, sondern gemeinsamer Lebensraum für Menschen aus mehr als 150 Ländern, verschiedener Sprachen und Religionen“ haben sich beim diesjährigen ONK zahlreiche Kultur- und Sportvereinen, politischen Initiativen und Parteien, Künstlern, Kneipen, Kinos und Clubs, Kirchen und Moscheen, Gartenprojekte, Jugendzentren und Kiezinitiativen sowie Museen und Buchhandlungen zusammengetan. Sie richten bis morgen Abend rund 150 Veranstaltungen, darunter politische Vorträge und Diskussionen u. a. zu den Themen Rassismus, Rechtsextremismus oder Antisemitismus ebenso wie Film, Theater, Feste, Lesungen und Workshops aus. Auf dem Alfred-Scholz-Platz, wo am Wochenende ein Infostand steht, ist eine große Pinnwand für Wünsche der Neuköllnerinnen und Neuköllner aufgebaut. „Ich wünsche mir Neugier auf das Andersartige“, sagte Ostermann, der als einer der
ersten seinen Zettel an das Brett heftete.
Im März war das Bündnis Neukölln in die Negativschlagzeilen geraten, weil die Bundesregierung die Auszahlung eines Preisgeldes aus dem Bundesprogramm „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ für die Finanzierung des Festivals gestoppt hatte. Begründung: Unter den Partnern der Initiative sei mit der Interventionistischen Linken (IL) auch eine Gruppe, die im Kapitel Linksextremismus des Verfassungsschutzberichtes auftaucht. Eine Entscheidung, die der stellvertretende Neuköllner Bezirksbürgermeister Falko Liecke (CDU) via Twitter ausdrücklich begrüßte: „Gute Nachricht! Habe allen Bündnis-partnern einen Brief dazu geschrieben, in dem ich auf die Problematik ,Antifa‘ und ,IL‘ hingewiesen habe. Dafür wurde ich besonders von der Neuköllner SPD angefeindet. Ich bin froh, dass der Rechtsstaat funktioniert.“
Dennoch nehmen in diesem Jahr noch mehr Initiativen am ONK-Festival teil und werden mehr Veranstaltungen anbieten als im Vorjahr; die Organisatoren gaben damals die Besucherzahl mit 2.000 bis 3.000 an.
Dem Thema „Koloniales Neukölln“ nimmt sich u. a. die Grüne Landesparlamentarierin Dr. Susanna Kahlefeld an, die heute um 12 Uhr zu einer symbolischen Umbenennung der Wissmannstraße aufruft.
Über die Frage „AfD – Ein Fall für den Verfassungsschutz?“ diskutieren am heute ab 19 Uhr im Abgeordnetenbüro RigoRosa (Schierker Str. 26) der Bundestagsabgeordnete Dr. Fritz Felgentreu (SPD), die Grünen-Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher aus Brandenburg und Niklas Schrader, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses (Die Linke).
Einen Gottesdienst für Verständigung und Frieden unter dem Motto „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ feiert am morgigen Sonntag von 10 bis 11 Uhr die katholische Pfarrei St. Clara – Gemeinde St. Eduard auf dem Kranoldplatz.
Die SPD Gropiusstadt organisiert morgen von 9 bis 13 Uhr einen Aktionsstand für ein buntes Neukölln auf dem Lipschitzplatz.
Die Jusos Neukölln bieten ebenfalls morgen von 11 bis 14 Uhr auf dem Hermannplatz Aktionen speziell für Kinder, Jugendliche und Familien an.
Im Klunkerkranich auf dem Parkdeck der Neukölln Arcaden gibt es am Sonntag von 14 bis 23:59 Uhr Jazz und Live-Podcast in der neuen Hütte „Hinter den Alpen.
Das ganze Wochenende (heute von 10 bis 20 und morgen von 12 bis 18 Uhr) steht der Offenes Neukölln-Infostand auf dem Alfred-Scholz-Platz, um Musik, Getränke und jede Menge Infomaterial rund um das Festival und die beteiligten Akteure bereitzuhalten.
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Mir tun die Bewohner der Wißmannstraße leid, die sich einen neuen Namen merken müssen, den keiner schreiben und noch schlimmer, nicht aussprechen kann. Muß das sein ? Will sich wieder einmal jemand ein „Denkmal“ setzen ? Mit dem einen Namen würde man sogar einen Mörder ehren.
Ich bin 81 Jahre alt und die Wißmann Straße hieß immer Wißmannstraße. Wem das nicht gefällt sollte in einen anderen Bezirk ziehen aber nicht hie in Neukölln sein Unwesen treiben.
Ich habe da noch bessere, längere, unaussprechbare Namen aus Indien im Gepäck. Interessiert ??
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Neben Sie doch am besten einmal Kontakt zu der Abgeordneten auf, die sich für die Umbenennung engagiert: http://susanna-kahlefeld.de/kontakt.html
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Ich war heute Teilnehmerin der symbolischen Umbenennung der Wißmannstraße. Was ich dort über die Greueltaten der damaligen Kolonialherren und im besonderen Fall des Herrn v. Wißmann zu hören bekam, erschütterte mich. Eine Umbenennung ist längst überfällig, und zwar durch Namen damaliger Opfer der brutalen Kolonialzeit. Ein Umdenken ist nötig und das Erlernen neuer Straßennamen noch die geringste Schwierigkeit. (Eine Kurzbiografie unter dem neuen Namen sollte zum Verständnis beitragen.)
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Hätten Sie die Biographie Wißmann s gelesen, wüßten Sie, dass er schon Jahre zuvor zurück in Deutschland war als die Greueltaten in Afrika geschahen. Er zählt zu den großen Forschern unseres Landes. Er in Afrika und sein Sohn in Ägypten. Aber man bringt ihn gerne damit in Verbindung. Er war ja fast in Afrika Zuhause. Die Afrikaner nannten ihn sogar „Afrikaner“ und sie liebten ihn.
Ich habe eher den Eindruck, daß sich jemand in Neukölln ein Denkmal setzen will .
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