Peter Lund war von 1996 bis 2004 Leitungsmitglied an der Neuköllner Oper. Von ihm stammen die Texte zu vielen erfolgreichen Stücken, die dort uraufgeführt worden sind. Seit 2002 ist er Professor am Studiengang Musical/Show der UdK Berlin. 2005 wurde, mit der Musik von Thomas Zaufke, das Stück „Letterland“ zum ersten Mal in der Neuköllner Oper gezeigt.
Am Donnerstag kam es nun zu einer Premiere der besonderen Art: Sieben von insgesamt neun Akteuren – und somit fast das gesamte Originalensemble – spielten 10 Jahre nach den letzten Aufführungen erneut das Erfolgsmusical, das in die kleine Welt von Letterland entführt.
Hier wohnen eine junge Familie mit zwei Kindern, eine alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter, ein Punk und andere mehr. Und natürlich wohnt hier einer, der wirklich aus jedem gesellschaftlichen Rahmen fällt: Erwin Kannes, ein Neuköllner Klischeeproll in Reinkultur. Hartz IV-Empfänger, Behindertenrente – und viel Zeit, die er nicht nur mit Biertrinken und Fernsehen verbringt. Außerdem nutzt er sie, um anzügliche Briefe an die Frauen in Letterland zu schreiben, das damit eine doppelte inhaltliche Bedeutung erhält. Dies führt dann natürlich zu Verdächtigungen, Eifersuchtsszenen und Verwicklungen.
Das Bühnenbild symbolisiert den Mikrokosmos von Letterland.: mehrere identische Modelle von Wohnhäusern, die auf der Bühne stehen, eine Bushaltestelle namens Letterland und eine Hochhausfassade als Kulisse. Szenen, die Einblick in die Häuser wie z. B. in Mutter-Tochter-Konflikte geben, folgen solchen, die die Interaktion der Nachbarschaft zeigen.
Wunderbar ist in der Aufführung das Gefühl für das richtige Timing. Es kommt einfach niemals Langeweile auf, obwohl das Stück über zwei Stunden geht. Oftmals gefühlvolle Solopartien wechseln sich fulminant mit Gesangseinlagen im Chor ab, die Texte der Lieder sind witzig und originell, die Melodien richtige Ohrwürmer. Ein Augenschmaus sind die von Daria Kornysheva kreierten Kostüme, die den Charakteren Ausdruck geben.
Und die Schauspieler? Maria Kempken spielt Sandy Deutschmann – ein naiv-blondes Girl, das fast immer happy und gut drauf ist – einfach durchgehend glaubhaft. Und Benjamin Eberding, der den Erwin Kannes gibt, hat keine Scheu, seinen Bauch im zu kurzen T-Shirt zu zeigen. Herrlich anzuschauen, wie er die Frauen mit seiner Tanzbegabung, sei es mit Walzer oder mit Tango, verführt. Auch Klara Brunken überzeugt in der Rolle des Jungen Olli. Überhaupt wirkt das komplette Ensemble sehr versiert im Zusammenspiel und so, als hätte es Letterland in den letzten Jahren fast en suite darge-boten.
Das wurde auch vom Publikum und von Peter Lund selber, der während des Stücks oftmals herzlich lachte, honoriert. Schon während der Aufführung brandete häufig Szenenapplaus auf, und am Ende wurde das Ensemble mit Standing Ovations verabschiedet.
Für die „10 Jahre Letterland“-Vorstellungen (heute um 16 Uhr sowie heute und morgen um 20 Uhr) in der Neuköllner Oper (Karl-Marx-Str. 131 – 133) sind nur noch Restkarten an der Abendkasse erhältlich. Eintritt: 20 Euro, Kartentelefon: 030 – 68 89 07 77
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