Optimistische Zukunftsperspektiven mit Wermutstropfen: Bezirksamt Neukölln stellt Arbeitsschwerpunkte für 2017 vor

„Ein Jahrzehnt der Investitionen liegt vor uns“, frohlockte Neuköllns Bezirksbürger-meisterin, als sie und ihre Dezernenten gestern Mittag bei einer gemeinsamen eberenz_liecke_giffey_raemer_biedermann_bezirksamt-neukoellnPressekonferenz im Rathaus die Arbeitsschwer-punkte für das laufende Jahr vorstellten. Hinter Dr. Franziska Giffey und den Bezirksstadträten stand zur Veranschaulichung zwischen der Berliner und der Neuköllner Fahne eine Karte des Bezirkes mit vielen bunten Fähnchen, die die Orte der künftigen Investitionen markierten.

„Wir setzen uns für die direkte Anbindung des Hauptstadtflughafens BER an die U-Bahnlinie 7 mit einer Station am Liselotte-Berger-Platz im Frauenviertel ein. Wir brauchen die Verlängerung der U7, wenn man sieht, was heute schon an der Rudower Spinne los ist!“, forderte Franziska Giffey (SPD) vehement. Weiterhin würden sechs Neubauprojekte in diesem Jahr starten: die Leonardo-da-Vinci-Schule in Buckow, ein Schulerweiterungsgebäude am Cam-pus Efeuweg in der Gropiusstadt und am Campus Rütli im Neuköllner Norden, am Kinderclubhaus Dammweg, die Stadtteilbibliothek Rudow und die Senioren-freizeitstätte Alt-Rudow 60. Für die Bildung würden 32 Schulen baulich verbessert, zudem investiere der Bezirk in diesem Jahr 8,6 Millionen Euro in Straßen und Grünflächen.

Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) nannte als Ziel die Schaffung von 3.400 Kitaplätzen bis 2019 zusätzlich zu den bestehenden 12.700 Plätzen. Auch sei der Mangel an Fachkräften eine Herausforderung: „In Neukölln fehlen circa 154 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte, um alle dem Grunde nach verfügbaren Kitaplätze auch tatsächlich anbieten zu können“, sagte der Stadtrat für Jugend und Gesundheit. Weiterhin stelle die Jugendgewalt trotz des Rückgangs der absoluten Fallzahlen ein Problem dar. „Neukölln liegt auf Platz fünf aller Bezirke mit der größten Belastung durch Jugendgewalt. Insbesondere der Anteil tatverdächtiger Kinder liegt im Vergleich zu Berlin besonders hoch“, erklärte Liecke. Drittens habe – auch wegen des künftigen Flughafens BER – das Klinikum Neukölln einen Investitionsbedarf von rund 585 Milionen Euro.

Bildungs-, Schul-, Kultur- und Sportstadtrat Jan-Christopher Rämer (SPD) hob den Kampf gegen die Nichtschwimmerquote an den Neuköllner Grundschulen hervor. „Die Quote der Nichtschwimmer im Bezirk hat sich seit dem Start des Neuköllner Schwimmbär-Projektes binnen zwei Jahren von 40 Prozent auf 25 Prozent verringert.“ Das Wassergewöhnungsprogramm für Zweitklässler werde ab Mai in acht Projekt-wochen fortgesetzt. Zum Kerngeschäft des Schulamtes Neukölln gehöre die Sicherstellung der Schulplatzversorgung für 29.021 Schülerinnen und Schüler an 60 öffentlichen und 5 privaten Schulen. Besonders dankte Rämer der Volks-hochschule Neukölln sowie der Musikschule Paul Hindemith, die 2017 ihr 100- bzw. ihr 90-jähriges Jubiläum feiern. Die Volkshochschule baue ihre Integrationskette für Geflüchtete weiter aus. Der mit 80.700 Unterrichtseinheiten im Jahr 2016 deutschlandweit größte Anbieter von Deutsch als Zweitsprache-Kursen biete neuerdings auch in Zusammenarbeit mit der Justizverwaltung des Berliner Senats das Kursformat „Willkommen im Rechtsstaat“ für Geflüchtete an. Schließlich wird es vom 23. bis 25. Juni mit künstlerischen Positionen zum Thema „Schatten“ wieder die 48 Stunden Neukölln geben, das größte Kunstfestival Berlins.

„Spötter nennen meinen Zuständigkeitsbereich einen Gemischtwarenladen“, eröff-nete Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne), zuständig für Stadtentwicklung, Soziales und Bürgerdienste, seine Präsentation. Bei ihm haben 2017 eine Präventions-strategie gegen Wohnraumverlust, die Ausweitung von Milieuschutzgebieten sowie der Neubau von bezahlbarem Wohnraum Priorität. Zusätzlich will er sich in der Kältehilfe engagieren. “Für die kommende Wintersaison werden die Planungen bereits im Frühjahr 2017 begonnen, um frühzeitig Kälteschlafplätze sicherstellen zu können“, erklärte Biedermann: „Der Bezirk wird berlinweite Rahmenbedingungen beim Senat einfordern und an ihnen mitarbeiten. Insbesondere auch eine ausreichende Zahl von Kälteschlafplätzen für Frauen ist dem Bezirk ein besonderes Anliegen.“

Zuletzt kam Bernward Eberenz (AfD), der gerade neugewählte Bezirksstadtrat für Umwelt und Natur, an die Reihe. „Gerade in einer wachsenden Stadt steigt nicht nur der Bedarf an Wohnungen sondern auch an Grün- und Freiflächen“, erklärte er: „Grün- und naturbelassene Freiflächen sind wichtig als außerordentlich wirksame binnenklimatische Regulatoren, als lokale Naherholungsräume, als Lebensraum für Tiere und Pflanzen auch im Stadtgebiet und als Naturerfahrungsräume für Städter.“ Das Bezirksamt setze sich deshalb für den weitestgehend möglichen Erhalt dieser Areale ein, insbesondere auch in Nord-Neukölln. Im Süden sollten der Große Eckerpfuhl in Britz sowie der Kalte-Grund-Pfuhl in Rudow als Naturdenkmäler unter Schutz gestellt werden. Außerdem will Eberenz „grüne Lernorte“ wie beispielsweise das Freilandlabor Britz unterstützen: „Es bedarf solcher Lernorte, um gerade den Menschen in der Stadt die Bedeutung und Unverzichtbarkeit intakter Natur erfahrbar organigramm-bezirksamt-neukoellnzu machen und – pädagogisch unterstützt – im Bewusstsein fest zu verankern.“

Am Ende wiesen die Bezirksbürgermeisterin und ihre Dezernenten kurz auf die Neuauflage einer Neukölln-Broschüre hin, die ab Mitte nächster Woche im Rathaus erhältlich ist. Ein Wermutstropfen, auf den Giffey bereits in ihrer Einleitung aufmerksam gemacht hatte, blieb trotz aller optimistischen Zukunftsperspektiven: 76.700 Hartz-IV-Empfän-ger leben aktuell in Neukölln; die Hartz-IV-Quote des Bezirkes liegt damit bei 29 Prozent – im Vergleich zu 19 Prozent im Berliner Durchschnitt.

=Christian Kölling=

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