Viele lieben sie, anderen sind sie egal und dann gibt es noch jene, die die Neuköllner Maientage am liebsten abschaffen würden. Letztere kriti-sieren vor allem, dass der Rasen im Volkspark Hasenheide durch den Rummel von unzähligen Füßen getreten, von Schwertransportern befahren und so über Gebühr strapaziert werde.
Das streiten auch weder Neuköllns Bezirksbürger-meisterin, noch Thilo-Harry Wollenschlaeger, der Organisator von Berlins größtem Parkfest, ab. Doch: „Die Rasenschäden sind immer nach kurzer Zeit wieder behoben“, hält er Rummel-Gegnern entgegen. Und in diesem Jahr geht mit den heute beginnenden Neuköllner Maientagen sogar ein botanischer Zugewinn für die Hasenheide einher.
Mittwochvormittag: Wollenschlaeger hat zur Pressekonfe-renz in die Löwenhütte am Festplatz geladen. Zwei Tage sind es noch, bis die Besucher auf das Gelände strömen und Dr. Franziska Giffey mit dem Fassbieranstich die 51. Auflage des Jahrmarkts eröffnet. Ein entspannter Zeit-plan für diejenigen der insgesamt 96 Schausteller, die bereits vor Ort sind. Die Aufbauten der Atlantis Rafting-Wildwasserbahn werden durch die Luft bugsiert. The Beast, die neue High-tech-Schaukel
von Adriano Rasch, eine der Attrak-tionen der 51. Neuköllner Maientage, liegt noch auf dem Tieflader. Los- und Schießbuden, Wagen voller Lebkuchenherzen sowie Imbissstände werden auf Hochglanz gebracht. Die XXL-Krake der Berliner Schaustellerfamilie Müller wirkt schon so gut wie einsatzbereit, und Wollenschlaegers Löwenhütte ist es. Zum Pressetermin hat der Rummel-Chef aus besonderem Anlass auch Dr. Ranko Vujačić (l.), den Botschafter von Montenegro,
nebst dem Fotografen Udo Lauer eingeladen. Franziska Giffey, Neuköllns Schulstadtrat Jan-Christopher Rämer, zwei Schülerinnen der Evangelischen Schule Neukölln sowie ihre Kunst-lehrerin
Miriam Jansen sind ebenfalls aus gutem Grund zu Gast.
Im Büro der Bezirksbürgermeisterin habe man kaum noch einen Fuß auf den Boden bekommen, als dort vor knapp vier Wochen das Siegerbild des Maientage-Plakatwettbewerbs, der traditionell von Neuköllner Schülern bestritten wird, ermittelt wurde. Über 80 Bilder seien eingereicht worden: Letztlich fiel die Wahl auf die Volksfest-Szenerie der 13-jäh-rigen Eva (r.), während sich die Siebtklässlerin Magda (2. v. r.) mit einem der drei Sonderpreise begnügen musste. Ihr Plakatentwurf, lobte Giffey, sei zwar „künstlerisch besonders wertvoll“, aber für einen Werbeträger nicht bunt und kontrastreich genug. Folglich ist es nun das Bild von Eva, das 500 Plakate und 100.000 Flyer schmückt, die auf das dreiwöchige Volksfest aufmerksam machen sollen.
„Erzähl ruhig allen: Das war icke!“, hatte Jan-Chris-topher Rämer der Schülerin geraten, noch bevor er neben ihr und der Bezirksbürgermeisterin im Melodie Star Platz nahm. Der Wettbewerb, so der Schulstadt-rat, zeige nicht nur deutlich die Talente von Neuköll-ner Kindern, sondern sei auch ein besonderer Anreiz für den Kunstunterricht: „Ich mag mich gar nicht daran erinnern, wie oft ich mich bei dem in meiner eigenen Schulzeit ‚Wofür ist das jetzt gut?‘ gefragt habe.“ Für Eva Weingart bedeutet der Sieg – außer der Omnipräsenz ihres Bildes und der Ehrung bei der heutigen Maientage-Eröffnung – zusätzlich ein Preisgeld von 100 Euro. Geldpreise spendet Thilo-Harry Wollenschlaeger ebenfalls für die Zweit- und Drittplatzierte; das Bezirksamt Neukölln steuert Büchergutscheine für die Gewinner der drei Sonderpreise bei. Profitieren wird vom sozialen Engagement des Schaustellers aber auch ein Neuköllner Projekt, das, wie Rämer betonte, „Vorbild für die ganze Stadt“ sei und als Expertise längst exportiert werde: Der Erlös aus dem Verkauf der 50 Jahre Maientage-Jubiläumsbroschüre geht auf Anraten der Bezirksbürgermeisterin an das Alpha-Bündnis Neukölln.
