„Die Maueröffnung begann 1989 hier“, verkündet die Inschrift seitlich auf dem Meilenstein an der Waltersdorfer Chaussee. Der Stein steht am Berliner Mauerweg, an der Stadtgrenze zur Gemeinde Schönefeld in Brandenburg, und zeigt an, wie weit der
Weg zum U-Bahnhof Rudow und zum Rathaus Neukölln ist.
Nicht an der Bornholmer Straße habe sich am Abend des 9. November 1989 der erste Schlagbaum zwischen Ost und West geöffnet, sondern an der Waltersdorfer Chaussee, vertraute der einstige Grenztruppen-Oberstleutnant Heinz Schäfer im Oktober 2009 den Machern der ZDF-Dokumentation „Der schönste Irrtum der Geschichte – Wie die Berliner Mauer wirklich fiel“ schon zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls an. Den 1963 einge-richteten Grenzübergang an der Waltersdorfer Chaussee konnten West-Berliner, Bürger der Bundesrepublik Deutschland und Ausländer benutzen, um zum Flughafen Schönefeld zu gelangen. Nachdem die Passkontrolle an der Grenze 1985 in eine Transithalle des Flughafens Schönefeld verlegt worden war, konnten die Busse mit den Fluggästen aus
West-Berlin den Übergang ohne Wartezeit passieren.
Der heute noch in Teilen erhaltene Mauerweg markiert den Verlauf der ehemaligen DDR-Grenzanlagen zu West-Berlin und führt über rund 160 km als Rad- und Wanderroute um die einstige Halbstadt herum. Die meisten Abschnitte des Weges verlaufen noch auf dem ehe- maligen Westberliner Zollweg oder auf dem Kolonnenweg, den die DDR-Grenztruppen für ihre Kontrollfahrten an der Mauer angelegt hatten. Von der Waltersdorfer Chaussee in Richtung Rudower Höhe läuft der Berliner Mauerweg 2 heute auf einem großzügig ausgebauten Weg durch die märkische Landschaft u. a. am Landschaftspark Rudow-Altglienicke
vorbei, in dem Wasserbüffel grasen. Direkt gegenüber ist die
Stadtautobahn A113, die teilweise in Tunnellage verläuft.
Informationstafeln am Weges- rand weisen auf einen ehemali- gen Spionagetunnel hin, der von einer Radarstation der US-Streitkräfte in Rudow zur Schönefelder Chaussee in Alt-Glieniecke im sowjetischen Sektor Berlins führte. Bis zu seiner Entdeckung im April 1956 war der circa 430 Meter lange Tunnel 11 Monate in Betrieb und zeichnete rund 400.000 Gespräche auf. Ein Originalsegment des Spionagetunnels ist im Allierten Museum in Zehlendorf ausgestellt. Am Mauerweg steht auch eine Gedenkstele für Lutz Schmidt sowie für das Ehepaar Christel und Eckhard Wehage. Lutz Schmidt wurde bei einem Fluchtversuch an der Mauer erschossen. Das Ehepaar Wehage beging Selbstmord in Schönefeld, nachdem ihr Versuch, ein Verkehrsflugzeug
der DDR-Fluggesellschaft Interflug nach Hannover zu
entführen, gescheitert war.
Westlich der Waltersdorfer Chaussee ist der Berliner Mauerweg heute dagegen in einem beklagenswerten Zustand. Schadhafte Stellen bedrohen die Existenz der Fahrrad-Route und des Wanderweges. Ab der Schönefelder Straße ist eine Umleitung für den gesperrten historischen Mauerweg ausgewiesen. Nach wenigen hundert Metern ist der Asphaltweg total gesperrt. Der Mauerweg sei ein einzigartiges historisches Denkmal, das Geschichte, Politik, Natur und Kultur in der Erinnerung lebendig erhalte, erklärte
der Berliner Europa-Abgeordnete Michael Cramer (Grüne). Zum 15. Jubiläum des geschichts-trächtigen Rad- und Wander- weges forderte sein Initiator deshalb im Sommer, den Mauerweg unter Denkmalschutz zu stellen. Denn: „Wo stand eigentlich die Mauer?“, fragen sich nicht nur viele Berlin-Touristen, ist Cramer überzeugt.
=Christian Kölling=
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