Kundgebung in der Hufeisensiedlung setzt ein weiteres Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus

zuschauer_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoelln„Seit Oktober vergangenen Jahres hat es in Neukölln 20 Straftaten gegeben, die auf einen rechtsextre-mistischen Hintergrund hinweisen“, teilte Innen-senator Andreas Geisel (SPD) am vergangenen Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus mit. In seiner Antwort auf eine mündliche Anfrage der Neuköllner Linke-Politikerin Anne Helm informierte der Innensenator das Parlament über die Einberufung der speziellen Ermittlungsgruppe „Rechte Straftaten in Neukölln“ (Resin), die ihre Arbeit bereits mit fünf Ermittlern aufgenommen hat. Zu den vermutlich rechtsextrem motivierten Straftaten gehören allein im Januar 2017 drei Brandanschläge auf die Autos der Neuköllner Bezirksverordneten Mirjam Blumenthal, des IG-Metall-Aktiven Detlef Fendt sowie des Rudower Buch-händlers Heinz J. Ostermann. Kurz vor Weihnachten waren fünf Anschläge mit vermutlich rechtsextremistischem Hintergrund in Neukölln der Anlass für eine treppe_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellnDemonstration mit rund 1.000 Teilnehmern.

Gestern Nachmittag kamen nun laut Auskunft des Veranstalters 400 Menschen in Britz bei einer Kundgebung der Initiative Hufeisern gegen Rechts zusammen, um an der Hufeisentreppe in der Fritz-Reuter Allee ein klares Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus zu setzen. „Den Tätern geht es durchaus darum, die geschädigten Menschen wissen zu lassen, dass sie bedroht werden“, erklärte die Abgeordnete Helm am Rand der Kundgebung: „Deshalb ist das, was wir plakat1_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellngerade tun, Solidarität zeigen, so wichtig.“

Klaus Abel, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, forderte: „Wir müssen uns jetzt gegen Faschismus posi-tionieren!“ Abel kündigte an, rechtsextreme Gewalt und Rechtspopulismus am 1. Mai zu thematisieren. Heiko Glawe, Geschäftsführer der DGB Region Berlin, trat ebenfalls dafür ein, klare Kante gegen Rechts zu zeigen. Abel wie Glawe verschwiegen dabei nicht, dass auch Gewerkschafts-mitglieder die AfD wählen würden oder zumindest einige ihrer Positionen teilten. Jedes Gewerkschaftsmitglied, dem die Verhältnisse nicht gefielen – forderten beide Funktionäre – solle sich aber lieber selbst engagieren und ein eigenes Politikmodell entwickeln, statt aus Protest die AfD zu wählen. 75 Prozent blumenthal_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellnihrer Stimmen bekäme die AfD von Protestwählern.

“Solche Veranstaltungen wie heute zeigen: Du bist nicht allein. Das tut gut – und dafür danke!“, begrüßte die Bezirksverordnete Mirjam Blumenthal (r.), die zudem Mitglied des Kreisvorstandes der Neuköllner SPD, Vorsitzende des DGB Kreisverband Neukölln sowie Gruppenleiterin der Neuköllner Falken ist, ihre Zuhörerinnen und Zuhörer. Die gezielten rechtsextremen Gewalttaten seien Einschüchte-rungsversuche und ein Angriff auf die Demokratie an sich, weil die ohne die Bereitschaft zum politischen und gesellschaftlichen Engagement auf allen Ebenen von der Schülersprecherin bis zum Seniorenvertreter nicht funktionieren könne, erklärte Blumenthal.

Moritz Wittler, Sprecher der Neuköllner Linken, dankte den drei Geschädigten der Brandanschläge für ihren Mut und ihr Engagement. „Wir werden nicht zulassen, dass die Nazis wieder Angst und Schrecken verbreiten“, sagte Wittler. Die AfD verschiebe permanent Grenzen und müsse deshalb gestoppt werden. Bernd Szczepanski, Fraktionssprecher der Grünen in der BVV Neukölln, berichtete von der vergangenen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung. Der frühere Sozialstadtrat sagte, dass SPD, Grüne und Linke am Mitwoch gemeinsam einen Entschließungs-antrag gegen Rechtsextremismus verabschiedeten. Zufrieden äußerte sich Szcze-panski am Ende seiner Rede auch darüber, dass die BVV endlich die Einrichtung schulte_glawe_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellneines Gedenkortes für Burak Bektas beschlossen hat.

Jürgen Schulte, Mitglied der Initaitive Hufeisern gegen Rechts, und Moderator der einstündigen Kundgebung, fragte, was neben polizeilicher Ermittlungsarbeit zusätzlich gegen rechtsextreme Gewalt getan plakat2_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellnwerden könne. Im Berliner Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus und der Bezirksverord-netenversammlung hatte die Initiative im August vergangenen Jahres eine parteiübergreifende Plakataktion unter dem Motto „Siedlung mit Courage! Keine Stimme für Nationalismus und Rassismus!“ initiiert. „Wir haben kein Patent auf die Idee und freuen uns, wenn sie im Bundestagswahlkampf vielleicht von anderen aufgegriffen kumpel_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellnwird“, sagte Schulte. Heiko Glawe vom DGB Berlin erinnerte an die seit 30 Jahren erfolgreiche Kampagne „Mach‘ meinen Kumpel nicht an“ gegen Gewalt, Rassismus ostermann_intoleranz-kundgebung_hufeisensiedlung-neukoellnund Mobbing.

Mehrere Redner schlugen schließlich vor, kleine Buchhandlungen, die sich wie das Geschäft von Heinz J. Oster-mann (l.) gegen Rechtspopulismus und Rassismus einsetzten, durch Einkäufe zu unterstützen. Ostermann, der noch im März 2016 die Autorenlesungen „Rudow liest“ maßgeblich vorbereitet hatte, war vor wenigen Tagen schon zum zweiten Mal von Gewalt betroffen, denn im Dezember demolierten Unbekannte die Fensterscheibe seiner Leporello-Buchhandlung nach einer AfD-kritischen Lesung. Auf der Facebook-Seite bittet der Buchhändler nun um Spenden, da dringend ein neuer Gebrauchtwagen für den Transport von Büchern angeschafft werden muss.

=Christian Kölling=

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