Unter Drogen kann manches völlig anders erlebt werden. Die Zeit verläuft nicht mehr nur linear, sondern kann sich dehnen oder rasen. Der Raum kann verändert wahrgenommen werden. Und nicht zuletzt: Man erlebt sich anders, kommt in Kontakt mit Schönem oder/und Furchtbarem.
Vor acht Jahren veröffentlichte der Berliner Musiker Peter Fox, der zu den Gründern der Band Seeed gehört, sein Solo-Album „Stadtaffe“. Dieses katapultierte sich mit seiner eindringlichen Musik und den intelligenten Texten aus dem Stand in die Charts und hat sich bislang 1,3 Millionen mal verkauft. Am vergangenen Mittwoch hatte nun eine Adaption des Werks mit dem verkürzten Titel „Affe“ auf der Bühne der Neuköllner Oper Premiere.
Fabian Gerhardt, der zusammen mit John von Düffel das Buch zu der Produktion geschrieben hat, kam die Idee, die Songs von Peter Fox in eine Handlung zu integrieren, in der ein junger Mann nach einem Drogentrip in einem Krankenhaus, aufwacht. Wie er hier hergekommen ist, weiß er nicht mehr, und noch schlimmer: Er hat plötzlich seine Identität verloren. Im Bühnenbild von Michael Graessner finden wir daher folgerichtig ein Krankenhausbett sowie gekrümmte Wände, aber auch eine bewegliche Hängebrücke mit Seilen, die an Natur und Wildnis erinnert. Und natürlich nicht zuletzt
an den Dschungel, in dem Affen leben.
Die drei männlichen und drei weiblichen Mitglieder des Ensembles erleben wir teils in verschiedenen Rollen. So spielt Sergej Lubic den King in einem Club, einen Bettler und einen Arzt. In allen drei Parts kann er überzeugen. Ebenso unbedingt zu erwähnen: Sohel Altan Gol, der den Freund des Affen gibt, und Achan Malonda, die ihre Rollen als Krankenschwester und erste Lady mit einer tollen Präsenz spielt.
Leider hinterlässt die Inszenierung jedoch zuweilen auch den Eindruck, dass sich die Songs von Peter Fox dagegen sperren wollen, sich in die Handlungsstränge des Stückes einbinden lassen zu wollen. Sicher, da gibt es schöne Choreographien zu den Songs, die nur in wenigen Fällen ganz ausgespielt und gesungen werden. Es macht auch Spaß die Fox-Hits wieder mal zu hören – gespielt von einer exzellenten Band unter der musikalischen Leitung von Fred Sauer. Aber etwas, das ich nicht genau benennen kann, fehlte mir.
Eine ganz starke Szene hat der Abend, wenn Lubic als Club-King, auf der Hängebrücke sitzend, „Stadtaffe“ singt: „In einer Stadt voller Affen bin ich der King, weil ich mit schiefer Grimasse für die Massen sing, die Weibchen kreischen, alle Affen springen. Schönes Ding, dass ich der angesagte Affe bin …“ Da müssen alle anderen nach seiner Pfeife tanzen.
Eine hervorragende Idee des Autorenduos ist ebenfalls der Ablauf der Handlung, denn auch diese verläuft nicht zeitlich linear. Es gibt Traumsequenzen, vieles bleibt erst einmal für den Zuschauer unverständlich. Erst am Ende der 90-minütigen Vorstellung gibt die Ex-Freundin des Affen noch einiges preis, das zum Verständnis beiträgt, aber auch danach bleibt einiges offen. Und dies ist auch gut so, übertragen sich doch so einige Fragen der Hauptfigur auf den Zuschauer. Nämlich: Was ist hier eigentlich los und was muss ich tun, um wieder Ordnung in meinen Kopf zu bekommen? Verstärkt wird der Trip, den Protagonist und Publikum erleben durch die auf die Kulisse projizierten Videos, die perfekt zur Musik passen und eine eigene
ästhetische Schönheit haben, ohne damit die Inszenierung zu dominieren.
Deshalb: Schauen Sie sich die Aufführung an, puzzeln Sie sich ihr eigenes Bild zusammen und genießen Sie den theatralisch angereicherten „Stadtaffe“-Soundtrack von Peter Fox‘ Erfolgsalbum. Anton Weil, der die herausfordernde Rolle der Titelfigur gibt und bei der Premiere noch etwas hölzern wirkte, wird es bei weiteren Aufführungen sicher gelingen, die Zuschauer mit wachsender Leichtigkeit in die Szenerie zu holen.
Weitere Aufführungen von „Affe“ im Dezember von donnerstags bis sonntags sowie vom 3. bis 5. Januar 2017 jeweils um 20 Uhr in der Neuköllner Oper (Karl-Marx-Str. 131-133). Karten: 16 – 25 Euro / erm. 9 Euro; Reservierung: Tel. 030/68890777 oder tickets[at]neukoellneroper.de.
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