„Der jährliche Weihnachtsbasar im Annedore-Leber-Berufsbildungswerk ist ein fester Termin in meinem Kalender“, verriet Bezirksbürgermeisterin Dr. Franziska Giffey vorgestern bei ihrem Besuch der Einrichtung in Britz. Margrit Zauner, die Vorstandsvorsitzende des ALBBW,
und die stellvertretende Geschäftsführerin Kerstin Stoye konnten den vielen Gästen zum Beginn des Tages der offenen Tür das junge Streichquintett der Neuköllner Musikschule Paul Hindemith präsentieren. Neben einem vielfältigen Kulturprogramm wurden zum Tag der offenen Tür auf dem weitläufigen Gelände des Annedore-Leber-Berufsbildungswerkes vor allem Produkte aus eigener Herstellung beim traditionellen Weihnachtsbasar angeboten. Textilien,
Spiele, bunte Uhren und viele andere Dinge konnten als Geschenke oder für den Hausgebrauch erworben
werden. Selbstverständlich gab es viele kulinarische Köstlichkeiten passend zur Vorweihnachtszeit. Nicht zuletzt aber bestand die Gelegenheit, um mit Beschäftigten und Auszu-bildenden des Annedore-Leber-Berufsbildungswerkes
selbst ins Gespräch zu kommen und sich in den Ausbildungsbüros und Werkstätten einmal umzu-sehen.
Berufsbildungswerke, von denen es in Deutschland insgesamt 52 gibt, wollen jungen Menschen, die eine Behinderung oder einen besonderen Förderbedarf aus anderen Gründen haben, nach der Schule den Weg in den ersten Arbeitsmarkt ebnen und ihnen so eine selbstbestimmte Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Junge Frauen und Männer zwischen 15 und 25 Jahren haben im Annedore-Leber-Berufsbildungs-werk die Wahl, einen von mehr als 30 gesetzlich anerkannten Berufen zu erlernen – von Ä wie Änderungs-schneider(in)
bis Z wie Zerspannungsmechaniker(in).
Mit ihren Abschlusszeugnissen können sich die Azubis auf freie Stellen in jedem Unternehmen bewerben, denn ihre Prüfungen sind dieselben, die auch Auszubildende in einem ganz normalen Betrieb ablegen. Zusätzlich gibt es im ALBBW viele begleitende Angebote, eine ärztliche und psychologische Versorgung sowie Förderunterricht in Deutsch und Mathematik genauso wie Freizeitpädagogik und Kreativtherapie.
Unterstützt wird das Berufsbildungswerk durch die Annedore-Leber-Oberschule, die eine öffentliche Berufsschule des Landes Berlin mit sonderpädagogischer Aufgabe ist. An der Schule kann in Verbindung mit einer Berufsausbildung auch der Mittlere Schulabschluss (MSA) nachgeholt werden. Aufgrund des besonderen Status der Schule können kleine Klassen eingerichtet und spezielle Förderangebote gemacht werden. Wegen ihrer sonderpädagogischen Schwerpunktsetzung bietet die Schule sechs Fachbereiche an, was für eine Berufsschule außergewöhnlich ist. Dass eine inklusive Gesellschaft, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit optimal entfalten kann, das Leitbild der Berufsbildung ist, wurde am Informationstisch der Schule eindrücklich demonstriert: Die Schülerinnen und Schüler hatten im Unterricht als Ausstellungsstück für den Tag der offenen Tür einen Datenhandschuh entwickelt, mit dem Taubblinde und Nichtbehinderte auf Grundlage des LORM-Alphabets über einen Laptop gemeinsam kommunizieren können.
Das ALBBW, das seit 1979 junge Menschen ausbildet, besuchen derzeit rund 600 Teilnehmer, die fast ausschließlich von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt werden. Davon sind etwa 120 junge Erwachsene, deren Wohnsitz außerhalb Berlins liegt oder die in schwierigen sozialen Verhältnissen leben, im hauseigenen Internat untergebracht. Auswärtige Teilnehmer kommen in aller Regel aus Brandenburg sowie aus den strukturschwachen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
In den 10 Berufsfeldern Wirtschaft und Verwaltung, Handel und Dialogmarketing, Ernährung und Hauswirtschaft, Hotel und Gastgewerbe, Informa-tionstechnologie sowie Elektro-, Metall-, Textil- Holz- und Farbtechnik gibt es verschiedene Orientie-rungsangebote. Am Anfang steht in der Regel eine Arbeitserprobung, die 20 Arbeitstage dauert. Es folgt eine zwölfwöchige Berufsfindungsphase, an die sich eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme von 3 bis 11 Monaten anschließt, in der besonders auf Ausbildungsfähigkeit und Berufseignung geachtet wird. Aufgrund der sorgfältigen Vorbereitung ist eine fundierte Entscheidung bei der Berufswahl möglich. Beispielsweise kann im Bereich Holztechnik die Entscheidung, ob entweder eine dreijährige Ausbildung als Fachkraft Möbel, Küchen, Umzugsservice oder eine ebenso lange Ausbildung als Tischler begonnen werden soll, genau abgewogen werden. Leistungsschwächere Teilnehmer haben hingegen die Möglichkeit, eine im
Theorieteil reduzierte Ausbildung als Fachpraktiker für Holzverarbeitung machen.
Ein respektvoller Umgang miteinander, Achtung, Toleranz und Verantwortungsbewusstsein werden in der Ausbildung ebenso als Kompetenzen vermittelt wie Pünktlichkeit, Belastbarkeit und die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten. Mit der sogenannten Verzahnten Ausbildung bietet das ALBBW in enger Kooperation mit Unternehmen zudem ein praxisnahes Ausbildungsmodell an. Dabei absolvieren die Jugendlichen einen großen Teil ihrer gesamten Ausbildungszeit direkt in einem Partnerbetrieb.
Von der Berufsorientierung über die Ausbildung bis hin zur Zusammenarbeit mit verschiedensten Arbeitgebern, zu denen gleichermaßen große Unternehmen, klein- und mittelständische Betriebe wie öffentliche Einrichtungen gehören, werden sehr gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start ins Arbeitsleben geboten, was in einer überdurchschnittlichen Integrationsquote zum Ausdruck kommt. Die Integrationsquote des ALBBW liegt heute bei 56 Prozent. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer der Institution in der Hufeisensiedlung schließen ihre Berufsausbildung also erfolgreich ab und finden im direkten Anschluss eine Beschäftigung oder etwas Vergleichbares, wie beispielsweise eine Weiterqualifizierung.
=Christian Kölling=
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