Neukölln hat mit drastisch steigenden Mieten zu kämpfen, doch um die Verdrängung alteingessener Mieter zu verhindern, ist seit Anfang 2016 der sogenannte Milieuschutz in vielen Kiezen im Norden des Bezirks in Kraft.
Die Neuköllner Linke-Abgeordneten Anne Helm lud Donnerstagabend ins Wahlkreisbüro Rigorosa, das sie in der Schierker Straße 26 mit ihrem Kollegen Niklas Schrader teilt, um eine Bilanz zum bisher praktizierten Milieuschutz zu ziehen und zu diskutieren, ob der Milieuschutz ein effektives Mittel gegen steigende Mieten im Bezirk ist. Eingeladen waren zum Erfahrungsaustausch, den Johanna Treblin von Neues Deutschland moderierte, der Neuköllner Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne), die Bezirksverordnete Marlis Fuhrmann (Linke), der Stadtsoziologe Andrej Holm (Berater der Fraktion Die Linke im Abgeordne-tenhaus von Berlin) sowie Willi Laumann vom Berliner Mieterverein.
„Die Einführung des Milieuschutzes ist auf jeden Fall ein Erfolg“, bilanzierte der für Stadtentwicklung zuständige Bezirksstadtrat. Augenblicklich gibt es sieben Milieuschutzgebiete im Neuköllner Norden.„Ich habe gemeinsam mit vielen anderen bereits als Bezirksverordneter für den Milieuschutz gekämpft“, sagte Jochen Biedermann (r.). „Als Stadtrat musste ich mein Versprechen wahrmachen, aber vorher erst die Verwaltung meiner Abteilung überzeugen.“ Im Fall der Liberdastraße 10 übte Neukölln erstmals das Vorkaufsrecht aus. Inzwischen hat der Bezirk in vier weiteren Fällen sein Vorkaufsrecht wahrgenommen. Ein fünfter Fall wird gerade bearbeitet.„Bei den Hauseigentümern ist die Bereitschaft gestiegen, Abwendungsvereinbarungen zu unterschreiben, seitdem bekannt ist, dass wir in Neukölln nicht nur bellen, sondern auch beißen können“, sagte Biedermann. „Ich würde mir wünschen, der Bezirk hätte mehr Personal für die Betreuung der Milieuschutzgebiete“, unterstützte Marlis Fuhrmann, die ebenfalls seit vielen Jahren vehement für die Einführung städtebaulicher Erhaltungssatzungen eintritt, den politischen Kurs-wechsel
im Bezirk.
„Wie kommen wir an die Grundstückspreise ran?“, fragte dagegen der Stadtsoziolge Holm. Die Immoblienpreise seien so hoch, dass die Häuser nur bei entsprechend hohen Mieten rentabel seien. „Das Milieu kann nur über den Mietpreis geschützt werden“, schlussfolgerte Holm. In Berlin fehlten rund 300.000 Wohnungen für Einkommensarme, die nicht mehr als 5 Euro pro Quadratmeter aufbringen können. „Wenn die Mietbremse tatsächlich bremsen würde, gäbe es viele Probleme nicht“, stellte Willi Laumann fest und richtete damit die Aufmerksamkeit auf die Bundespolitik. Ohne Eingriffe in die Verfügungsgewalt von Eigentümern werde es keine Fortschritte bei der Wohnraumversorgung und der Stadtentwicklung geben. Gerade in dieser Frage sei die neu abgeschlossene Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD aber eine große Enttäuschung: „Verschärfungen der Eingriffsmöglichkeiten der Kommunen in Eigentumsrechte durch Gestaltung auf Bundesebene werden nicht verfolgt, heißt es in der Koalitionsvereinbarung“, kritisierte Laumann.
Alle auf dem Podium waren sich darin einig, dass ein großes gesellschaftliches Bündnis gegen die verfehlte Mieten- und Wohnungspolitik notwendig sei.
Im Vorfeld einer großen Demonstration, die am 14. April um 14 Uhr unter dem Motto „Widersetzen – Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mieten-wahnsinn“ am Potsdamer Platz startet, beginnen bereits am 4. April stadtweite Aktionstage. In Neukölln wird es u. a. am 6. April von 15.30 bis 17.30 Uhr am Alfred-Scholz-Platz ein Häuser-Ballett vom Bündnis bezahl-bare Mieten Neukölln geben. Das Rixdorfer Kiezforum lädt am 7. April um 15 Uhr zum am S-Bahnhof Neukölln beginnenden Kiezspaziergang Rixdorf ein.
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