Wenige Tage vor dem 9. November, dem Gedenktag an die Opfer der Reichspogrom-nacht von 1938, waren in Neukölln 16 Stolpersteine gestohlen und vier weitere beschädigt worden. „Diese Tat ist an Dummheit, Geschichtsvergessenheit und Menschenverachtung kaum zu überbieten“, verurteilte Bezirksbürgermeis-terin Dr. Franziska Giffey das Delikt und kündigte an, dass die kleinen Mahnmale so schnell wie möglich ersetzt werden.
Gestern wurden nun in der Britzer Onkel-Bräsig-Straße die ersten beiden Stolpersteine für Stanislaw Kubicki und Hans-Georg Vötter erneut verlegt. Zahlreiche Schüler der benachbarten Fritz-Karsen-Schule, Lokalpolitiker und Journalisten sowie Nachbarn waren deshalb zu einer Feier-stunde, zusammengekommen, die die Musikschule Paul Hindemith Neukölln musikalisch begleitete.
Stanislaw Karol Kubicki (M.), 91-jähriger Sohn des 1942 in Warschau ermordeten Künstlers und Widerstandskämpfers sagte bei der Zeremonie vor seinem Elternhaus: „Mein Vater war für mich ein Vorbild. Der Stein war eine tägliche Erinnerung an dieses Vorbild“ und drückte damit seine Freude darüber aus, dass der Gedenkstein umgehend ersetzt wurde. Wie allerdings leider erst zu spät bemerkt wurde, unterlief auf Kubickis Gedenkstein ein Fehler: Mit 1941 ist ein falsches Todesjahr
angegeben. Einige Meter weiter wurde anschließend bei einer zweiten Zeremonie gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Fritz-Karsen-Schule der Gedenkstein für den Schriftsetzer Hans-Georg
Vötter erneuert. Der Kommunist wurde 1943 in Plötzensee ermordet.
Bezirksbürgermeisterin Dr. Franziska Giffey lobte in ihrer Ansprache die überwältigende Spendenbereitschaft für den Ersatz der Steine. Inzwischen seien mit 14.000 Euro von weit über 100 Privatpersonen und Firmen weit mehr Geld eingegangen, als dafür benötigt werde. „Wir könnten damit über 40 weitere Steine verlegen“, sagte die Bezirksbürgermeisterin. Der Bezirk habe sich aber entschieden, mit dem übrigen Geld einen schulpädagogischen Erinnerungsfonds aufzulegen. „Projektgruppen an Schulen, die sich mit dem Nationalsozialismus befassen und einen Stolperstein verlegen wollen, sollen Gelder aus dem Fonds beantragen können“, gab Giffey bekannt.
Von den entwendeten Stolpersteinen fehlt weiter jede Spur. Weil ein politischer Hintergrund der Diebstähle vermutet wird, übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen. Ende November hatten Taucher im Britzer Fennpfuhl nach den vermissten Gedenksteinen erfolglos gesucht. Die Polizei hofft weiter auf Hinweise aus der Bevölkerung zur Ergreifung der Täter. Nach Angaben des Bezirksamtes werden die neuen Stolpersteine in ein Betonfundament eingelassen, um den Diebstahl künftig zu erschweren.
Heute und morgen werden jeweils ab 13 Uhr in der Parchimer Allee bzw. in der Gielower Straße mit Gedenkfeiern die neuen Messingsteine für Wienand Kaasch, Gertrud Seele und Heinrich Uetzfeld sowie Rudolf Peter und Georg Obst verlegt, sodass bis Mittwoch alle 16 Steine ersetzt sein werden.
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