Daraus, dass seine Sympathie für den Bezirk nicht von ungefähr kommt, macht Wollenschlaeger keinen Hehl: Hier erfahre er die Unter-stützung, die er sonst oft vermisse, lobt er. Fahrgeschäfte im Wert von etwa 20 Millionen Euro hat der 50-Jährige in diesem Jahr in die Hasenheide geholt, und die Teilnahme von 96 Schaustellerbetrieben bedeute rund 1.000 Arbeitsplätze. „Wir leisten einen gesellschaftlichen Beitrag, weil wir Orte der Begegnung schaffen, aber die Rahmenbedingungen für uns sind mehr als schwierig“, kritisiert der Rummel-Organisator. Kürzlich musste er die 56. Ausgabe des Deutsch-Amerikanischen Volksfests absagen, weil auf dem ehemaligen Festplatz am Hauptbahnhof gebaut wird und sich in Berlin kein Ausweichstandort fand. Wollenschlaegers Favorit wäre das Tempelhofer Feld gewesen: „Nur 1,5 Prozent der Gesamtfläche hätten wir gebraucht, aber das hat der Senat abgelehnt.“ Die Folge sei gewesen, dass den Berliner ein beliebtes Volksfest vorenthalten wurde und etliche Schausteller ihre Mitarbeiter wegen der Zwangs-pause in die vorübergehende Arbeitslosigkeit schicken mussten. Um den Interessen der Rummel-Akteure mehr Nachdruck zu geben, erwähnt Thilo-Harry Wollenschlaeger (r.), wurde „während der Britzer Baumblüte die Interessengemeinschaft Berlin/Brandenburgischer Schau-steller gegründet„, die sich auch für Erleichterungen für das fahrende Gewerbe
einsetzen werde. Beispielsweise hinsichtlich der versteck-ten Kosten, die gestemmt werden müssten, um auch den Maientagen-Besuchern kostenlos ein Bühnenprogramm bieten zu können. In Neukölln stehe der Rummel am angestammten Platz, „mit dem die Kindheitserinnerungen vieler Neuköllner verbunden sind“, nicht zur Disposition, sicherte
Bezirksbürgermeis-terin Giffey zu.
Die Erinnerungen von Dr. Ranko Vujačić (l.) an die Hasenheide liegen rund vier Jahrzehnte zurück. „Von April 1974 bis Juli 1976 habe ich Elektrotechnik an der TU Berlin studiert und am Hermannplatz gewohnt“, erzählt der Botschafter von Montenegro. Oft sei er auch durch den Park gegangen und deshalb gleich sicher gewesen, bei der BaumKunst-Aktion Friedensallee des Fotografen Udo Lauer dabei sein zu wollen. Das 1989 mit einer Pflanzung von 180 Ginkgobäumen und 90 Rosenstöcken auf den Seelower Höhen begonnene Projekt, hat inzwischen Standorte in zahlreichen Regionen Deutschlands, in Abu Dhabi, Russland und Israel gefunden. Durch Thilo Harry Wollenschlaegers Unterstützung ist Mittwoch die Hasenheide zur insgesamt 31. Station geworden: Direkt gegenüber des Haupteingangs zum Volksfest können nun die Ginkgobäume 249 und 250 gedeihen. „Als Botschafter von Montenegro, also vom Balkan“, sagt Vujačić, „weiß ich besonders gut, wie wichtig es ist, für den Frieden einzustehen.“
Die 51. Neuköllner Maientage werden heute um 17 Uhr offiziell eröffnet und laden bis zum 22. Mai täglich ab 14 Uhr bei freiem Eintritt zum Rummel-bummel ein. Jeden Sonnabend steht um 22 Uhr ein Erlebnisfeuerwerk auf dem Programm.
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